Hans-Peter Wild will Capri-Sun-Geschäft verdoppeln
Recycling-Folie erfordert neue Maschinen - Abkehr vom Lizenzmodell

Von Thomas Frenzel
Eppelheim. Überraschungsbesuch bei Capri-Sun: Eigentümer Hans-Peter Wild schaute am Stammsitz in Eppelheim vorbei. Der Erfolgsunternehmer, der das Fruchtsaftgetränk Capri-Sonne zu einer Weltmarke entwickelt hat, lebt seit 30 Jahren im schweizerischen Zug, dem Sitz seiner Capri Sun Group Holding AG. Das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt sein Vermögen auf 3,2 Milliarden Dollar. Die RNZ traf den Eppelheimer Ehrenbürger, der am 16. Juni 1941 in Heidelberg geboren wurde, zwischen diversen Meetings zum Gespräch.
Herr Dr. Wild, was ist so wichtig, dass Sie gemeinsam mit dem Chef Ihrer Holding, Roland Weening, aus Zug eingeflogen sind? Sind es die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auch auf den Standort Eppelheim?
Ja und Nein. Von dem Coronavirus sind wir hier in Eppelheim – toi, toi, toi – weitgehend verschont geblieben. Gleich als es los ging mit Corona, haben unsere Eppelheimer Mitarbeiter die strengen Sicherheitsmaßnahmen noch einmal verschärft.
Und das Aber?
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In unserer Verpackungsabteilung hatten wir im August trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zunächst zwei Corona-Fälle und dann noch einmal zwei weitere Verdachtsfälle. Betroffen waren Leasingkräfte eines Leiharbeitsunternehmens aus Schwetzingen. Wie sich herausstellte, wohnten alle in derselben Unterkunft. Soweit ich weiß, wurden sie inzwischen negativ getestet.

Deshalb hätten Sie und Ihr CEO aber nicht nach Eppelheim kommen müssen.
Stimmt. Uns geht es um die Gesamtsituation. Trotz eines corona-bedingten Umsatzrückgangs von weltweit fünf Prozent geht es Capri-Sun sehr gut, vor allem im Vergleich zu anderen Getränkeunternehmen. Die hatten teilweise erhebliche Umsatzeinbrüche. Wir dagegen konnten in Deutschland sowohl den Marktanteil als auch die Käuferreichweite ausbauen. Roland und sein Team haben da einen wirklich tollen Job gemacht. Ungeachtet dessen: In Eppelheim haben wir zurzeit gewisse Probleme.
Verraten Sie welche?
Zwischen Bestellung und Lieferung vergeht zu viel Zeit, es gibt Lieferprobleme. Die sind aber nur zum Teil auf das Coronavirus zurückzuführen – ich sage hier: Abstandsregeln. Die hatten natürlich Auswirkungen auf die Produktion. Zusätzlich gab es aber Ausfälle bei unseren Abfüllmaschinen. Sie liefen nicht reibungslos. Außerdem hatten sich hier unsere Ressourcen verschoben. Wie Sie wissen, beliefern wir mit unseren Maschinen auch die Lebensmittel-, Tierfutter- oder Kosmetikindustrie. Dort entwickelt sich unser Standbodenbeutel aufgrund seiner vielen Vorteile immer mehr zum Erfolgsmodell.
Jetzt sprechen Sie aber nicht mehr von Capri-Sun, dem Fruchtsaftgetränk, sondern von der Indag GmbH. Die hat als Ihr Technologiezentrum den Sitz ebenfalls in Eppelheim und stellt die Maschinen zur Beutelherstellung, für die Abfüllung und die nachfolgende Verpackung her.
Genau um die geht es. Sie muss ihren Fokus wieder auf Capri-Sun richten. Nicht nur wegen der kleinen Corona-Delle, sondern aus strategischen Gründen. Denn mein Ziel ist es, dass wir binnen fünf Jahren das globale Capri-Sun-Geschäft auf jährlich zwölf Milliarden Trinkpacks steigern.
