Wasserstoff gewinnt als Kraftstoff für Autos an Bedeutung
In Zeiten des Klimawandels gewinnt Wasserstoff als alternative Antriebsform für Autos an Bedeutung.

Von Harald Berlinghof
Heidelberg. Das kann sich Felix Wankel, als er in seiner Heidelberger Werkstatt in der Kleinschmidtstraße ab den 1930er Jahren an seinem neuartigen Motor werkelte, nicht gedacht haben. Dass sein vibrationsarmer Drehkolbenmotor, der nach ihm selbst benannt wurde, einmal statt mit Diesel oder Benzin mit einem Gemisch aus Wasserstoff und Sauerstoff betrieben werden könnte. Dass in dem Gemisch eine gewaltige Explosionsenergie steckt, weiß jeder seit seiner Schulzeit, als im Chemieunterricht der Lehrer die Knallgasexplosion vorführte. Wasserstoff plus Sauerstoff plus ein Zündfunke – und es knallt.
Wankel wusste nichts von einem Klimawandel. Doch seit einigen Jahren hat die Klimadiskussion an Fahrt aufgenommen und alternative Antriebsformen für Autos gewinnen zunehmend an Bedeutung. Dabei ist es vor allem der Wasserstoff als Energieträger, der neben den batteriegetriebenen Elektroautos zunehmend in den Fokus des Interesses gerät. Die Bundesregierung hat jüngst eine Wasserstoffstrategie für Deutschland beschlossen. Doch das ist erst der halbe Schritt, denn bei dem Begriff der Wasserstofftechnologie denken viele zunächst an die Brennstoffzelle. Die aber ist teuer, um nicht zu sagen fast unbezahlbar. Pkw mit einer Brennstoffzelle im Kofferraum kosten zwischen 70.000 und 80.000 Euro.
Hintergrund
Der Stoff: Wasserstoff kommt im Universum im Überfluss vor. Es ist mit rund 75 Prozent der kosmischen Gesamtmasse das am häufigsten auftretende chemische Element. Auf der Erde allerdings ist das reine Gas nicht zu finden. Es ist so leicht, dass sogar die irdische Schwerkraft
Der Stoff: Wasserstoff kommt im Universum im Überfluss vor. Es ist mit rund 75 Prozent der kosmischen Gesamtmasse das am häufigsten auftretende chemische Element. Auf der Erde allerdings ist das reine Gas nicht zu finden. Es ist so leicht, dass sogar die irdische Schwerkraft es nicht festhalten kann. Doch in der Verbindung mit Sauerstoff in Form von Wasser (H2O) ist es praktisch allgegenwärtig.
Die Energie: Mit Hilfe von Elektrolyse lassen sich die beiden Elemente leicht trennen und isolieren. Mit Strom kann man Wasserstoff und Sauerstoff aus Wasser gewinnen. Wenn die Energie für den genutzten Strom aus Sonnenenergie stammt, reduzieren sich Energieeffizienz-Berechnungen nur noch auf die Kosten. Wie viel Prozent der für die Elektrolyse eingesetzten Sonnenenergie letztlich beim Wasserstoffeinsatz im Verbrennungsmotor genutzt wird, ist dagegen ohne Belang. Denn die Menge der Sonnenenergie, die uns global betrachtet für einen beinahe unendlich langen Zeitraum (Lebensdauer der Sonne) kostenlos 24 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche zur Verfügung steht, übersteigt bei Weitem den Energieverbrauch der gesamten Menschheit.
Der Ausstoß: Bei der Verbrennung von Wasserstoff mit Sauerstoff – egal ob "kalt" in der Brennstoffzelle oder "heiß" in einem Motor – entsteht am Auspuff nur Wasserdampf. Und ein verschwindend kleiner, praktisch zu vernachlässigender Anteil an Stickoxid (NOx), weil jeder Verbrennermotor auch kleine Mengen an Öl, das zur Schmierung nötig ist, mit verbrennt.
Die Flüchtigkeit: Ein Grund, warum es der Wasserstoff bisher nicht geschafft hat, als Energieträger eine wichtige Rolle zu spielen, ist seine Flüchtigkeit. Denn das chemische Element Wasserstoff ist das kleinste im Periodensystem. Wasserstoff besteht aus einem Proton im Atomkern und einem Elektron, das drum herum kreist. Das macht das Element sehr flüchtig und es kann sogar stabile Stahlwände wie ein Sieb durchdringen. Das wiederum macht seine Lagerung und Speicherung schwierig. Doch mit neuen Materialien auf Karbonfasergrundlage konnte das Problem der Dichtigkeit und der Druckfestigkeit gelöst werden.
Doch es gibt eine kostengünstigere Alternative und die heißt Wankelmotor. Der Drehkolbenmotor von Felix Wankel kann nämlich neben Benzin oder Diesel auch Erdgas und Wasserstoff als Antriebsenergie verarbeiten. Und beim Wasserstoff, der als besonders klimaneutral gilt, soll der Wankelmotor gegenüber dem herkömmlichen Ottomotor spürbare Vorteile bei der Temperaturverteilung im Motor haben. Und ein gewichtiges Argument für die Verbraucher: Ein Wasserstoff-Wankel-Antrieb könnte wesentlich günstiger als ein Brennstoffzellenauto angeboten werden.
