Neckar-Odenwald-Kreis von der Außenwelt "regelrecht abgeschnitten"
Die 27 Bürgermeister des Neckar-Odenwald-Kreises fordern flächendeckendes Mobilfunknetz - Resolution an Kanzlerin Angela Merkel

Die Mobilfunkversorgung im Landkreis ist alles andere als stabil. Besonders Berufstätige beklagen sich regelmäßig. Foto: dpa
Neckar-Odenwald-Kreis. Wie vielen aus eigener Erfahrung bekannt sein dürfte, ist es um die Mobilfunkversorgung im Neckar-Odenwald-Kreis nicht zum Besten bestellt. Neben dem Landkreis werden vor allem die Städte und Gemeinden auf dieses Defizit angesprochen und dies insbesondere aus den Reihen der heimischen Wirtschaft.
Deshalb hat der Kreisverband Neckar-Odenwald-Kreis des Gemeindetags Baden-Württemberg jetzt in Fortsetzung einer entsprechenden Initiative von Landrat Dr. Achim Brötel eine Resolution zu diesem Thema verfasst und an Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den Weg gebracht. Gleichzeitig wurde ein großer Kreis an verantwortlichen Personen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den Verteiler einbezogen.
Diese Resolution wurde in der Bürgermeisterdienstversammlung am 18. Juli in Höpfingen einstimmig verabschiedet und von den 27 Bürgermeistern der Städte und Gemeinden des Neckar-Odenwald-Kreises unterzeichnet.
Es folgt die Resolution für einen flächendeckenden, schnellen und zukunftsorientierten Ausbau der Mobilfunkversorgung als zentraler Baustein für die Zukunftsfähigkeit der Städte und Gemeinden im Landkreis, die unter dem Titel "Gleiches Recht für alle" an die Bundeskanzlerin übergeben wurde:
"Der Neckar-Odenwald-Kreis hat im Schulterschluss mit seinen 27 Städten und Gemeinden als einer der ersten Landkreise bundesweit einen flächendeckenden Glasfaserausbau realisiert. Leider hinkt die Mobilfunkversorgung dieser Entwicklung aber noch deutlich hinterher. Nach wie vor gibt es im gesamten Kreisgebiet eine Vielzahl weißer Flecken, in denen gerade umgekehrt sogar Funkstille herrscht. Für viele jüngeren Menschen, aber auch für zahlreiche Unternehmen ist das inzwischen zu einer echten Schicksalsfrage geworden. Hier besteht dringender Nachholbedarf.
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Insbesondere aus der einheimischen Wirtschaft erreichen uns Kommunen praktisch Woche für Woche massive Klagen über den mangelhaften Mobilfunkempfang. In besonderer Weise betroffen sind deren Geschäftspartner, die zu Vor-Ort-Terminen, Meetings und Besprechungen in den Neckar-Odenwald-Kreis kommen und sich dann von der Außenwelt ,regelrecht abgeschnitten’ fühlen.
Darüber hinaus gehören viele unserer Unternehmen aus dem Industriebereich zu deutschlandweit oder gar global agierenden Konzernen. Da ist es besonders peinlich, wenn weltweit tätige Mitarbeiter mitten in Deutschland keine Mobilfunkverbindung haben.
Insgesamt muss man daher leider feststellen, dass diese Umstände den positiven Eindruck, den die Unternehmen vom Neckar-Odenwald-Kreis aufgrund der Erfolge beim Glasfaserausbau haben, in vielen Fällen mehr als konterkarieren.
Die Städte und Gemeinden fordern deshalb alle Verantwortlichen in Bund und Land auf, auch in diesem zentral wichtigen Handlungsfeld jetzt endlich einen flächendeckenden, schnellen und zukunftsorientierten Ausbau zu realisieren. Nachdem der Glasfaserausbau im gesamten Kreisgebiet bereits umgesetzt worden ist, ist damit eine wichtige infrastrukturelle Grundvoraussetzung zur glasfaserinduzierten Anbindung der einzelnen Mobilfunkstationen erfüllt. Dem müssen jetzt also ohne weiteres Zögern die nächsten Schritte folgen.
