Brustkrebs-Bluttest

Was das Universitätsklinikum Heidelberg der Öffentlichkeit verschweigt

Firmengründungen in Zusammenhang mit dem Brustkrebs-Bluttest werfen Fragen auf - Diese soll jetzt eine Kommission beantworten

25.03.2019 UPDATE: 26.03.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden
Prof. Sarah Schott und Prof. Christof Sohn, laut Uniklinikum die maßgeblichen Entwickler des Brustkrebs-Bluttests, reisen seit anderthalb Jahren regelmäßig nach China, wo der Test vermarktet werden soll. Foto: Uniklinik

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Schon an jenem folgenschweren Tag im Februar, als das Universitätsklinikum Heidelberg seine Sensationsmeldung über einen angeblich "marktreifen Bluttest für Brustkrebs" veröffentlichte, waren Fachleute auf der ganzen Welt erstaunt: Wie können die so etwas öffentlich machen, wenn doch noch nicht einmal die Studie abgeschlossen ist?

Gut vier Wochen später muss sich das Klinikum jetzt noch sehr viel unbequemeren Fragen stellen. Denn die Recherchen der Rhein-Neckar-Zeitung zeigen: Deutlich bemerkenswerter als das, was die Uniklinik in ihrer Februar-Pressemitteilung öffentlich machte, ist das, was sie die ganze Zeit verschweigt.

Hintergrund

"NKY Medical"-Aktie legt an der Börse seit 21. Februar kräftig zu

rie. Nachdem das Uniklinikum am 21. Februar die Meldung vom "marktfähigen Bluttest für Brustkrebs" veröffentlicht hatte und in den darauffolgenden Tagen Medien weltweit darüber

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"NKY Medical"-Aktie legt an der Börse seit 21. Februar kräftig zu

rie. Nachdem das Uniklinikum am 21. Februar die Meldung vom "marktfähigen Bluttest für Brustkrebs" veröffentlicht hatte und in den darauffolgenden Tagen Medien weltweit darüber berichteten, passierte etwas Bemerkenswertes: Die Aktie der chinesischen Firma NKY Medical, die den Brustkrebs-Bluttest in China vermarkten soll, stieg. Und stieg. Und stieg.

Stand der Kurs am 21. Februar noch bei 14,22 chinesischen Yuan (CNY), lag er am Freitag schon bei 22,13 CNY - ein Anstieg von 55 Prozent. Das Aktienportal Aktiencheck.de hat dafür eine Erklärung: "NKY Medical wurde in den vergangenen zwei Wochen von den überwiegend privaten Nutzern in sozialen Medien als besonders positiv bewertet." Das habe eine Auswertung diverser Kommentare ergeben. Das Portal schreibt zudem: "Darüber hinaus wurden (...) überwiegend positive Themen rund um den Wert angesprochen."

Ob die Pressemitteilung auch mit dem chinesischen Partner NKY Medical abgesprochen war, ist unklar. Eine entsprechende Anfrage der RNZ beantwortete das Uniklinikum nicht.

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Da ist zum einen das Geschäft mit der chinesischen Firma NKY Medical. Seit mindestens anderthalb Jahren fliegen die beiden Leiter der Brustkrebs-Studie, Frauenklinik-Chef Christof Sohn und seine Mitarbeiterin Sarah Schott, deshalb regelmäßig nach China - und unterschreiben dabei offenbar im Namen des Uniklinikums Kooperationsvereinbarungen.

Die Heiscreen NKY GmbH, welche die Vermarktung in Fernost übernimmt, wurde nie öffentlich erwähnt - obwohl das Uniklinikum über seine Tochterfirma, die Technology Transfer Heidelberg GmbH (TTHD), mehrheitlich an ihr beteiligt ist (siehe Artikel links). Bislang ebenfalls unbekannt: Sohn hält acht Prozent der Anteile an der Heiscreen NKY GmbH, Schott gehören zwölf Prozent. Wobei Beteiligungen von Forschern an universitären Ausgründungen erst einmal der Regelfall, also völlig normal, sind.

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Interessanter ist dagegen die Gesellschafterstruktur der bereits öffentlich aufgetretenen Firma Heiscreen GmbH, die den Bluttest in Deutschland vermarkten soll: Neben TTHD, Sohn und Schott, ist auch der bekannte Hockenheimer Unternehmer Jürgen Harder beteiligt. Ihm gehören über eine eigens dafür gegründete Firma 39,2 Prozent der Heiscreen GmbH - und er hat als einziger Gesellschafter Vorzugsgeschäftsanteile. Das bedeutet, dass die Firma wichtige Beschlüsse nur mit der Zustimmung Harders treffen kann.