Der japanische Hersteller Mazda hat seine jahrzehntelangen Erfahrungen mit dem Wankelmotor dazu genutzt, das Projekt eines Wasserstoff-Drehkolbenmotors voran zu treiben. "Alle technischen Probleme wurden dabei gelöst", erklärt ein Sprecher des Unternehmens. Allerdings wurde das Projekt wieder eingestellt, wegen der nicht vorhandenen Infrastruktur an Wasserstofftankstellen. Und weil die klimaneutrale Wasserstoff-Herstellung vor zehn Jahren in der Bundesrepublik noch nicht im Fokus stand. Insgesamt gibt es etwa 100 Wasserstofftankstellen in Deutschland. In der Region Rhein-Neckar existieren zwei Wasserstoffzapfsäulen, eine in Hirschberg und eine in Heidelberg.
Auch interessant
Verdienst um die Entwicklung eines Wasserstoff-Verbrenners hat auch das Münchner Start-up Keyou erworben. Der Gründer des Unternehmens Thomas Korn sieht keine unüberwindlichen Hindernisse bei der Einführung des Wasserstoffs als Energieträger der Zukunft. Die Infrastrukturdebatte entkräftet er damit, dass auch für die Elektromobilität ein Ausbau an öffentlichen Ladestationen nötig werden wird. Neue Speichertechnologien bringen den Wasserstoff-Verbrenner seiner Meinung nach in Bezug auf Lebensdauer, Alltagstauglichkeit und Betankungszeit nah an den Diesel. "Selbst bei der Kosteneffizienz und der Reichweite ist der Diesel in Sicht."
Die "notwendigen Änderungen am Kreiskolbenmotor (Wankelmotor) für den Wasserstoffbetrieb halten sich im Vergleich zum Hubkolbenmotor sehr in Grenzen. Und sie sind sicher sehr gering im Vergleich zu den Entwicklungs- und Produktionskosten einer Brennstoffzelle", heißt es bei Mazda. Der japanische Autohersteller hat zwar das Entwicklungskonzept für den Wasserstoff-Kreiskolbenmotor gegenwärtig auf Eis gelegt, arbeitet aber konkret an einem Kreiskolben-Range-Extender für E-Fahrzeuge, der theoretisch auch mit Wasserstoff betrieben werden könnte.
BMW hat bereits 2001 bewiesen, dass der Wasserstoff-Verbrenner im Alltag funktioniert. Und zwar nicht der Wankelmotor, sondern der üblicherweise in Autos eingesetzte Hubkolbenmotor. Die Teilnahme des BMW 750hl an einer Tour galt vor 20 Jahren als Sensation.
Im Jahr 2001 hatte BMW mit seinem umgerüsteten 750hl bewiesen, dass man alltagstauglich einen Ottomotor mit Wasserstoff oder wahlweise mit Benzin betreiben kann: Das damalige Versuchsfahrzeug hatte an der Clean Energy World Tour teilgenommen und rund 170.000 Kilometer mit dem umgerüsteten Motor zurück gelegt. Und das obwohl der Motor wahlweise – je nachdem, was gerade zur Verfügung stand – mit Benzin oder Wasserstoff angetrieben wurde. "Die von BMW entwickelten Entwicklungsmotoren waren grundsätzlich bivalent. Die Logik war die: Grundsätzlich fährt das Fahrzeug mit Wasserstoff. Ist der Tank leer, wird automatisch und praktisch unmerklich auf Benzin-Betrieb umgestellt", erklärt Bernhard Ederer, Ingenieur in der Presseabteilung von BMW.
Die nachfolgende Kleinserie BMW Hydrogen 7 war auf 100 Stück limitiert. Der umgerüstete Wagentyp kam nicht in den freien Verkauf, sondern wurde nur an ausgewählte Kunden – darunter Brad Pitt, Angelina Jolie, Placido Domingo oder auch Guido Westerwelle – abgegeben und zur Nutzung überlassen. Insgesamt haben die hergestellten Fahrzeuge mehr als vier Millionen Kilometer zurück gelegt. Die Größe des Motors spielt bei der Umrüstung auf Wasserstoff keine Rolle, so Ederer. Auch der Einwand, der Wasserstoffbetrieb würde die Temperaturen im Motor in nicht mehr beherrschbare Höhen ansteigen lassen, hat sich als unbegründet erwiesen. "Das Temperaturniveau war bei beiden Energieträgern Wasserstoff oder Benzin vergleichbar. Auch Lebensdauer und Verschleiß waren vergleichbar", so Ederer.
BMW habe das Wasserstoffprojekt vor zehn Jahren nicht wegen eines zu kleinen Tankstellen-Netzes eingestellt. Der Grund war die marginale Verbrennung von Öl im Verbrenner-Motor und die geringen Mengen von Stickoxiden, die allerdings leicht durch einen Katalysator abgefangen werden können. Deshalb verweigerte die kalifornische Umweltbehörde Carb die Anerkennung als Zero-Emissions-Vehicle. Ohne diese ginge aber ein wesentlicher Absatzmarkt für das Auto verloren. "Das machte wirtschaftlich keinen Sinn", so Ederer. BMW setzt deshalb verstärkt auf die Entwicklung von Brennstoffzellen-Elektroautos.