"Die Gebühren für Müllgemeinschaften waren bisher sehr niedrig"
Im RNZ-Gespräch bezieht KWiN-Vorstand Dr. Mathias Ginter Stellung zu Themen wie Gebührenerhöhung und Bioenergietonne

Von Alexander Rechner
Neckar-Odenwald-Kreis. Die Bürger im Landkreis müssen sich im kommenden Jahr auf höhere Müllgebühren einstellen. Der Kreistag hat in seiner Dezember-Sitzung ein neues Gebührensystem verabschiedet und folgte damit einem Vorschlag der Kreislaufwirtschaft im Neckar-Odenwald (KWiN). Im Zuge dessen wurden für die allermeisten Haushalte die Müllgebühren erhöht. Grund genug, mit KWiN-Vorstand Mathias Ginter ein Gespräch zu führen.
Herr Dr. Ginter, warum ändern Sie das Gebührensystem? Welchen Vorteil hat der einzelne Bürger davon?
Dem Kreistag haben wir die Änderung vorgeschlagen, weil das gültige Gebührensystem als einzigen Gebührenmaßstab die Größe der Restmülltonne vorsieht. Tatsächlich macht aber der Anteil der Restmüllsammlung und Entsorgung nur rund 35 Prozent an den Gesamtkosten aus. Mit anderen Worten, in der Vergangenheit wurden alle Kosten der Abfallwirtschaft alleine dem Restmüll zugeordnet. Da dies nicht die Wirklichkeit abbildet, sind die Mehrzahl der Gebietskörperschaften dazu übergegangen, die Gebühren zu splitten. In der Regel in eine Grund- sowie eine Leistungsgebühr, wobei es viele Ausgestaltungsmöglichkeiten gibt. Im Neckar-Odenwald-Kreis gibt es nun eine Grundgebühr pro Haushalt und eine Leistungsgebühr für die Größe der Restmülltonne.

Die Bürger müssen tiefer in die Tasche greifen, die Haushalte mit einer 60-Liter-Restmüll-Tonne müssen künftig 23 Prozent mehr zahlen. Warum diese deutliche Gebührenerhöhung?
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Das hat mehrere Gründe: Einerseits sind die Entsorgungskosten für Rest- bzw. Sperrmüll, Bioabfall und Grüngut in den vergangenen Jahren permanent gestiegen, im Zeitraum von 2014 bis 2020 um den Faktor 1,5. In Zahlen heißt dies für den Landkreis, dass statt 3,5 Millionen Euro 2014 nun 5,2 Millionen Euro aufgewendet werden müssen. Andererseits musste die thermische Entsorgung des Restmülls aufgrund eines auslaufenden Vertrages in diesem Jahr europaweit ausgeschrieben werden. Das erzielte Ergebnis der Ausschreibung liegt 30 Prozent über dem bisherigen Entsorgungspreis. Dies ist eine Folge des aktuell sehr schwierigen Marktumfelds. Zusätzlich kommen aber auch weitere abfallwirtschaftliche Leistungen dazu: 2020 startet die flächendeckende Sammlung von Bioabfällen. Und wichtig ist auch: Die Gebühren wurden letztmals 2015 erhöht, das heißt wir hatten fünf Jahre Gebührenstabilität.
Apropos Bioabfälle: Wann wird denn die Bioenergietonne an die Haushalte ausgeliefert?
Die Auslieferung erfolgt ab März und die erste Leerung wird im Mai sein.
Aber die Bürger zahlen doch schon ab Januar für die Abholung der Bioenergietonne.
Die Gebührenkalkulation für das kommende Jahr 2020 deckt die abfallwirtschaftlichen Leistungen des Jahres 2020 ab. Es ist richtig, dass die Kosten für die Einsammlung und Entsorgung der Bioenergietonne erst ab dem 1. Mai berücksichtigt sind. Aber es gibt auch Kosten, die vor der ersten Sammlung entstehen, wie zum Beispiel die Logistik um die Verteilung der Behälter.
