Heidelberger Bluttest-Skandal

Wer welche Verantwortung für den Skandal trägt

Die Kommission gibt klare Hinweise, wer sich was zuschulden kommen ließ - Eine Übersicht der Hauptverantwortlichen

16.07.2019 UPDATE: 17.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden
Fotos: Rothe (1) / privat (4)

Von Sebastian Riemer und Klaus Welzel

Heidelberg. Nicht ein Einzelner trägt die Schuld am Desaster um den Brustkrebs-Bluttest. Der Zwischenbericht der Unabhängigen Kommission macht ganz deutlich: Mehrere Beteiligte haben unprofessionell gehandelt, sind ihrer Verantwortung nicht nachgekommen - oder haben sich sogar klar unredlich verhalten.


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Annette Grüters-Kieslich, Ärztliche Direktorin: Die Chefin der Uniklinik trägt als Vorstandsvorsitzende die Gesamtverantwortung. Sie hat zu keinem Zeitpunkt interveniert, um das aufziehende Unheil zu stoppen. Harder als Investor? Winkte sie durch. Unprofessionelle Heiscreen-Verträge? Fielen ihr nicht auf, ließ sie aber auch nicht von Experten prüfen. Und als Harder dann Schadensersatz wollte, schaffte sie es nicht, eine stringente Verhandlungsstrategie durchzusetzen. Bleibt noch die unsägliche PR-Kampagne: Als die Vorstandschefin darüber längst Bescheid wusste, und Sarah Schott sie sogar bat, diese abzublasen, tat Grüters-Kieslich - nichts. "Zu spät", sei es gewesen, erklärte sie der Kommission, und sie habe ja nicht in die "Wissenschaftsfreiheit" von Prof. Sohn eingreifen wollen. Und das, obwohl sie seit Sommer 2018 wusste, dass der Bluttest kaum etwas taugt. Die 64-Jährige griff nie ein, geschweige denn durch - und machte den Skandal dadurch möglich.


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Andreas Draguhn, Dekan der Medizinischen Fakultät: Der Dekan, der sein Amt im Oktober 2018 antrat, war seitdem in alle wesentlichen Vorgänge rund um den Brustkrebs-Bluttest eingebunden - und trägt daher mindestens die gleiche Verantwortung wie seine Vorstandskollegin Grüters-Kieslich. Er machte dieselben Fehler wie sie, nutzte zu keinem Zeitpunkt seine Position, um das Desaster zu verhindern. Ob er den Auftrag des Fakultätsvorstands, bei Frauenklinik-Chef Christof Sohn die Validität der Bluttest-Daten zu überprüfen, überhaupt ausführte, ist unklar. Jedenfalls stoppte Draguhn die PR-Kampagne nicht, obwohl auch er wissen musste, wie schlecht die Werte waren. Ganz im Gegenteil: Der Dekan höchstpersönlich war es, der Sohn und der Heiscreen-Firma erlaubte, das Universitäts-Siegel für ihre PR zu nutzen.


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Christof Sohn, Chef der Frauenklinik: Machtmissbrauch, Führungsversagen und Eitelkeit wirft Kommissionschef Kleiner dem Leiter der Frauenklinik vor. Sohn ist der Hauptverantwortliche für den Skandal. Er sägte seine Bluttest-Projektleiterin Yang ohne triftigen Grund ab - und nahm damit einen immensen Wissensverlust und das Ende der Förderung durch das Wissenschaftsministerium in Kauf. Er drückte einen auf diesem Gebiet vollkommen unerfahrenen Investor durch, betrieb eine unsägliche PR-Kampagne für den nicht ausgereiften Bluttest und schlug alle Warnungen in den Wind. Bei Sohn vermutet die Kommission vor allem ein Motiv: mit dem Brustkrebstest zu Ruhm zu kommen.

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Sarah Schott, Brustkrebstest-Projektleiterin: Formal trägt auch die Projektverantwortliche Sarah Schott Verantwortung. Allerdings betont die Kommission, dass sie Sohn hierarchisch untergeordnet war. Zudem hatte Schott sowohl gegenüber Sohn als auch anderen Beteiligten - darunter Grüters-Kieslich - wissenschaftliche Bedenken geäußert und um einen Stopp der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse gebeten.


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Markus Jones, TTH-Geschäftsführer und Klinik-Justiziar: Die Rolle des Einzigen, der bislang Konsequenzen zu erleiden hatte - Jones wurde vor zwei Monaten freigestellt -, bleibt unklar. Im Streit mit Harder und in Sachen PR-Kampagne drängte Jones auf Vorstandssitzungen und Klärung. Jedoch war es Jones, der "im Auftrag Sohns" Rongxi Yang absetzte. Und auch an der "eiligen" Vertragsgestaltung mit Harder hatte er - als einer von drei TTH-Geschäftsführern - seinen Anteil. Insgesamt sieht die Kommission die Rolle der Technologietransfer-Firma TTH, die zu 90 Prozent dem Uniklinikum gehört, kritisch. So habe TTH die ungerechtfertigte Demontage Yangs forciert. Jones selbst nahm zum Bluttest-Skandal am Dienstag auch vor dem Aufsichtsrat Stellung. Nach Angaben seines Anwalts wurde dabei immer noch nicht klar, weshalb sein Mandant eigentlich freigestellt wurde.