"Shitstorm" am Badesee

Nilgänse werden in Eppingen zum Problem

Am Mühlbacher See und vielleicht auch bald am neuen Stadtweiher - Auch die Nutria macht sich breit

18.06.2020 UPDATE: 19.06.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 55 Sekunden
In stattlicher Zahl bevölkern die Nilgänse den Mühlbacher See. Ihre Hinterlassenschaften ärgern allerdings viele Besucher. Foto: Armin Guzy

Von Armin Guzy

Eppingen. Der "Shitstorm", von dem Ortsvorsteher Teo Antritter am Mittwoch sprach, ist durchaus wörtlich zu nehmen: Der Mühlbacher See hat ein unappetitliches Problem mit Nilgänsen. Insbesondere deren Kot auf der Liegewiese vergrault zunehmend die Besucher, aber auch die heimische Tierwelt leidet unter den Zugvögeln, und der Wasserqualität sind die Hinterlassenschaften der Gänse auch nicht zuträglich.

Inzwischen zeigen sich auch auf der Stirn von Oberbürgermeister Klaus Holaschke Sorgenfalten, wenn das Thema zur Sprache kommt, wie nun im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats: Im nächsten Jahr steht in Eppingen die Gartenschau an, und ganz bestimmt will man dann nicht den neu angelegten Stadtweiher voller Nilgänse haben. Nutrias sind bereits da und reichen als Problemtier, dazu aber später.

Buchstäblich aus heiterem Himmel war das Nilgans-Problem im vergangenen Jahr über den Mühlbacher See gekommen, sagt Antritter im Gespräch mit der RNZ. Vermutlich aus Zaberfeld war das erste Gänsepaar damals ins Steinhauerdorf eingeflogen, hatte sich breitgemacht und auch gleich erfolgreich gebrütet. Dass offenbar alle Jungvögel überlebt haben, entspannt die Lage natürlich nicht.

Und schon im Jahr der Ankunft zeigten sich die unerfreulichen Auswirkungen: in Form von großen Kot-Klecksen auf der Wiese, aber auch durch eine komplette Sperrung des Gewässers. Offenbar hatte das Landratsamt im vergangenen Sommer just an einer Stelle eine Wasserprobe gezogen, an der sich zuvor eine Nilgans erleichtert hatte. Zumindest gibt es wenige plausiblere Erklärungen für die hohe Zahl von Enterokokken-Bakterien, die damals gemessen wurden – aber eben nicht dauerhaft, sondern einmalig. "Die Nachmessung wenige Tage später war völlig unproblematisch", erinnert sich Antritter, und der beliebte Badesee konnte wieder geöffnet werden. Aber der Vorfall ist für den Ortsvorsteher eine Mahnung.

Auch interessant
Nilgänse in Neckarbischofsheim: "Hier hat’s schon angefangen"
Heidelberg: Zur "Fäkalienkloakenwiese" mutiert - Gänse genießen menschenleere Neckarwiese
Heidelberg: Perkeo ist der neue Gänseschreck an der Neckarwiese

Angesichts der in diesem Jahr erwarten großen Zahl an Heimat-Urlaubern wird nun dringend nach einer Lösung für das Problem gesucht, zumal sich bereits viele Bürger beschwert hätten – eben in diesem Zusammenhang sprach Antritter dann vom "Shitstorm": "Die Bevölkerung ist wirklich empört." "Wir prüfen, welche Möglichkeiten es gibt", versprach OB Holaschke, aber man müsse die Bestimmungen einhalten.

Genau diese Bestimmungen sind es, die längst in etlichen Städten und Kommunen mit Gewässern ein Thema sind. Nicht vergessen ist, dass den Veranstaltern der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn die Hände gebunden waren, als dort die Nilgänse landeten, und auch Heidelberg hat bekanntlich ein massives Problem mit dem Federvieh auf der Neckarwiese.

Auch Julia Meny, seit Januar neue Wildtierbeauftragte des Landkreises Heilbronn, kennt die Nilgans-Misere aus mehreren Kommunen. Sie bescheinigt den zugewanderten "Generalisten", sich "super anpassen" zu können, und sich nicht zuletzt deshalb stark zu vermehren. Außerdem seien sie leicht zu beobachten, was sie vor allem bei Kindern beliebt mache. Dass die Gänse entgegen aller Verbote vielfach mit Brot gefüttert werden, um sie noch näher anzulocken, sei nachvollziehbar, aber wenig hilfreich. "Privatpersonen sehen meist nicht die Problematik", warnt Meny. Sie sprach überdies von einem "aggressivem Brutverhalten" und einer ausgeprägten Dominanz der Nilgänse, bei der die heimische Tierwelt dann schnell das Nachsehen habe. Außerdem lieben sie nicht die dichte Vegetation, sondern kurzgeschnittenes Gras – und damit eben zwangsläufig auch alle Liegewiesen.

Vertreiben lassen sich die Nilgänse kaum, und Jäger sind meist nicht bereit, die großen Vögel zu jagen. Ohnehin sei das im besiedelten Bereich nur mit Ausnahmegenehmigung und außerhalb der Schonzeit möglich, erläutert Meny. Erschwerend kommt hinzu, dass für diese "befriedeten Bezirke" meist überhaupt kein Jäger zuständig ist – das gilt übrigens auch für das Gartenschaugelände in Eppingen.

Seine Erfahrungen mit den Gänsen gesammelt hat auch der Elsenzer Ortsvorsteher Mike Frank. "Im letzten Jahr war alles verkotet", in diesem Jahr habe er aber noch keine Nilgänse am See gesehen. Und wenn sie noch kommen? "Machen kann man da eigentlich nichts", sagt Frank mit Blick auf die Vorjahre. Lediglich beim Gauditurnier um den und auf dem See hätten die Gänse den Rückzug angetreten, doch das Turnier wird in diesem Jahr voraussichtlich abgesagt werden müssen, sagte Frank.

Das zweite Problemtier im Stadtgebiet hat Fell statt Federn, bereitet der Stadtverwaltung aber nicht weniger Sorgen: Die Biberratte, auch Nutria genannt, erobert immer weitere Abschnitte der Elsenz und des Hilsbachs und hat inzwischen auch das Gartenschaugelände erreicht, wie OB Holaschke in der Ausschusssitzung bekannte. Und wie die Nilgans hat auch der schwimmende Verwandte des Meerschweinchens wegen seines Aussehens und seines possierlichen Verhaltens durchaus eine – auch fütternde – Fangemeinde. Von dieser könnte dann ein andere "Shitstorm" drohen, sollte die Stadt versuchen, die Tiere durch Jagd zu dezimieren. Dennoch: Die rechtlichen Möglichkeiten werden nun von der Verwaltung geprüft, und Nilgans und Nutria werden dann erneut im Gemeinderat aufschlagen. Ende offen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.