Sinsheim

Damit das Wasser in den Wald kommt

Um Biotope zu schaffen und zu vernetzen arbeiten Förster und Stadtplaner mehr denn je Hand in Hand - Amphibien stark gefährdet

17.07.2020 UPDATE: 18.07.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 45 Sekunden
Biotopmaßnahmen im Wald, dienen dem Artenschutz und sollen Wasser auf die Fläche bringen, welches früher mit Rinnen abgeleitet wurde. Foto: Tim Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. Merkwürdige Rinnen ziehen sich am Roten Weg durch den Wald, hunderte Meter weit. Relikte einer anderen Zeit, in der so viel Wasser da war, dass Dietmar Weilands Vorgänger es möglichst schnell aus dem Bestand herausleiten wollten. Kaum 90 Jahre später, sagt der Forstrevierleiter, stehe man vor der exakt gegenteiligen Situation: Wasser als Quell allen Lebens im Wald zu halten oder zurückzubringen ist das Gebot der Stunde.

Die Rinnen am Roten Weg sind heute verlandet. Würden sie Wasser führen, würde Weiland "einen Bagger bestellen und sie zuschütten". Einen Bagger hatten sie vor etwa zehn Jahren auch am nahen Winkelbachweg im Einsatz, wo sich ein kleiner Quellbach durch den Wald schlängelt. Eine Kuhle am Wegrand wurde ausgehoben, zehn auf zehn Meter weit, und ein unter dem Waldweg liegender Durchlauf wurde höher gesetzt. Mit den Jahren entstand ein Teich, setzte sich die natürliche Ufervegetation durch, kamen Frösche, Libellen und eine Ringelnatter. Weiland hat noch Schwertlilien gesetzt.

Von den Biotopen profitieren Amphibien, wie die Gelbbauchunke. Foto: Tim Kegel

Gelbbauchunken recken einige hundert Meter weiter ihre Schnauzen aus dem Schlick. Über 20 Tiere kann man an guten Tagen allein beim kurzen Abstecher in den sechs Tümpeln am Amalienweg zählen. Seit acht Jahren hegen Forst und Stadtverwaltung die Population, unterstützt vom Naturschutzbund. Die streng geschützten Tiere leben in alten Fahrspuren schwerer Holzerntemaschinen, die vielen Naturschützern ein Dorn im Auge sind. Heute wird die Stelle nicht mehr bewirtschaftet; in besonders trockenen Jahren füllen Freiwillige auch mal Wasser nach und schützen Teile des Biotops mit Teichfolie vor dem Austrocknen.

Amphibien zählen zu den Hauptleidtragenden der Trockenheit: "Ballenweise" haben die städtischen Forstrevierleiter während der großen Trockenheit im April Amphibienlaich, hauptsächlich von Erdkröten, aus den immer trockener werdenden Pfützen und Tümpeln geborgen und umgesetzt. Artenschutz und Biotopvernetzung seien Themen, die sich Förster und Stadtverwaltung immer stärker auf die Fahnen schreiben würden, sagt Holger Brohm, Landschaftsarchitekt und im Amt für Stadtentwicklung zuständig für Naturthemen.

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Das Thema Wasser spiele bei einem Großteil der aktuellen Projekte eine tragende Rolle, schildern Brohm und Weiland aus ihrer Zusammenarbeit. Projekte ähnlicher Art entstünden oft "auf Zuruf" und "aus der täglichen Wahrnehmung heraus" und seien mitunter "mit einfachsten Mitteln umsetzbar".

So habe das Biotop am Weilerer Winkelbachweg "keine 1000 Euro gekostet", sagt Weiland, auch weil man zur Umsetzung kein Ingenieurbüro gebraucht und einfach günstige Umstände genutzt habe. Der benötigte Bagger war damals aus Gründen des Waldwegebaus vor Ort; bei wieder anderen Maßnahmen kümmerte sich Brohm um wasserrechtliche Genehmigungen, um geeignete Fördertöpfe, die Finanzierung über private Spenden an die Stadtverwaltung oder als Ausgleichsmaßnahme über eine Verrechnung im Ökokonto. In Rohrbach, in Hilsbach, in Reihen und in Hasselbach sind ähnliche Projekte in Vorbereitung.

Wegen seiner dichten Tonböden ist Weiler allerdings besonders gut für Feuchtbiotope geeignet; der rund um Sinsheim anzutreffende Feinlehm ist deutlich weniger wasserhaltefähig. In Kürze soll am Hasenklingenweg unweit der Hammerau ein weiteres Großbiotop geschaffen werden, indem ein Bachlauf angestaut wird. Der hierdurch entstehende Teich dürfte der flächenmäßig größte im Weilerer Wald werden.

Wichtige Maßnahmen, sind Brohm und Weiland überzeugt, um dem sich verändernden Klima zu begegnen: Inzwischen führe die Trockenheit zu Nadelverlusten von bis zu 80 Prozent bei Nadelbaumarten, der Trockenstress bringe Schadinsekten mit sich und leiste dem Eschentriebsterben, aber auch anderen Pilz- und Bakterienkrankheiten Vorschub. Nachdem neben Fichten und Eschen nun auch Buchen verstärkt ausfallen, treibt dem Förster vor allem eine neue Erscheinung bei einigen der an sich robusten Eichen die Sorgenfalten auf die Stirn: Seltsame Beulen in der Rinde sind aufgetaucht, die Stämme platzen auf, werden schwarz, sterben ab. Auch die Institute, die Weilands Proben untersucht haben, tappen derzeit noch im Dunkeln, um welche Krankheit es sich handelt.

Hier schließt sich ein Kreis: Der Trockenstress dürfte über kurz oder lang zu einem lichter werdenden Wald führen, was höhere Temperaturen mit sich bringt, die ihrerseits ungünstig auf den Wasserhaushalt drücken.

Frustrierend ist für Weiland, dass er ahnen kann, dass seine Biotope förmlich nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sind. Sorgen macht ihm nicht der Hobbygärtner, der seinen Garten gießt, doch "die steigende Anzahl der Gartenpools" mit 10.000 Litern Inhalt und mehr hält er für ein Problem: "Da muss in Weiler nur einer ein Schwimmbad bauen – und in der Bilanz war unsere Arbeit unbedeutend."

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