So verhärtet sind die Fronten zwischen Unileitung und TTH
Politik und Universität wollen die Klinikumstochter abwickeln - Mitarbeiter berichten von rüden Methoden - "Die werden extrem reagieren"

Von Klaus Welzel
Heidelberg. Es muss eine seltsame Stimmung geherrscht haben, als am Uniklinikum vergangenen Freitag eine Mitarbeiterin nach 50 Jahren ihren Abschied nahm. Unter den Gästen: Markus Jones, bis vor Kurzem stellvertretender Kaufmännischer Direktor und Geschäftsführer der Klinikumstochter TTH. Jener Markus Jones also, den die Vorstandsvorsitzende Annette Grüters-Kieslich freistellte, weil er so sehr involviert sei in die vielen Fallstricke des Bluttest-Skandals: Jones kam, um der Mitarbeiterin seinen Respekt zu zollen.
Es gab stehende Ovationen. Für den Gast. Der Vorstand zeigte sich unangenehm berührt. Kein Einzelfall. Als Jones zusammen mit seinem Anwalt an einem anderen Tag in die Klinik ging, strömten 30 Mitarbeiter herbei: "Wir wollen unseren Chef wieder haben."
Der Vorstand? Schwieg. Die Vorsitzende Grüters-Kieslich schwieg auch noch, als Jones’ Anwalt sie fragte, wieso sie ihm gleich auf zwei Briefe nicht antwortete. Teilnehmer berichten von stummen Blicken auf den Tisch. Bis ein Klinikjurist entgegnete: "Frau Grüters-Kieslich muss darauf nicht antworten." Geht man so mit leitenden Mitarbeitern um?
Das fragen sich auch die anderen beiden Geschäftsführer der TTH, Joerg Rauch und Volker Cleeves. Sie sind beide noch im Amt. Auf beide wird ein enormer Druck ausgeübt. Am Ende eines Treffens am 5. Juni zwischen dem Vorstand der Medizinischen Fakultät und den Mitarbeitern der TTH ging der Dekan, Andreas Draguhn, die TTHler deutlich an: "Wenn die Unileitung in der RNZ liest, wir hätten hier ein Bauernopfer gesucht oder wir würden TTH killen, dann werden die extrem darauf reagieren."
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Das sei dann eine "Kriegsansage". Auf eine Verteidigungsrede hin, man vertrete doch nur eigene, legitime Interessen, ergänzte Draguhn: "Wenn ich Putin drohe, dann weiß ich, was ich dafür kriege."
Putin? Wer soll das sein? Der Rektor? Immerhin hat Bernhard Eitel den Vertrag der Universität mit der "Technology Transfer Heidelberg GmbH" fristgerecht zum 30. November gekündigt. In einer Presseerklärung verkündete die Uni, dass Ausgründungen künftig über den Tisch des Rektors liefen. Zugleich wurde ein Papier für "Entscheidungsprozesse bei Erfindungen" erarbeitet - freilich ohne externe Expertenbeteiligung.
Was dann doch etwas verwundert. Denn ganz nebenbei greift das Rektorat damit den Empfehlungen der Unabhängigen Kommission vor, die ihren Bericht am 16. Juli abgeben wird. Ihr Auftrag: Aufklären, was war, und Empfehlungen für die Zukunft entwickeln - insbesondere unter Berücksichtigung, wie man künftig Erfindungen am Uniklinikum vermarkten könne. Auftraggeber ist der Aufsichtsrat des Klinikums.
Das Handeln des Rektorats und die Bitte des Aufsichtsrates (Eitel ist dort Mitglied) widersprechen sich. Doch alles passt auf sehr bittere Weise zusammen: Seitens der Uni und des Aufsichtsrates wird der TTH vorgeworfen, eigenständig und unabgesprochen zu agieren. Dabei wurde die TTH vor sieben Jahren im Einvernehmen mit Klinikum und Universität gegründet, um der Uni zu helfen, Erfindungen zu patentieren und zum Wohle der Patienten erfolgreich zu vermarkten.
Neben Lizenzgebühren in Millionenhöhe spielte die Klinikumstochter seither Forschungs-Drittmittel im zweistelligen Millionenbereich ein. Ein großer Erfolg, der nun kleingeredet werde, argumentiert man bei der TTH. Süffisante Note am Rande: Der Exzellenzantrag beziehe sich genau auf diese Erfolge.
Noch so eine Unstimmigkeit: Das Modell, das die TTH bei Heiscreen anwendete, stammt aus dem Jahr 2016: Damals entwickelten TTH, Uni und Wissenschaftsministerium für die Navitect Bio GmbH die Struktur, dass 70 Prozent einer Ausgründungsfirma bei der Uni bleiben, 30 Prozent gehen an die Erfinder. Im Gegenzug gibt es für diese kein weiteres Geld. Das Modell wurde allseits gelobt. Die TTHler wundern sich nun, dass Ministerin Theresia Bauer am Mittwoch vor dem Wissenschaftsausschuss genau die Strukturen kritisierte, die ihr Ministerium vor drei Jahren mitentwickelte.
Bei der TTH sieht man das Problem ohnehin nicht in den Strukturen. Dass ausgerechnet der Schwindel um den Heiscreen-Bluttest dafür herhalten solle, TTH aufzulösen, stößt auf komplettes Unverständnis. Schließlich sei doch die TTH beim Bluttest außen vor gewesen. Das umstrittene Interview, die übertriebene PR-Kampagne - alles lief über den Tisch des Klinikumsvorstands und auch über den von Dekan Draguhn.
Einziges Trostpflaster: Allen neun TTH-Mitarbeitern gab das Uniklinikum eine Beschäftigungsgarantie. Vorausgesetzt, so der Dekan, man gehe nicht an die Presse.
In der unabhängigen Kommission wundert man sich derweil über ein pikantes Detail: Draguhns Vorgänger soll 2017 Rektor Eitel frühzeitig mit den Heiscreen-Plänen vertraut gemacht haben. Es ging darum, ob Angelina Jolie, die von Heiscreen ersehnte Werbe-Ikone, nicht einen Ehrendoktortitel erhalten könne. Daraus wurde bekanntlich nichts. Genauso wenig wie bisher aus dem Bluttest.