Allerdings haben wir es auch hier trotz aller rechtlich bindenden Ausbauverpflichtungen der Netzbetreiber nach wie vor mit einem klaren Fall von Marktversagen zu tun. Vor diesem Hintergrund hegen die Städte und Gemeinden massive Zweifel, ob die Verpflichtung, 97 Prozent aller Haushalte pro Bundesland bis Ende 2019 mit LTE zu versorgen, erfüllt werden wird.
Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wird es wahrscheinlich eher so sein, dass in den Ballungsräumen 100 Prozent ausgebaut wird, während die Quoten im ländlichen Raum leider deutlich niedriger liegen. Und: Von 5G als dem Standard der Zukunft ist der Neckar-Odenwald-Kreis dann noch immer Lichtjahre entfernt.
Deshalb erheben wir folgende Forderungen: 1.Die tatsächliche Einhaltung der rechtlich bindenden Ausbauverpflichtungen der Netzbetreiber muss nicht nur engmaschig kontrolliert und ihre Nichterfüllung spürbar sanktioniert werden, sondern es ist darauf zu achten, dass der ländliche Raum dabei genauso bedient wird wie die Ballungsräume und Zentren. Auch beim Mobilfunk gilt: gleiches Recht für alle.
2.Der zügige weitere Ausbau der Mobilfunkversorgung muss Priorität vor der teuren Versteigerung neuer Frequenzen haben. Geld, das die Netzbetreiber jetzt schon wieder in neue Frequenzen investieren müssen, fehlt zwangsläufig für das Stopfen vorhandener Funklöcher. Die Politik ist gefordert, ein zielorientiertes Konzept zu entwickeln und nicht weiterhin den zweiten oder dritten Schritt vor dem ersten zu verlangen.
3.Momentan ist die Situation im Neckar-Odenwald-Kreis dadurch gekennzeichnet, dass die drei Betreiber von Mobilfunknetzen (Telekom, Vodafone und Telefónica) räumlich sehr unterschiedliche Abdeckungsgrade erreichen.
Wenn es gelänge, diese drei Netze für den einzelnen Nutzer miteinander zu verknüpfen, wäre ein ganz entscheidender Fortschritt erreicht. Deshalb muss das nationale Roaming zeitnah umgesetzt werden. Was in Europa Realität ist, muss auf nationaler Ebene möglich sein.
4.Das allein wird noch nicht ausreichen, weil es nicht zu verhindern vermag, dass bei einem mobilen Nutzer, der aus dem Abdeckungsgrad eines Netzes heraus- und in den Abdeckungsgrad eines anderen Netzes hineinfährt, die Verbindung weiterhin unterbrochen wird. Genau das darf aber mit Blick auf die Zukunft nicht mehr sein.
Deshalb wird an einem kooperativen Ausbau wie bei der Glasfaser kein Weg vorbeiführen. Dass es dabei zu Friktionen mit dem EU-Beihilferecht kommen kann, ist uns bewusst. Bayern will einen solchen Weg aber beschreiten und verhandelt schon mit der EU-Kommission in Brüssel. Wir fordern das Land Baden-Württemberg deshalb auf, es Bayern gleich zu tun.
5.Noch erfolgversprechender wäre es, diesen gesamten Bereich durch einen Akt der nationalen Gesetzgebung schon von vorneherein aus dem beihilferelevanten Sektor herauszunehmen. Dabei ist der Bund gefordert.
6.Bund und Land sind gemeinsam in der Pflicht, mit der EU zügig die Voraussetzungen für ein rechtskonformes Vorgehen vor Ort zu verhandeln.
7.Letztlich ist es aus Sicht der Städte und Gemeinden im Neckar-Odenwald-Kreis vor allem extrem wichtig, bei einer solchen Zukunftsfrage die Kräfte möglichst schnell zu bündeln und im engen Schulterschluss mit den Netzbetreibern, den Ländern sowie den Kommunen Wege zu suchen, die trotz aller Schwierigkeiten schon bald an das erwünschte Ziel führen. Wir können jedenfalls nicht mehr länger warten, wenn wir unsere Zukunft nicht verschlafen wollen. Noch ist es nicht zu spät, aber: Es muss jetzt endlich einmal etwas passieren!"