Weinheim

Oberbürgermeister Bernhard geht gelassen in den neuen Lebensabschnitt

Kurz vor der Kerwe-Eröffnung traf sich Heiner Bernhard zum Gespräch mit der RNZ

10.08.2018 UPDATE: 11.08.2018 06:00 Uhr 4 Minuten, 21 Sekunden

Ein Blick zurück auf 16 Amtsjahre als OB: Heiner Bernhard auf dem Balkon seines Dienstzimmers. Foto: Dorn

Von Carsten Blaue

Weinheim. Noch vier Stunden, dann beginnt die Kerwe. Heiner Bernhard wird sie eröffnen. Eine seiner letzten Amtshandlungen als Oberbürgermeister. Zur Mitternacht von Kerwesamstag auf -sonntag wird seine Amtszeit enden. Danach beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt. Gelassen gehe er das an, sagt er. Aber ohne Tiefenentspannung: "Die ist nicht leicht zu finden." Für die RNZ ist er am gestrigen Freitagvormittag noch mal ins Rathaus gekommen. Für ein letztes Gespräch über die 16 Amtsjahre, die hinter ihm liegen, und das, was jetzt kommt. Heiner Bernhard und...

...die Anfänge im Amt: Er hat sich immer wieder hinterfragt. Ob er OB kann. Doch früh hat er gemerkt, dass es ihm liegt. Dass es "sein" Amt ist, obwohl das mit der Selbstreflexion nie nachließ. Als der frühere Kämmerer und Erste Bürgermeister, Rudi Glock, ausschied, wurde die Verwaltung umstrukturiert. Bernhard übernahm die meisten Aufgaben aus Glocks Dezernat. Und es ging. Doch jederzeit OB und öffentliche Person zu sein, sei anfangs ungewohnt gewesen: "Ich habe mir überlegt: Wen muss ich grüßen? Wie gehe ich mit zwei Kindern an der Hand durch die Fußgängerzone? Wie muss ich mich verhalten?". Doch das habe sich relativ schnell eingespielt. Und irgendwann sei es auch seltener geworden, dass ein Bürger im Restaurant an den Tisch der Familie herantritt, weil er den OB mal kurz sprechen muss...

...die Emotionen im Amt: "Mit zunehmender Erfahrung ist das Emotionale nicht weg", sagt Heiner Bernhard. Da habe es bei ihm keine Abstumpfung gegeben. Gleichwohl sei die anhaltende Freude über gelöste Aufgaben gering gewesen, weil gleich die nächsten warteten: "Das treibt einen. Die Schlagzahl war immer hoch." Diese Mechanismen, das "Pflichtbesetzte", müsse jetzt raus: "Ich weiß jetzt noch nicht, ob es gelingt."

...der Weg zu Entscheidungen: "Ich habe nie einsame Entscheidungen getroffen." Alles habe man in der Verwaltung diskutiert, hinterfragt. Bis zum Schluss. Auf den Wegen dorthin habe es Kreuzungen gegeben. Geht man rechts oder links weiter? Am Ende sei man sich dieser Abzweigungen immer sehr bewusst gewesen und habe sicher entschieden.

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...schlaflose Nächte und schwere Zeiten: Doch auf diesen Wegen gab es auch schlaflose Nächte für ihn. Weil sich vielleicht mal eine Sackgasse auftat oder er Fehler bei sich suchte: "Doch nach zwei Nächten war das im Lot." Dann sah er, wie es weitergeht. Und ja, es habe auch Zeiten in all den Jahren gegeben, in denen es ihm nicht gut ging, sagt Bernhard. Auch wenn er festhielt an seinem Credo: Wer schaffen will, muss fröhlich sein. "Das ist unverwüstlich", sagt er und lacht: "Und wenn es doch mal nicht so läuft, dann muss man raus! Da darf man sich nicht einigeln."

...die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat: Bei langen Erkenntnisprozessen, sagt Bernhard, sei es der Verwaltung nicht immer möglich gewesen, dem Gemeinderat jede Abzweigung zu erklären. Umso wichtiger wäre es gewesen, wenn Vorlagen aus dem Rathaus "gelesen, verstanden und geglaubt" worden wären, so der scheidende OB: "Wenn’s da hapert, dann ist es dem Gremium nicht wohl. Das gab es früher auch schon. Aber es gab auch einen Impuls, und der hieß Vertrauen." Und das war wohl irgendwann in vielen Fragen weg. "Wenn das Grundvertrauen fehlt, ohne dass es einen Anlass dafür gegeben hätte, dann verschärft sich der Ton, dann fließen Unterstellungen ein, mit denen in der Argumentation schwer umzugehen ist", sagt Bernhard: "Dann stößt man an Grenzen." Früher habe es sie noch gegeben, die Runden im Vorfeld mit den Fraktionschefs. Da habe man sich eine Meinung bilden können, habe danach zu dem gestanden, was vereinbart wurde. Das sei gut gegangen, bis das Vorgehen in Misskredit geraten sei. Und bis er in den Sitzungen mit Meinungen konfrontiert worden sei, die überraschten und nicht dem Vereinbarten entsprachen. Die Verlässlichkeit sei weg gewesen. Also gab es die Runden nicht mehr: "Und wir haben uns in der Verwaltung auf die Stärke unserer eigenen Argumentation besonnen."

