Eppelheimer Linie 22

Eine Chaos-Chronik

Straßenbahn hat ihre Feuertaufe nicht bestanden - Auch die Eppelheimer müssen sich erst wieder umgewöhnen

10.12.2018 UPDATE: 11.12.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 43 Sekunden

Ein zu seltener Glücksmoment am Montag: Eine 22er-Straßenbahn fährt am Rathaus vorbei und bringt die Eppelheimer nach Heidelberg. Foto: Alex

Von Anja Hammer

Eppelheim. Eine Sonntagsfahrt ist das eine, der Berufsverkehr das andere. Nach zweijähriger Abstinenz - zunächst bedingt durch die Baustelle im Heidelberger Pfaffengrund und dann durch den Neubau der Autobahnbrücke - konnten Eppelheimer Pendler am Montag erstmals wieder mit der 22er-Straßenbahn nach Heidelberg fahren. Doch das lief so rund wie der neue Verkehrskreisel am Eppelheimer Ortseingang. Nämlich gar nicht, wie eine Chronik des Montagmorgens zeigt.

4.55 Uhr: Ein Mitarbeiter der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV) nimmt seinen Dienst auf. An dem Schaltkasten in der Mozartstraße direkt neben dem neuen Verkehrskreisel überwacht er, ob die Fahrsignalanlage für die Weiche funktioniert. "Sie funktioniert einwandfrei", wird er einige Stunden später sagen. "Daran lagen die Verspätungen nicht." Das Problem sei irgendwo in Heidelberg zu suchen.

7.16 Uhr: Die Straßenbahn nach Heidelberg fährt an der Haltestelle Rathaus Eppelheim ab. Laut Fahrplan hätte die Bahn schon um 7.11 Uhr abfahren sollen. Die kleine Verspätung merken die wenigsten: Der Fahrplan hängt nämlich nach wie vor auf der anderen Straßenseite, wo bis letzte Woche der Bus hielt, der die Bahn ersetzte.

7.21 Uhr: Die Eppelheimerin Annette Müller trifft beim Rathaus ein. Sie freut sich, dass sie wieder die Bahn nehmen kann. Sie muss zur Arbeit nach Heidelberg in die Bergheimer Straße. Sie hat sich vorab in der RNZ informiert. Ihre Optionen: Umsteigen in der Heidelberger Bahnstadt am Gadamerplatz oder etwas mehr laufen. "Ich teste das heute", sagt sie gelassen und steigt in die ankommende Bahn.

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7.46 Uhr: Der Verkehr in der Hauptstraße fließt. Die Fahrbahnmarkierungen sind frisch aufgebracht, damit die Autos nicht mehr auf den Schienen fahren. Dann parken ein paar Wagen vor der Bäckerei - und schon wird es eng, die Autos weichen auf den Gleiskörper aus. Derweil wartet Helga Langwitz. Sie muss nach Kirchheim; in den zurückliegenden Monaten hat sie eine Stunde bis dorthin gebraucht. "Schlimmer kann es also nicht werden", meint sie zur neuen Linienführung. Statt am Bismarckplatz will sie nun am Gadamerplatz umsteigen. "Ich weiß aber noch gar nicht, ob ich da die Straßenseite wechseln muss", sagt sie und schaut immer öfter auf die Uhr. Es ist kurz vor 8 Uhr. Eigentlich wollte sie um 7.51 Uhr fahren. "Das ist unmöglich", schimpft die Eppelheimerin. Auch bei den restlichen Pendlern am Rathaus steigt der Unmut. Viele schauen aufs Handy, auf den falschen Fahrplan, ärgern sich. Um 8.03 Uhr steigen sie in die Bahn.

8.10 Uhr: Fünf Frauen stehen an der Haltestelle am Eppelheimer Ärztehaus. Dort hält der City-Bus - und laut ausgehängtem Fahrplan auch der bisherige 22er-Bus nach Heidelberg. Ein Hinweis, dass dieser Schienenersatzverkehr eingestellt ist - Fehlanzeige. Als die RNZ die Wartenden anspricht, sind diese verdutzt. "Ach Gott, die Straßenbahn!", entfährt es einer Dame, die schon seit 20 Minuten vergeblich auf den Bus in den Heidelberger Pfaffengrund wartet. Eine junge Frau fragt: "Wo muss ich denn da jetzt hin?" Sie machen sich eilig von dannen, eine junge Frau mit Kopfhörern bleibt stehen, ein Geschäftsmann mit Laptoptasche kommt dazu. Auch diese beiden, so stellt sich heraus, warten auf einen Bus, den es nicht mehr gibt. Irgendwann ist die Haltestelle verwaist.

8.33 Uhr: Die Dame vom Ärztehaus steht inzwischen seit 20 Minuten an der Haltestelle Jakobsgasse, ohne dass eine Bahn gekommen ist. Eine junge Frau berichtet, sie warte schon seit 8 Uhr. Rund 40 Pendler stehen sich ebenfalls Löcher in den Bauch. "Das hat ja selbst mit dem Bus noch besser geklappt", schimpfen sie. Einige rufen bei ihrer Arbeitsstelle an.

8.42 Uhr: Die ersten steigen an der Bahnhaltestelle Jakobsgasse ins Taxi. Andere haben weniger Glück: Bei der Taxi-Zentrale ist von 30 Minuten Wartezeit die Rede. Eine junge Frau schaut aufs Handy: "Die App zeigt 18 Minuten Verspätung an - für die Bahn um 8.35 Uhr; die anderen Straßenbahnen werden schon gar nicht mehr angezeigt."

8.49 Uhr: Aus Heidelberg kommt die Linie 22 angefahren. Die Hälfte der Wartenden an der Jakobsgasse steigt ein, auch wenn sie in die andere Richtung will. Ihre Erklärung: "Auf dem Rückweg ist die Bahn voll und wir passen dann nicht mehr rein."

9.03 Uhr: Der Gehweg an der Haltestelle ist wieder voll, als endlich eine 22 in Richtung Heidelberg ankommt. Einige Pendler quetschen sich ins überfüllte Wageninnere. Doch nur jeder Zweite schafft es hinein. Der Bahnführer macht eine Durchsage:: "Die nächste Bahn kommt gleich."

9.04 Uhr: Alle haben einen Platz in der zweiten Bahn in Richtung Heidelberg gefunden. Der Gehweg an der Hauptstraße ist leer. Zumindest in diesem Moment…

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