Von der Autowerkstatt in die Hebelhalle
30 Jahre und kein Stillstand - Das Theater seinen Namen zu Recht

Von Isabelle von Neumann-Cosel
Heidelberg. Es ist eine außerordentliche Erfolgsgeschichte. Vor dreißig Jahren zogen eine junge, ehrgeizige Choreografin, ein gelernter Akrobat und ein Schauspieler aus Heidelberg gemeinsam aus, um den internationalen zeitgenössischen Tanz das Fürchten zu lehren. Zumindest auf Festivals, wo die kleine Truppe - bei Bedarf durch Tänzer und Tänzerinnen ergänzt - Preise sammelte, als wären es Streichholzschachteln.
In das Internationale Festival für zeitgenössischen Tanz in Costa Rica mussten sie sich noch hineinschmuggeln - als Siegergruppe wurden sie in Lateinamerika herumgereicht. Choreografie-Wettbewerbe in Tokio oder Barcelona - erste Preise. Das junge UnterwegsTheater segelte auf den Flügeln dieser Erfolge durch seine erste Deutschlandtournee.
Aber was sollte danach kommen? Ein Reiseleben von Festival zu Gastspiel, immer von der Hand in den Mund? Bernhard Fauser und Jai Gonzales, nicht nur die kreativen Köpfe der ungewöhnlichen Truppe, sondern auch künstlerisch und privat ein Paar, wollten vor allem eines: einen Raum für Proben und die Erarbeitung neuer Produktionen.
Eine verlassene Autowerkstatt mit Wohnhaus ganz nah am Hauptbahnhof wurde ihr erstes Quartier: die Pro-B-Bühne, mit dem Charme des Unvollkommenen - zum Beispiel in Gestalt von Stützpfeilern auf der Bühne.
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Was die beiden nicht davon abhielt, eine Kult-Produktion nach der anderen auf eben diese Bühne zu stellen, mit Unterstützung der besten Tänzer aus den damaligen Ensembles in Mannheim und Heidelberg. Mit einem Paukenschlag begann das zur Zwei-Köpfe-Truppe geschrumpfte Kernensemble Fauser/Gonzales 1991 die Präsentation von internationalem zeitgenössischen Tanz in Heidelberg.
Die beiden schafften es, ein Festival in der Stadthalle zu organisieren, wo man Tanz in noch nie da gewesener Form in der Neckarstadt sehen konnte und offensichtlich wollte: ausverkaufte Vorstellungen am laufenden Band. Später holten sie nach Heidelberg, was Rang und Namen im zeitgenössischen Tanz hatte, und nicht selten schon vorher.
Natürlich ist es auch eine Geschichte von Rückschlägen und Misserfolgen. Die Pro-B-Bühne wurde wegen Baufälligkeit quasi über Nacht geschlossen, das UnterwegsTheater hangelte sich von einem Ausweichquartier zum anderen.
1999 gab es eine Zäsur. Mit nichts als ihrer Kreativität im Gepäck brachen Fauser und Gonzales nach New York auf - und kreierten ein sogar von der New York Times wohlwollend besprochenes Stück, "Middle of Nowhere". Ein Jahr später repräsentierte das UnterwegsTheater Baden-Württemberg auf der Weltausstellung in Hannover.
Die Klingenteich-Turnhalle wurde vorübergehend zur Spielstätte umfunktioniert; einen glücklichen Sommer lang bespielten Fauser und Gonzales in legendärer Atmosphäre das Alte Hallenbad und wären 2007 beinahe dessen neuer Nutzer geworden (ein Stück unrühmlicher Heidelberger Kulturgeschichte).
Es hätte keinen besseren Namen für diese kleine Truppe geben können: Immer wieder ließen sich die beiden durch äußere Widrigkeiten zu neuen Ideen herausfordern. Keine Spielstätte? Dann schafft man eine: temporär und draußen.
Das legendäre ArtOrt-Festival war geboren, auch das längst mit Kultstatus. Von vergessenen Grünflächen bis in die Universität, vom Bismarckplatz bis zur Heiliggeistkirche, vom Neuenheimer Campus über die Bahnstadt bis zum Schloss: Die multidisziplinären, intelligent auf die speziellen Orte zugeschnittenen Inszenierungen hatten allesamt ein Niveau an Urbanität, das der Neckarstadt bestens ansteht.
Seit 2009 sind Fauser und Gonzales Hausherren der Hebelhalle, eine der besten Spielstätten für zeitgenössischen Tanz in Baden-Württemberg. Sie sind eine bundesweit einmalige Kooperation mit dem Stadttheater eingegangen - vereinte Kräfte konnten die erfolgreiche Tanz-Biennale und mit dem Choreografischen Centrum einen international geschätzten Produktionsort für aktuellen Tanz etablieren.
Zeit, sich auszuruhen? Nicht, wenn man das Motto "unterwegs" in seinem Namen hat. Noch bis Ende Juli und dann wieder ab November lockt die Hebelhalle mit Gastspielen auf dem gewohnten ganz hohen Niveau. Und im kommenden Jahr besinnt sich die Truppe auf ihre Wurzeln.
Fauser und Gonzales werden wieder einmal ihre längst bewährte Schar von Künstler um sich sammeln und sich auf eigene Produktionen konzentrieren. Man darf gratulieren - und gespannt sein!