SPD-Landesvorsitz

Andreas Stoch ist Kandidat wider Willen

SPD-Fraktionschef geht in die Kampfabstimmung um die Parteiführung - Riskant für den eher vorsichtigen Juristen

23.11.2018 UPDATE: 23.11.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 52 Sekunden

"Sicherlich ein paar Fehler gemacht": Stoch über die grün-roten Regierungsjahre. F.: Murat

Von Sören S. Sgries

Heidelberg/Stuttgart. Er sei ein "begeisterter Motorradfahrer", gerate bei "knalligem Folk-Punk-Sound so richtig in Wallung": Hört man von Andreas Stochs privaten Vorlieben, ist man überrascht. Es passt so überhaupt nicht zu dem präzise formulierenden Mann im Anzug, als der der SPD-Fraktionschef üblicherweise unterwegs ist. Politisch hantiere er lieber mit dem Florett als mit dem Säbel, hieß es schon immer über den Juristen. Seiner Karriere schadete das nicht. Trägt ihn der sanfte Auftritt jetzt an die Parteispitze?

Erfahrung darin, in schwierigen Situationen Verantwortung zu übernehmen, hat er jedenfalls. Anfang 2013, als SPD-Kultusminister Gabriele Warminski-Leitheußer nicht mehr zu halten ist, springt Stoch ein. Ruhe ins Ressort bringen, die umfassenden Reformen der jungen grün-roten Landesregierung in sicheres Fahrwasser bringen: Das ist seine Aufgabe. Gemeinschaftsschule, Inklusion - Stoch gibt Stabilität, hakt Punkt für Punkt die lange Aufgabenliste ab. Aus Überzeugung. Seine vier Kinder besuchten eine Waldorfschule. Seine Frau ist Sonderschullehrerin. Stoch entwickelt sich zu einem der Leistungsträger der Landesregierung.

"Wir haben sicherlich ein paar Fehler gemacht", sagte er kürzlich in Heidelberg. Vor allem die ursprünglichen Streichpläne für Lehrerstellen wurmen ihn massiv - da habe man zu lange veralteten Prognosen der Statistiker vertraut. "Ich glaube aber auch, dass wir an vielen Stellschrauben gedreht haben."

Geboren wird Stoch am 10. Oktober 1969 in Heidenheim. Das Abitur macht er in Giengen. Notenschnitt: 1,4. Zivildienst bei der Arbeiterwohlfahrt. Anschließend Jura-Studium in Tübingen und Heidelberg. Ab 1998 arbeitet er als Anwalt. Seit 1990 hat er das SPD-Parteibuch. In den Landtag kommt er 2009, als Nachrücker.

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Als Grün-Rot 2016 abgewählt wird, enden zahlreiche SPD-Karrieren. Nicht die von Stoch: Als Fraktionschef wird er neuer starker Mann der SPD. Zunächst hat er "Beißhemmungen". Vor allem im eigenen Fachbereich. "Jetzt kommt’s halt blöd, wenn du in der Opposition das forderst, was du in der Regierung selbst nicht gemacht hast", so Stoch. Doch das legt sich. Ein impulsiver Lautsprecher ist er dennoch nicht. Attacken sind kühl kalkuliert.

Innerhalb der SPD gilt er als sehr angenehm im Umgang. Als Diplomat, der lange zögert, genau überlegt, wie er sich positioniert. Umso mehr ärgern ihn unbedachte Aktionen anderer. Als Parteichefin Leni Breymaier sich im Frühjahr ohne Not in Spekulationen über eine "Deutschland-Koalition" einmischt, die das grün-schwarze Koalitionsklima massiv belasten, kann Stoch seinen Unmut kaum verbergen. Trotz anderslautender Beteuerungen: Die Zusammenarbeit zwischen Partei und Fraktion verlief alles andere als reibungslos. Zumal Breymaier Stochs Truppe recht früh als Alte-Männer-Haufen beleidigt hatte.

Je näher die turnusmäßige Neuwahl der Parteispitze rückte, desto erwartungsvoller richteten sich die Blicke daher auf den Fraktionschef. Müsste er nicht konsequenterweise Breymaier herausfordern? Doch Stoch scheut das Risiko. Ob er im Mitgliederentscheid für Castellucci ist? Für Breymaier? Er legt sich nicht fest.

Als am Dienstag das für die Partei katastrophale Ergebnis bekannt wird, lässt sich Stoch regelrecht dazu drängen, gegen Castellucci zu kandidieren. Eigentlich ist ihm dieser Schritt zu riskant für den überschaubaren Gewinn. Parteichef sein? Nicht sein Herzenswunsch. Lieber hätte er auf die Spitzenkandidatur 2021 gewartet.