...die Interessen der Bürger und ihr Engagement: Da gibt es für Bernhard zwei Seiten. Eine hat auch mit dem Gemeinderat zu tun. Wenn laut vorgetragene Partikularinteressen in der Kommunalpolitik auf fruchtbaren Boden gefallen seien, habe die Ratio keine Rolle mehr gespielt. Und die war Bernhard immer wichtig. So aber seien falsche Entscheidungen getroffen worden - als Beispiele nennt er die verpasste Gewerbeentwicklung in den "Breitwiesen" oder das Scheitern des Ganztagskonzepts für die Pestalozzi-Grundschule. Oder es gab Widerstände. Wie gleich zu Beginn seiner Zeit als OB gegen das Altenwohnheim "Pamina I". "Das war ein Schlüsselerlebnis", sagt Bernhard und erinnert sich noch gut daran, wie Nachbarn damals gesagt haben, dass kein "Altengetto" entstehen dürfe. Begeistert ist Bernhard hingegen vom vielfältigen Engagement gerade im sozialen Bereich: "Die Intensivierung der Netzwerke ist beispiellos und für Weinheim ein Alleinstellungsmerkmal."

...der Stolz auf Erreichtes: "Wir haben den Stadtentwicklungsprozess konsequent umgesetzt", betont Bernhard. Nur zwei Stichworte sind hier die Schlossbergterrasse (gegen heftige Widerstände) und die Gestaltung der Hauptstraße: "Da haben wir bei der Aufenthaltsqualität das Optimale herausgeholt." Stolz ist Bernhard auch darauf, wie sich das Soziale und vor allem der Bildungsbereich in Weinheim entwickelt haben. Was man in Sachen Bildung (im Konsens!) erreicht habe, sei "ein Pfund". Und auch die Altengerechtigkeit in Weinheim sei zeitgemäß.

...das Unvollendete: Angestoßene Projekte, sagt Bernhard, dürften nicht die Entscheidung beeinflussen, wann man aufhört. Insofern ist er kein Enttäuschter. Aber das Schulzentrum West hätte er gerne noch begleitet, "weil es Spaß macht". Auch das Sanierungsgebiet "Westlich Hauptbahnhof": "Weil es spannend ist."

...die Gefahr einer dritten Amtszeit: Er nennt es eine "Mechanik": Projekte anstoßen, Widerstände durchbrechen, Ziel erreichen. Die Wirkung verinnerliche man. Dabei drohe die Gefahr, dass man diese Mechanik als selbstverständlich erachtet: "Dann ist die Selbstkritik weg." Schon deswegen kam für ihn eine dritte Amtszeit nicht infrage.

...Manuel Just: "Er ist ein grundsolider Profi", sagt Bernhard über seinen Nachfolger. Just wünscht er mit Blick auf den Gemeinderat, "dass er einen anderen Stil pflegen kann, weniger emotional." Nächstes Jahr sind Kommunalwahlen. Daher sagt Bernhard an dieser Stelle auch, dass er sich einen neuen, guten Gemeinderat wünscht: "Dafür ist die Bevölkerung verantwortlich." Er hoffe, dass diese nach Qualität schaut "und nicht nach bekannten Namen."

...die Zukunft: Der Dienstwagen ist abgegeben, der neue Gebrauchte steht daheim in der Garage. Der Abschied aus dem Amt habe ihn nie belastet, sagt Bernhard. Auch wenn er die Menschen vermissen werde, die "Rathaus-Mannschaft". Das Aufräumen im Rathaus war ebenfalls kein Druck. Denn vieles hat Bernhard schon erledigt, als das Parkett in seinem Dienstzimmer im Frühjahr frisch versiegelt wurde: "Das war eine gute Entscheidung." Dafür wartet zu Hause wohl einige Arbeit: "Ich habe so viel aufzuräumen!". Das belastet ihn wirklich und muss erledigt sein, bevor es in Kürze in die Berge geht. Und danach wird sich Bernhard trotz neuer Freiheiten bestimmt nicht nur zurücklehnen. Kreisrat will er bleiben. In vielen Vereinen ist er engagiert, "und nur Skat spielen mit Freunden geht bei mir nicht." Doch jetzt ist erst mal Kerwe: "Die besten Tage im Jahr", sagt Bernhard. Und lächelt.

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