Wie realistisch ist denn dieses – sagen wir mal – doch sehr ambitionierte Vorhaben? Seit Jahren ist bei Capri-Sun nur die Rede von "über sechs Milliarden Trinkpacks" – was ja auch schon beachtlich ist.
Natürlich ist das Zwölf-Milliarden-Ziel ehrgeizig. Das gebe ich ja zu. Aber ohne sich ein Ziel zu setzen, kommt man nicht voran. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es eines ganzen Maßnahmenbündels.
Hintergrund
> Capri-Sun reicht in ihrer Geschichte ins Jahr 1931 zurück. Damals gründeten Rudolf und Leonie Wild, die Eltern des heutigen Eigentümers Hans-Peter Wild, die Zick-Zack-Werke. Diese setzten schon früh auf natürliche Essenzen, auf denen auch die 1951 eingeführte
> Capri-Sun reicht in ihrer Geschichte ins Jahr 1931 zurück. Damals gründeten Rudolf und Leonie Wild, die Eltern des heutigen Eigentümers Hans-Peter Wild, die Zick-Zack-Werke. Diese setzten schon früh auf natürliche Essenzen, auf denen auch die 1951 eingeführte Limonadenmarke Libella basierte. 1969 kam die erste Capri-Sonne als Fruchtsaftgetränk im neuartigen Trinkpack auf den Markt. Parallel wurden die Entwicklung und das weltweite Geschäft mit natürlichen Aromen und Grundstoffen für die Lebensmittelindustrie ausgebaut. Dieses Geschäft wurde 2014 an den US-Konzern Archer Daniels Midland zu einem Preis von 2,3 Milliarden Euro verkauft und firmiert in Eppelheim seither als ADM Wild. Die Marke Capri-Sonne – inzwischen Capri-Sun – blieb genauso wie das in Eppelheim ansässige Technologiezentrum Indag – heute Pouch Partners – im Eigentum von Hans-Peter Wild. Capri-Sun wird weltweit an 24 Standorten produziert, in über 110 Ländern verkauft und erzielt einen Außenumsatz von 1,5 Milliarden Euro. Am Standort Eppelheim, von dem aus Europa mit Ausnahme von Großbritannien beliefert wird, sind nach Auskunft der Holding aktuell gut 800 Mitarbeiter bei Capri-Sun selbst, im Vertrieb und bei Pouch Partners beschäftigt. (fre)
Werden Sie doch bitte konkreter!
Ich versuche es! Unlängst hatten wir auf dem Wachstumsmarkt China, wo es Capri-Sun-Standorte bei Beijing gibt, ganz erhebliche Vertriebsprobleme bei unserem Lizenznehmer. Nicht nur in China, sondern grundsätzlich wollen wir deshalb von unserem Lizenzmodell abrücken und möglichst viel in Eigenregie produzieren, auch in Osteuropa oder in den USA, wo wir mit Kraft Heinz zusammenarbeiten. Da laufen die Gespräche.
Was ist denn der Vorteil Ihrer beabsichtigten Abkehr vom Lizenzmodell, auf das Sie jahrzehntelang gesetzt haben?
Tatsache ist: In einem riesigen Konzern, der unsere Capri-Sun in Lizenz herstellt, sind wir nur eine Getränkemarke von vielen. Aus Sicht des Konzerns kann ich das nachvollziehen. Aber: In einer solchen Position können wir unser großes Marktpotenzial nicht ausspielen.
Für die von Ihnen angepeilte Expansion brauchen Sie Ihre Eppelheimer Maschinenbauer. Die sollen für einen solchen Output die ja wohl nötigen zusätzlichen Maschinen liefern.
Stimmt. Aber das ist nicht alles. Unser mittelfristiges Ziel ist es, wegzukommen von unserem bisherigen Trinkpack mit der Aluminiumfolie. Meine Holding hat deshalb den Folienspezialisten Porta im norditalienischen Brunello gekauft. Den haben wir übrigens mit unserer Indag GmbH zu der neuen Pouch Partner AG zusammengefasst. Die Italiener stellen zu 100 Prozent recycelbare Folien her, die wir für Capri-Sun einsetzen wollen. Das wiederum stellt unsere Maschinenbauer vor Herausforderungen. Deshalb sind wir hier in Eppelheim auch auf der Suche nach gestandenen Maschinenbau-Ingenieuren, die sich auf das Falten von Material verstehen.
