Sinsheim

Seelsorge betrieb Pfarrer Wolfgang Oser auch beim Brötchenholen

Oser geht zum Ende der Sommerferien in den Ruhestand und zieht nach Eppelheim.

12.08.2020 UPDATE: 13.08.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden
Seine Schildkröte Hugo lebt im Garten des Pfarrhauses, seit Wolfgang Oser Pfarrer in Sinsheim ist. Sie wird mit ihm nach Eppelheim umziehen und soll künftig auf dem Balkon ein Zuhause finden. Foto: Christian Beck

Von Christian Beck

Sinsheim. Die ersten Umzugskartons hat er schon gepackt. Denn nach den Sommerferien geht er in Rente und verlässt die Stadt. Nach 21 Jahren als Pfarrer in Sinsheim verabschiedet sich Wolfgang Oser. Im Gespräch mit der RNZ blickt er zurück und erzählt außerdem, was er vermissen wird, was er im Ruhestand vorhat, und wie er über die Zukunft der Kirche denkt.

"Das ging rasend schnell", sagt Oser, wenn er auf die vergangenen 21 Jahre zurückblickt. Dass er so lange in Sinsheim bleibt, habe er nie vorgehabt. Es habe sich einfach so ergeben. Stets gab es noch etwas, das ihm am Herzen lag, das er begleiten wollte. Zuletzt war es der Beitrag der Kirche zu den Heimattagen. Und so kommt es, dass er erst mit 73 Jahren in den Ruhestand geht.

Der Beruf sei ihm quasi in die Wiege gelegt worden, erzählt Oser. "Als Kind ist meine Oma mit mir jeden Morgen in die Messe gegangen." Fragte ihn jemand, warum er Pfarrer wurde, sagte er häufig: "Ich bin gern unter Menschen." Und zwar nicht nur in der Kirche: Seelsorge fand für ihn oft beim Plausch in den Gassen und an der Kasse statt. Dementsprechend sagt er schmunzelnd: "Wenn ich zum Bäcker gehe, brauche ich eine halbe Stunde."

Stark geprägt hat Oser die 68er-Zeit, während der er studiert hat. "Damals haben wir alles hinterfragt, auch Gott", erinnert er sich. Und damals wie heute ist er das eine oder andere Mal angeeckt mit seinen klaren Positionen. Die Kommunion sollen alle empfangen, sagt er entschieden. Ob ein Mann oder eine Frau eine Gemeinde leitet, "spielt keine Rolle", betont er. Er stehe "1000-prozentig hinter der Ökumene". Dass fast nur noch Ältere in die Kirche gehen, bezeichnet er als Katastrophe. Und er sagt offen: "Wir brauchen nicht mehr so viele Kirchen." Schließlich kämen immer weniger Menschen zu den Gottesdiensten.

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Künftiger Pfarrer in Sinsheim wird Pater Thomas Palakudiyil sein. Er stammt aus Kerala, Indien. In den vergangenen zehn Jahren hat er in Schwetzingen gearbeitet. Laut Dekan Thomas Hafner ist er 53 Jahre alt und kann sehr gut Deutsch. Hafner beschreibt ihn als offenen Menschen, der erste Eindruck sei sehr positiv gewesen. Seine Arbeit wird Pater Thomas am 1. Advent antreten. Wohnen werde er in Sinsheim, zunächst aber nicht im Pfarrhaus, da Renovierungsarbeiten anstehen. Da Pfarrer Oser in den Ruhestand geht und Kaplan Philipp Ostertag seine Stelle wechselt, verfügt das Team der Seelsorgeeinheit über zwei Kräfte weniger. Laut Hafner können deshalb nach den Sommerferien weniger Gottesdienste angeboten werden. (cbe)

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Das wiederum stimmt ihn traurig. "Ich kann nicht sagen, dass ich mit einem guten Gefühl gehe", sagt er. Doch die Kirche müsse sich eben ein Stück weit anpassen. "Wir müssen hinausgehen zu den Menschen", ist er überzeugt. Vor allem zu jenen, die in Not sind oder am Existenzminimum kratzen – dass dies bei vielen der Fall ist, erlebe er immer wieder in Gesprächen. Oser hat den Eindruck: "In unserer Gesellschaft geht’s nur um Wohlstand und Freizeitvergnügen." Übertriebene Löhne und den Umgang mit Tieren, der häufig üblich ist, bezeichnet er als unanständig.

Doch bei aller deutlichen Kritik: Seine Arbeit hat ihm Freude bereitet. Er habe gerne Religion an der Theodor-Heuss-Schule unterrichtet. Für die katholische Jugendarbeit war er viele Jahre Ansprechpartner. Er war Feuerwehrpfarrer und kümmerte sich um die Notfallseelsorge. Wenn ihm jemand sagte: "Herr Pfarrer, wenn Sie predigen, das versteht man", freut ihn das noch heute. Er hat Menschen begleitet, in schönen und weniger schönen Momenten. Und viele von ihnen hat er beerdigt. Großartiger Erwähnung bedarf das seiner Meinung nach nicht. Oser sagt schlicht: "Ich habe versucht, meine Arbeit zu machen."

Dass er von seinen 40 Jahren als Pfarrer rund die Hälfte der Zeit im Kraichgau verbracht hat, lässt sich nicht einfach abstreifen. "Sinsheim ist meine Heimat geworden", sagt er. Doch es zieht ihn in die Nähe von Heidelberg: Die Stadt ist für ihn der Inbegriff von Weltoffenheit. Künftig wohnt er nicht mehr im Pfarrhaus in der Pfarrstraße 8, sondern in einer Drei-Zimmer-Wohnung in Eppelheim. In Sinsheim zu bleiben, war trotz Heimatgefühlen keine Option. Denn dann hieße es: "Du hast meine Oma beerdigt, kannst Du jetzt bitte auch noch meinen Opa beerdigen?" Und man dürfe sich auch selbst nicht zu wichtig nehmen: "Es ist eine Katastrophe, wenn man denkt, man sei nicht zu ersetzen", findet Oser.

Doch was hat er nun vor? "Ich habe keine großen Pläne", sagt er. Ziemlich sicher wird er in seinen Büchern schmökern und ab und zu mal einen Ausflug "in den ganz wunderschönen Kraichgau" machen. Und wenn möglich seiner Leidenschaft frönen, dem Fahrradfahren.

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