Heißt das, dass 2021 die Gebührenschraube wieder gedreht werden muss?
Wir müssen jedes Jahr die Müllgebühren neu kalkulieren. Natürlich haben wir dabei auch die Folgejahre im Blick. Die Bioabfallsammlung verursacht nicht nur Kosten, sondern sie bringt einen ökologischen und in Teilen auch einen ökonomischen Mehrwert. Durch die gewollte Verlagerung von Biomüll aus der Restmüll- in die Bioenergietonne ergibt sich ein kostensenkender Effekt. Wir sehen derzeit für 2021 keine weitere Gebührensteigerung.
Leser wundern sich, warum die Restmülltonnen mit zunehmender Größe günstiger als bisher werden?
Mit dem neuen Gebührensystem wird die tatsächliche Kostensituation besser abgebildet. Wenn man davon ausgeht, dass ein Durchschnittshaushalt 60 Liter Müllvolumen benötigt, ist die Gebührensteigerung allerdings immer gleich hoch, egal ob ein Haushalt eine 60-Liter-Mülltonne hat oder sich zwei Haushalte eine 120-Liter-Mülltonne teilen. Diese Aussage trifft auf über 80 Prozent der Haushalte zu. Alle anderen Fälle müsste man individuell betrachten. Richtig ist, dass durch die Einführung der Grundgebühr die Behältergebühr beim Restmüll reduziert wird.
Wenn die größeren Tonnen künftig preiswerter sind, kann man dann noch von einem Anreiz zur Müllvermeidung sprechen?
Wer mehr Restmüll produziert, hat höhere Kosten als derjenige, der weniger Restmüll produziert. Und wenn wir alle weniger Müll produzieren, sinken die abfallwirtschaftlichen Gesamtkosten.
Sie sprachen sinkende abfallwirtschaftliche Gesamtkosten für die KWiN an. Wie kann der einzelne Bürger im neuen Gebührensystem Geld sparen, wenn er Müll vermeidet?
Das muss man differenziert betrachten: Zum einen gibt es den Neckar-Odenwald-Kreis als Gesamtheit, zum anderen den einzelnen Haushalt. Hätten wir in Zukunft geringere Entsorgungskosten, beispielsweise weil weniger Restmüll anfällt, könnte sich dies auch auf die Abfallgebühr auswirken. Denn bei einer Reduzierung der Restmüllmenge um zehn Prozent würden so zum Beispiel die Entsorgungskosten um rund 400.000 Euro sinken. Hinsichtlich der einzelnen Haushalte ist die Bildung von Müllgemeinschaften nach wie vor sinnvoll und hilft, Kosten zu sparen.
Allerdings haben RNZ-Leser schon ausgerechnet, dass sie künftig mit Müllgemeinschaften bis zu 80 Prozent mehr als bisher zahlen müssen.
Die Gebühren für Müllgemeinschaften waren bisher sehr niedrig. Aber damit wurde die tatsächliche Kostensituation nicht richtig abgebildet. Dennoch sind Müllgemeinschaften nach wie vor eine Möglichkeit, Gebühren zu sparen, aber eben nicht mehr in dem Maße wie bisher.
In der Kreistagsvorlage stand: "Die Anzahl der Leerungen kann künftig gesenkt werden, um weitere Anreize zur Abfallvermeidung zu schaffen." Was verbirgt sich dahinter?
Bislang umfasst die Leistungsgebühr für die Restmülltonne 26 Leerungen jährlich. Die KWiN ist technisch in der Lage, die Leerungen zu erfassen und dem entsprechenden Haushalt zuzuordnen. So könnten die Bürger künftig die Anzahl der in der Abfallgebühr enthaltenen Leerungen reduzieren – und somit Ansätze zur Müllvermeidung und Kostenersparnis schaffen. Ob dies erfolgt und gegebenenfalls wann, ist völlig offen, da die hier zwingend erforderliche kommunalpolitische Diskussion mit einer entsprechenden Entscheidung noch nicht erfolgt ist.