Für einen Laien, verzeihen Sie, ist das schwer zu verstehen. Was ist denn das Problem bei einem Folienwechsel?
Nun geht es aber ins Detail! Unsere jetzigen Trinkpacks bestehen aus einer Vorder-, aus einer Rückseite und aus einer Bodenfolie; alle drei werden miteinander verschweißt. Die Folie selbst ist dreilagig und hat als mittlere Lage eine hauchdünne Aluminiumschicht; das schützt unser Getränk vor Lichteinfall und macht es haltbarer. Die neuen Folien sind zweilagig, kommen ohne Aluminiumschicht aus und bestehen – neben der Bodenfolie – aus einer gemeinsamen Vorder- und Rückseite. Diese muss aber erst gefaltet werden, bevor sie mit dem Beutelboden verschweißt werden kann. Der Produktionsablauf ist somit ein anderer und setzt ein völlig neues Maschinendesign voraus. Genau daran arbeiten wir. Unsere ersten Prototypen (zeigt auf neue und alte Trinkpacks) sind aber jedenfalls mehr als nur vielversprechend.
Wann soll denn dieser recycelbare Standbeutel auf den Markt kommen?
Mein Ziel ist 2022. Von ihm erwarte ich – so viel zum Thema Expansion – auch in Sachen Verkauf einen zusätzlichen Schub.
Weltweit werden Sie 2022 die Einführung aber kaum schaffen! Oder?
Sobald unsere neuen Maschinen zuverlässig arbeiten, richten wir uns nach der Notwendigkeit. In Deutschland oder Großbritannien steht die Wiederverwertbarkeit von Verpackungen ganz oben. Da wollen wir zuerst mit unseren neuen Trinkpacks punkten. In anderen Ländern haben andere Umweltschutzthemen Priorität. Dort haben wir noch etwas Zeit.
Apropos Umweltschutz: Trinkhalme aus Plastik, die zur Fruchtsaftgetränke-Marke Capri-Sun gehören wie der kleine Trinkpack, werden von der EU geächtet. Haben Sie schon Alternativen zu dem Plastikrohr?
Verzeihen Sie mir meine Anmerkung: In Sachen Umweltschutz und Plastikvermeidung gibt es sicher wichtigere Dinge als unseren kleinen Trinkhalm. Aber natürlich sind wir auch hier aktiv. In Zusammenarbeit mit unserem Lieferanten, einem ausgewiesenen Spezialisten, haben wir einen Trinkhalm aus imprägniertem Papier entwickelt. In Portugal, unserem Testmarkt, wurde er bereits gut angenommen.
Zurück zum Anfang unseres Gesprächs: Gab es Momente, in denen Sie befürchteten, selbst von Corona betroffen zu sein?
Nicht nur einmal! Ich habe inzwischen sieben Tests hinter mir, Gott sei Dank alle negativ! Und einmal, da bin ich überzeugt, da habe ich wirklich viel Glück gehabt.
Was war der Anlass?
Wie Sie wissen, ist Rugby meine Leidenschaft und die habe ich mir 2017 ja mit dem Kauf der Pariser Rugby-Mannschaft Stade Français verwirklicht. Diese Mannschaft ging Ende Juli coronafrei ins Trainingscamp nach Nizza. Dummerweise hatten wir – ungeachtet aller Hygienevorschriften – in dem rund 60-köpfigen Team einen Superspreader. Das Ergebnis war, dass am Ende des Camps, am 5. August, zwei Drittel der Mannschaft infiziert waren oder in Quarantäne mussten. Und ich hatte das Team in Nizza besucht. Glücklicherweise bin ich gesund davongekommen. Das hat mir aber eines gezeigt: Dieses Coronavirus muss man sehr ernst nehmen!