Die Leitende Ärztliche Direktorin am Uniklinikum, Annette Grüters-Kieslich, verspricht: "Alles wird lückenlos aufgeklärt". Foto: Rothe

Eine weitere Auffälligkeit, auf welche die RNZ stieß, ist die Uniklinikum-interne Vorgeschichte des Bluttests für Brustkrebs: Der Öffentlichkeit wurden stets Sohn und Schott als maßgebliche Entwickler des Verfahrens präsentiert.

Das stimmt nur mit Einschränkungen: Seit 2010 hatte am Uniklinikum ein Team unter der Leitung der Molekularbiologin Rongxi Yang an dem Bluttest geforscht. Dafür hatten die Wissenschaftler zahlreiche Preise und Stipendien erhalten - bis Yang im März 2017 plötzlich ohne Angabe von Gründen ihres Leitungspostens enthoben wurde. Ihre Nachfolgerin wurde Sarah Schott. Daraufhin verließen Yang und ihr Team binnen weniger Wochen die Uniklinik.

Die RNZ stellte dem Universitätsklinikum bereits vor einer Woche zu all diesen Auffälligkeiten zahlreiche Fragen, darunter etwa: Wieso wurden all diese Aspekte bislang verschwiegen? Soll der Brustkebs-Bluttest zuerst in China vermarktet werden? Fliegen Sohn und Schott im Auftrag des Uniklinikums regelmäßig nach China? War die PR-Aktion des Uniklinikums mit der chinesischen Partnerfirma abgesprochen? Wieso ist Jürgen Harder an dem Heiscreen-Unternehmen beteiligt? Weshalb wurde Rongxi Yang plötzlich das bis dahin so erfolgreiche Projekt entzogen?

Hintergrund

Die Stellungnahme vom Montag im Wortlaut

"Am 21. Februar 2019 gaben die Heiscreen GmbH und das Universitätsklinikum Heidelberg im Rahmen eines Fachkongresses die Entwicklung eines potentiellen Bluttests zur Brustkrebsdiagnostik bekannt. In der Folge

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Die Stellungnahme vom Montag im Wortlaut

"Am 21. Februar 2019 gaben die Heiscreen GmbH und das Universitätsklinikum Heidelberg im Rahmen eines Fachkongresses die Entwicklung eines potentiellen Bluttests zur Brustkrebsdiagnostik bekannt. In der Folge wurde das Universitätsklinikum wegen des Zeitpunktes und der Art der Veröffentlichung kritisiert. Das Universitätsklinikum bedauert, dass es zu Irritationen gekommen ist und nimmt die Kritik ernst. Eine interne Arbeitsgruppe hat bereits die Aufarbeitung aufgenommen. (...) Um alle Aspekte umfassend und aus neutraler Perspektive zu analysieren, wurde eine unabhängige Kommission aus überwiegend externen Experten eingerichtet. Sie wird dem Universitätsklinikum und der Medizinischen Fakultät ihre Ergebnisse berichten und Empfehlungen aussprechen.

Wir bekennen uns zu der Aufgabe, die Erkenntnisse aus der Forschung in die klinische Anwendung zu übertragen und dazu Ausgründungen zu tätigen. In diesen Kontext gehören auch der Bluttest und die Gründung der Heiscreen GmbH. Zugleich bedeutet diese Aktivität eine Erweiterung der traditionellen Aufgaben eines Universitätsklinikums. Das Universitätsklinikum Heidelberg sieht daher eine große Chance in der Analyse und Beratung durch die Kommission.

Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir vor der Stellungnahme der Kommission keine weiteren Verlautbarungen in die Öffentlichkeit geben werden, um deren Arbeit nicht zu beeinträchtigen."

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Doch das Universitätsklinikum Heidelberg möchte die Fragen derzeit nicht beantworten. "Weil wir es nicht können", sagt die Leitende Ärztliche Direktorin Annette Grüters-Kieslich. "Wir haben im Moment keinen Sachstand. Das muss erst alles recherchiert werden."

Das Uniklinikum nehme die Kritik natürlich sehr ernst. Daher werde man nun eine unabhängige Kommission aus externen Experten einrichten. Diese soll "alle Aspekte umfassend und aus neutraler Perspektive analysieren" (siehe Stellungnahme). Die Kommission soll von dem Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft, Prof. Matthias Kleiner, geleitet werden.

Erst wenn diese Experten-Kommission ihre Ergebnisse und Empfehlungen ausgesprochen hat, will das Universitätsklinikum sich wieder an die Öffentlichkeit wenden. Wie lange das dauert? "So etwas ist nicht in zwei Wochen fertig", sagt Grüters-Kieslich.

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