Lars Castellucci im RNZ-Interview

"Wenn ich es nicht mache, stehen wir ohne Personal da"

Wieslocher bekräftigt seinen Führungsanspruch in der Südwest-SPD - "Nicht die Partei ist gespalten, die Funktionäre müssen sich zusammenraufen"

21.11.2018 UPDATE: 22.11.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 9 Sekunden

"Das wird kein Schönheitswettbewerb am Samstag", sagt Castellucci mit Blick auf den Landesparteitag. "Es kann nur der Startpunkt sein für eine Vertrauensarbeit." Foto: Marijan Murat

Von Sören S. Sgries

Heidelberg/Stuttgart. 39 Stimmen im Rückstand. Für Lars Castellucci ging das Mitgliedervotum alles andere als gut aus. Nachdem Parteichefin Leni Breymaier abdankte, bleibt er jedoch dabei: Er will weiterhin als SPD-Landeschef antreten, erklärt der 44-jährige Wieslocher am Mittwochmorgen am Telefon.

Herr Castellucci, Sie hatten jetzt eine Nacht, um das Ergebnis des Mitgliederentscheids zu verarbeiten. Wie fühlen Sie sich heute? Als Gewinner? Als Verlierer?

Es gab bei dieser Mitgliederbefragung keinen Gewinner, keine Gewinnerin. Es gab praktisch ein Patt. Leni Breymaier lag wenige Stimmen vorne, allerdings hat sie noch vor der Auszählung mitgeteilt, dass sie mit ihrem Ergebnis nicht mehr sieht, wie sie als Landesvorsitzende bei einem Parteitag antreten kann. Das verdient Respekt, gleichzeitig hat sie damit das Mitgliedervotum vom Tisch gewischt. Wir hätten uns mehr Klarheit gewünscht. Keine Frage. Jetzt muss der Parteitag entscheiden. Die Delegierten haben das letzte Wort.

Dort wollen Sie antreten. Kritische Stimmen sagen: "Wie kann der Verlierer es nur wagen, sich zur Wahl zu stellen!" Für Sie kein Problem?

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Ich halte es für meine Verantwortung, mich dieser Wahl zustellen. Wenn ich es nicht mache, stehen wir ohne Personal da. Ich bin angetreten, um die Partei zusammenzuführen, sie zu positionieren, sie aufzustellen für die Zukunft. Hätte Frau Breymaier das vereinbarte Verfahren nicht vom Tisch genommen, wäre meine Entscheidung natürlich anders ausgefallen: Ich hätte zurückgezogen.

Hat dieser Mitgliederentscheid einen Riss in die Partei getrieben? Ist die SPD gespalten? Gespaltener als zuvor?

Das glaube ich auf keinen Fall. Es gibt Familien, in denen der eine so, der andere anders abgestimmt hat. Die haben heute trotzdem zusammen gefrühstückt. In den Ortsvereinen haben die Leute unterschiedlich abgestimmt, weil wir unterschiedliche Leute angesprochen haben, weil wir unterschiedliche Ideen präsentiert haben, weil wir unterschiedliche Hoffnungen geweckt haben. Die Leute haben es sich richtig schwer gemacht, sich zu entscheiden. Das wird in diesem Ergebnis deutlich.

Aber es gab doch sehr eindeutige Positionierungen schon im Wahlkampf, die klare Gegnerschaften erkennen ließen.

Eine chronische Schwierigkeit der SPD Baden-Württemberg ist, dass die Ebene der Funktionsträger sich uneinig ist und das auch immer wieder demonstrativ nach außen zeigt. Dieses Grundübel zu bearbeiten, ist genau der Startpunkt für meine Kandidatur gewesen. Nicht die Partei ist gespalten, die Funktionäre müssen sich zusammenraufen.

Wie bekommen Sie das hin? Grüppchenbildung verbieten, funktioniert vermutlich nicht.

Ich habe fast 10 Jahre lang den größten SPD-Kreisverband geleitet. Ich habe die Bürgerstiftung in Wiesloch aus der Taufe gehoben. Wir haben zuletzt ein Bündnis für Demokratie und Toleranz gegründet mit einer ganz breiten gesellschaftlichen Ansammlung von Leuten, die sich hinter ein gemeinsames Ziel gestellt haben. Das ist für mich der Schlüssel: Mit gemeinsamen Zielen funktioniert die Zusammenarbeit besser. Und der respektvolle Umgang ist wichtig. Wir dürfen in der Sache streiten, aber uns nicht persönlich anfeinden. Wenn so ein Umgang gelebt wird, wenn das auch von vorne vorgelebt wird, wird das auch einen Effekt in der Partei haben.

Wenn Sie die Partei nach innen versöhnen müssen: Bleibt da genug Zeit und Kraft, um die SPD nach außen attraktiv zu machen?

Wir müssen beides hinbekommen. Wenn wir diese Nickeligkeiten nicht überwinden, wird uns auch die Außendarstellung niemals vernünftig gelingen. Es ist ein Kraftakt. Mit dem Bewusstsein bin ich angetreten. Manche glauben ja, Parteichef werden hat etwas mit Karriere zu tun. Es ist aber in erster Linie unglaublich viel Arbeit und Anstrengung. Dazu bin ich bereit.

In der Nacht auf Dienstag soll es bereits Gespräche über einen möglichen Dritten gegeben haben, der nach dem Patt die Partei führen könnte. Wie stehen Sie inzwischen zu einer möglichen weiteren Kandidatur am Samstag?

Ich bin ein leidenschaftlicher Demokrat. Ich halte es für einen Normalfall, dass sich Menschen um Ämter bewerben. Ich sage aber auch: In der Vergangenheit haben andere Leute nicht die Köpfe herausgestreckt und den Mut besessen, anzutreten. Leni Breymaier und ich haben uns diesem Mitgliedervotum unterworfen. Wir sind wochenlang durchs Land getourt und haben unsere Ideen präsentiert. Ich stehe hier mit knapp 10.000 Stimmen im Rücken. Es gibt sehr viele von diesen 10.000, die mich darin bestärken, bei meiner Kandidatur zu bleiben. Jemand Drittes startet bei 0 Prozent - und er oder sie müsste begründen, warum er nicht früher angetreten ist.

Gibt es Wahlergebnisse, bei denen Sie sagen würden: Mit so wenigen Prozentpunkten kann ich nicht arbeiten?

Das wird kein Schönheitswettbewerb am Samstag. Es kann nur der Startpunkt sein für eine Vertrauensarbeit, die danach zwei Jahre lang erfolgen muss. Dessen bin ich mir bewusst.

Beim Posten des Generalsekretärs sieht es so aus, als kandidiere allein Sascha Binder aus der Landtagsfraktion. Ein Kandidat, den Sie gutheißen?

Ich bin direkt nach der Ankündigung meiner Kandidatur in die nächste Fraktionssitzung gegangen. Mir ist der Anspruch sehr ernst, dass Parteivorstand und Fraktion enger zusammenarbeiten müssen. Ich habe damals die Fraktion gebeten, zu klären, ob einer aus ihren Reihen als Generalsekretär zur Verfügung stehen kann. Sascha Binder hat sich jetzt gemeldet. Ich wünsche ihm viel Erfolg am Samstag.