Was beim Wesenstest alles geprüft wird
Beim Wesenstest für sogenannte Kampfhunde muss das Tier zahlreiche Prüfungen absolvieren

Ein Pitbullrüde beschnuppert neugierig einen am Boden liegenden "Jogger" während eines Wesenstests. Die Szene simuliert das Zusammentreffen mit einem gestolperten Jogger. Foto: Perrey
Von Stefan Hagen und Sabine Hebbelmann
Rhein-Neckar. Der Vorfall in Leimen mit zwei American-Staffordshire-Mischlingen, bei dem ein 15-Jähriger schwer verletzt wurde, wird in den Sozialen Medien heftig diskutiert. Unter anderem wird immer wieder auf den Wesenstest hingewiesen, den sogenannte Kampfhunde vorweisen müssen. Was hat es mit diesem Wesenstest auf sich? Wann muss dieser Test absolviert werden? Welche Prüfungen müssen die Hunde dabei bestehen? Die RNZ hat nachgefragt.
Der Wesenstest ist zwischen dem sechsten und 15. Lebensmonat erstmals fällig und muss bis zum 18. Monat wiederholt werden, erläutert Silke Hartmann. Zunächst aber müsse der "Kampfhund" erst einmal bei der Ortspolizeibehörde der jeweiligen Heimatkommune des Hundehalters angemeldet werden, ergänzt die Kreissprecherin. Anschließend sendet die Gemeinde einen vollständigen Antrag auf Wesensprüfung - unter anderem mit Führungszeugnis, Sachkundenachweisen und weiteren Papieren - an das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis.
Hintergrund
Kampfhundeverordnung des Landes Baden-Württemberg
> Drei Hunderassen - American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Pit Bull Terrier - gelten nach der Polizeiverordnung grundsätzlich als besonders gefährlich und aggressiv und
Kampfhundeverordnung des Landes Baden-Württemberg
> Drei Hunderassen - American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Pit Bull Terrier - gelten nach der Polizeiverordnung grundsätzlich als besonders gefährlich und aggressiv und damit als "Kampfhunde". Die Halter solcher Hunde können dies durch eine Prüfung widerlegen, die vor einem im Öffentlichen Dienst beschäftigten Tierarzt und einem Polizeihundeführer abzulegen ist. Zudem bedarf es einer amtlichen Feststellung durch die Ortspolizeibehörde, dass die Kampfhundeeigenschaft widerlegt ist.
> Die Eigenschaft als Kampfhund gilt zudem bei weiteren neun Rassen - Bullmastiff, Staffordshire Bullterrier, Dogo Argentino, Bordeaux Dogge, Fila Brasileiro, Mastin Espanol, Mastino Napoletano, Mastiff, Tosa Inu und deren Kreuzungen - wenn sich Anhaltspunkte auf eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren nach entsprechender Prüfung bestätigt haben und die Kampfhundeeigenschaft daraufhin von der Ortspolizeibehörde amtlich festgestellt wird.
> Für mehr als sechs Monate alte Kampfhunde und für sonstige gefährliche Hunde im Sinne der Polizeiverordnung gilt Leinen- und Maulkorbpflicht in der Öffentlichkeit.
> Wer einen Kampfhund halten will, benötigt eine Erlaubnis der Ortspolizeibehörde. Eine solche kann nur unter engen Voraussetzungen erteilt werden: Der Antragsteller muss ein berechtigtes Interesse an der Haltung eines Kampfhundes nachweisen, gegen seine Zuverlässigkeit und Sachkunde dürfen keine Bedenken bestehen und von dem Hund dürfen keine Gefahren für Dritte ausgehen.
> Außerdem darf die Erlaubnis nur erteilt werden, wenn der Kampfhund gekennzeichnet ist, beispielsweise durch eine vom Tierarzt vorgenommene Tätowierung, und eine Haftpflichtversicherung nachgewiesen wird. Der Kampfhunde-Halter muss diese Erlaubnis stets mit sich führen.
> Nicht erlaubnispflichtig ist die Haltung von Jungtieren bis zu sechs Monaten, da diese noch nicht gefährlich sind und einem Verhaltenstest sinnvoll nicht unterzogen werden können. Dennoch sind die Besitzer verpflichtet, die Tiere sicher zu halten und zu führen und der Ortspolizeibehörde beispielsweise den Verkauf eines Welpen zu melden. RNZ
"Wir laden dann die Hundehalter zur Wesensprüfung ein", beschreibt Hartmann die weitere Vorgehensweise. Die Prüfung erfolge durch eine Veterinärmedizinerin und einen Polizeibeamten der Hundeführerstaffel, dabei würden mehrere Tests durchgeführt. Besteht der Hund die Prüfung, geht eine Bescheinigung darüber an die Ortspolizeibehörde - also die Gemeinde - die dann von dieser an den Hundehalter ausgehändigt wird. Mit Bestehen der Prüfung, erläutert die Kreissprecherin weiter, entfalle die Kampfhund-Eigenschaft und der Hund sei nur noch ein Hund dieser Rasse - insofern keine anderen Erkenntnisse beziehungsweise Vorfälle dokumentiert seien.
Die Tests werden auf dem Gelände der AVR in Wiesloch durchgeführt. Dort sollen die Hunde unter Beweis stellen, dass sie keine Kampfhundeeigenschaften, sondern einen friedlichen Charakter haben. So sollen sie sich in verschiedensten Situationen neutral verhalten und sich dabei nicht ängstlich oder gesteigert aggressiv verhalten. Zu Beginn werden die Angaben zum Hund aufgenommen. Hat er die erforderliche Impfung, wie ist das Allgemeinbefinden, hat er Narben oder Verletzungen, hat er Beruhigungsmittel bekommen und wie sehen die Zähne aus?
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Ein Beispiel: Ein Bullterrier wird kurz an einen Laternenpfahl gebunden, während sein Herrchen sich versteckt. Nun geht es Schlag auf Schlag: Eine weitere Teilnehmerin führt ihren Hund dicht an dem Bullterrier vorbei. Kurz darauf der nächste Stress: Ein Radfahrer fährt von hinten dicht an den Hund heran und klingelt auf dessen Höhe, ein Spaziergänger berührt den Rüden beim Vorbeigehen fast mit seinem Gehstock. Dann spannt ein Passant seinen Regenschirm neben dem Hund auf, ein anderer starrt dem Bullterrier eine Weile in die Augen.
Alles Reize, die bekannterweise Aggressionsverhalten bei Hunden auslösen können. Geschaut wird auch, ob der Bullterrier auf die Anweisungen seines Herrchens hört. Eine Amtstierärztin führt dabei die Aufsicht und nimmt die Bewertung vor. Zum Abschluss drängen sich zahlreiche Teilnehmer dicht um den Hund, wie in einem Fahrstuhl. In diesem Fall bleibt der Bullterrier ruhig, nur sein Herrchen ist sichtlich nervös. Völlig unnötig, wie sich später herausstellt. Der Bullterrier hat den Wesenstest bestanden - der aktuell übrigens exakt 226,60 Euro kostet.
Ein Kampfhund, der die Prüfung nicht besteht, fällt unter die Polizeiverordnung "Gefährliche Hunde" und darf in Baden-Württemberg nicht gehalten werden. Eine neue Verwaltungsvorschrift sehe aber explizit die Möglichkeit der Wiederholungsprüfung vor, betont Kreissprecherin Hartmann.
Info: Mehr zum Thema finden Sie in unserem Dossier unter www.rnz.de/kampfhunde