Wer in Pfützen kreucht und fleucht
Der Regen prasselt an die Scheiben, rinnt über die Straßen, gluckert in den Gully. Hier und da sammelt er sich aber auch in Pfützen. Und dort kann er unzählige Wesen zum Leben erwecken.

Bärtierchen, Rädertierchen, Pantoffeltierchen, Wimpertierchen, Amöben und Bakterien, zählt Biologe Ruben Teschner vom Verein Büro am Fluss in Wendlingen am Neckar beispielsweise auf. Auch kleine Krebstiere, sogenannte Wasserflöhe, fühlten sich in Pfützen wohl.
"Etwas größer sind dann Insekten", sagt Teschner. Hier spielten Pfützen vor allem für die Eiablage und die Kinderstadien eine wichtige Rolle. So entwickelten sich zum Beispiel die Larven von Mücken unter Wasser. Erst die erwachsenen Tiere, die als Imago bezeichnet werden, schwirren über der Wasseroberfläche umher.
Auch für manche Amphibien seien Pfützen interessant, weil hier in der Regel keine Fische schwimmen - also keine Fressfeinde. "Es ist vor allem von Vorteil für manche Arten solche temporären Gewässer zu besiedeln", erklärt Teschner. "Weil da die großen Räuber fehlen."
Gelbbauchunken seien zum Beispiel auf Gewässer mit etwa zehn Zentimetern Tiefe spezialisiert. Das sich ansammelnde Regenwasser in Traktorspuren reiche da schon, sagt der Biologe. Hier laiche der Froschlurch. Gelbbauchunken sind streng geschützt. Sie seien eine "Schirmart", sagt Teschner. Das bedeutet, dass mit ihnen die zum Leben benötigte Umwelt unter Schutz stehe und somit auch der Lebensraum anderer, nicht speziell geschützter Arten erhalten werde.
Die Gelbbauchunke kommt nach Angaben des Naturschutzbunds Nabu in Deutschland hauptsächlich im Süden und der Mitte vor. "Die nördlichsten bekannten Vorkommen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind stark zurückgegangen und akut vom Aussterben bedroht." Gefährdet sei sie unter anderem, weil Kleingewässer zugeschüttet werden oder Müll, Dünger und Umweltgifte sie belasten.
Auch Trockenlegung von Feuchthabitaten etwa durch landwirtschaftliche Drainagen oder Begradigung von Gewässern im Zuge des Hochwasserschutzes sorgten dafür, dass Wasser versickert statt Pfützen zu bilden, sagt Teschner. Dabei seien gerade die Wasseransammlungen auf dem Land wichtig, weil hier die Tiere leben. "In Straßenpfützen sind die seltenen Pfützenbewohner kaum zu erwarten. Das ist eher was für Wald und Flur", so Teschner.
Wie bunt das Treiben in ihnen manchmal sein kann, macht eine Studie vom afrikanischen Kontinent deutlich: Ein Forscherteam unter anderem von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung hat die Fußspuren von Elefanten unter die Lupe genommen, in denen sich Wasser sammelte. Bis zu 61 verschiedene Tierarten haben sie darin entdeckt. Schon binnen weniger Tage hätten mehr als 400 Organismen die rund 30 Zentimeter tiefen und breiten Löcher besiedelt, darunter Wasser- und Schwimmkäferarten und Exemplare aus der Gruppe der Stechmücken.
Die Tiere gelangen dabei auf unterschiedliche Weise in die Pfützen. Bei Unken und Mücken etwa suchen die erwachsenen Tiere die Gewässer gezielt zur Eiablage auf. Um das Risiko des Verlustes etwa durch Austrocknen zu minimieren, verteilen sie ihre Eier auf mehrere Wasserstellen, wie Teschner erklärt. Bei manchen Arten schlüpfe auch nicht der ganze Nachwuchs auf einmal, falls sich etwa durch neuen Regen die Überlebenschancen in den kommenden Tagen verbessern.
Wimpertierchen wiederum bildeten sogenannte Trockenstadien aus und buddelten sich ein, bis neues Wasser vom Himmel fällt. Manche Bakterien entwickelten Sporen. "Sobald Wasser kommt, kann dann wieder durchgestartet werden", sagt Teschner. Solche Sporen würden aber auch zur Verbreitung genutzt: Gerade wenn eine Wasserlache ausgetrocknet ist, könne der Wind sie sehr leicht weitertragen.
Passive Verbreitung gebe es etwa auch durch Vögel, so Teschner. Sie badeten in einer Wasserstelle, Lebewesen sammelten sich im Gefieder - und kämen so zur nächsten. "Das kann auch passieren, wenn ein Kind mit Gummistiefeln von Pfütze zu Pfütze hüpft", sagt Teschner. "Dann werden blinde Passagiere in den Rillen des Profils mitgenommen."