Sinsheim

Mysteriöse Krankheit befällt Tausende Bäume im Großen Wald

Förster tappen im Dunkeln - Was wuchert in den Eichen?

06.08.2020 UPDATE: 07.08.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden
„Beulenpest“ nennen die Förster die merkwürdigen Schadensbilder, hier an einer Eiche im Weilerer Wald. Noch ist völlig unklar, worum es sich handelt. Foto: Tim Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. Es fängt mit kleinen Rissen an. Eine merkwürdige Struktur in der Rinde. Hier eine Stelle. Dort wieder eine. Und dort. Bis schließlich fest steht, dass es überall ist. Eine mysteriöse Krankheit befällt die Eichen im Großen Wald. Förster Dietmar Weiland tappt im Dunkeln.

Die Risse weiten sich. Irgendwann tritt schwarzer Saft aus. Wucherungen treten zutage, "sogenannte Kalluswülste" ziehen sich ringförmig um den Stamm. Befallene Bäume sehen aus, als platzten sie von innen auf, unter der Rinde tritt dunkel verfärbtes, stark verändertes, feuchtes Gewebe zum Vorschein. Weiland beschreibt das, was er in späteren Stadien der Krankheit sieht, als "ähnlich einer Wundreaktion". Als würde man den Baum "mit einem Axthieb" verletzen, "in die Rinde durch das Kambium und den Bast".

"Seit etwa sechs Jahren" beobachtet der Revierleiter "dieses Phänomen". Von mehr als einem solchen kann er nicht sprechen, weil bislang völlig unklar blieb, um was es sich genau handelt und woher es kommt. Die Förster haben Fach- und Diagnosebücher, Dateien und Suchmaschinen bemüht. Vergeblich. "Kein Esskastanien-Rindenkrebs" und auch kein anderweitig bekanntes Krankheitsbild scheint es zu sein. Sie haben der gruseligen Erscheinung den Arbeitstitel "Beulenpest" gegeben. Und nein, es sind nicht Dutzende oder Hunderte Bäume betroffen, sagt Weiland und schüttelt den Kopf. Beim Gang durch die Bestände mit offenen Augen merkt man schnell: "Das geht in die Tausende."

Die kleinen Risse sind überall. Zwischen den vielen zweifelsohne gesunden Eichen blitzen immer wieder solche mit den hässlichen Entstellungen hervor. Die Krankheit, schildert Weiland, treffe junge und jüngste Bäume ab etwa zehn Jahren genauso wie solche, "die 150 oder 200 Jahre gesund waren". Manche vor Jahren markierte "Z-Bäume", die Hoffnungsträger, die besonders gepflegten Zukunftsbäume der Förster, zeigten inzwischen ebenfalls Symptome in verschiedenen Stadien. Diese bedeuteten für die Eichen "Siechtum", sagt Weiland, etwas Unabwendbares, außerdem Holzentwertung. Probe-Fällungen hätten gezeigt, wie sich die Krankheit im innern der Bäume auswirkt. Und zwar "ganz und gar nicht gut".

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Schwarz und feucht ist nämlich auch die Struktur der Verletzungen im Innern. Sie zieht sich "in der Form eines schwarzen ,T’ das auf dem Kopf steht" entlang der Jahresringe. Eine Verfärbung und eine Qualitätsminderung. Im Möbelbau sind diese Bäume dann unbrauchbar.

Versuche wurden unternommen, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Experten der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg kamen bereits zwei Mal in den Großen Wald. Doch auch sie tappen offenbar im Dunkeln. Ein Ergebnis der Untersuchungen wurde Weiland bislang noch nicht mitgeteilt. Auch Bodenproben aus dem Umfeld der betroffenen Eichen wurden genommen.

Eine Häufung der mysteriösen Veränderungen beobachtet Weiland an Standorten mit Tonböden. In Weiler und Teilen von Hilsbach sei es schlimmer als andernorts. Als mögliche Ursache hat Weiland "einen Pilz" in Verdacht, möglicherweise auch in Verbindung mit einem Bakterium. Auch bei Buchen hatten Pilzerkrankungen in Verbindung mit Trockenstress und kurzen Feuchtperioden zu Schäden geführt, worüber berichtet wurde. Dass Pilze sich über Sporen ausbreiten, macht die Sache nicht besser, weil hierdurch eine Art Ansteckungs-Effekt wahrscheinlich erscheint.

Dass das wärmer werdende Klima die Krankheit begünstigt, hält Weiland für so gut wie sicher. Nach dem Eschentriebsterben, den Borkenkäfern an den Fichten, den Käfer-, Trocken- und Pilzschäden bei den Buchen, scheint nun auch ein Teil der Eichen in Gefahr. Eine Baumart, die bei Förstern im Kraichgau bislang als zukunftsfähig gilt. Unklar ist noch, wie man dem Problem begegnen wird. "Wir beobachten das mit einiger Sorge", sagt Weiland. "Mehr können wir im Moment nicht tun."

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