Als am Karfreitag die Amerikaner kamen
In diesem Jahr gibt es dieselbe kalendarische Konstellation - Um den Einmarsch ranken sich etliche Mythen

Von Micha Hörnle
Heidelberg. Josef Weigel, der die RNZ im südpfälzischen Schweighofen liest, erinnert an ein denkwürdiges Ereignis: "Am Karfreitag, 30. März 1945, war der Krieg für die Einwohner Heidelbergs zu Ende. Die Amerikaner waren da. Am Ostersonntag, 1. April 1945, konnten die Heidelberger den ersten Ostergottesdienst in Frieden feiern. In diesem Jahr ist es nun 73 Jahre her, dass der Krieg zu Ende ging. An für sich kein Grund, des Ereignisses zu gedenken. Doch 2018 gibt es eine Besonderheit: Genau wie 1945 fällt der Karfreitag 2018 auf den 30. März." Diese Konstellation gab es auch schon 1956.
Die Geschichte der Besetzung/Befreiung ist schon so oft erzählt worden, aber hartnäckig halten sich Mythen - wie die einer kampflosen Übergabe der Stadt und die Rolle des damaligen Oberbürgermeisters Carl Neinhaus. Tatsächlich hatten Teile der 44. US-Infanteriedivision Dossenheim erreicht, im Osten rückten Panzerverbände Richtung Ziegelhausen vor, die abgekämpften deutschen Truppen setzten sich in den Odenwald ab. Generalmajor William A. Beiderlinden, der über knapp 300 Geschütze gebot, forderte die kampflose Übergabe Heidelbergs, in der er bis zu 200.000 deutsche Soldaten vermutete. Stattdessen war Heidelberg vor allem eine Lazarettstadt mit 8000 Verwundeten.
Da entschloss sich eine Gruppe von Heidelberger Ärzten und Militärs - darunter der Leiter der Sanitätsabteilung Eugen Nießen und der Dekan der Medizinischen Fakultät Johann Daniel Achelis - zu einem ungewöhnlichen Schritt: Sie fuhren am Gründonnerstagabend als Parlamentäre zum amerikanischen Divisionshauptquartier nach Käfertal, um dort zu verhandeln. Lokalhistoriker Frank Moraw legte dar, dass das keineswegs eigenmächtig geschah, sondern sogar mit dem Gauleiter Robert Wagner abgestimmt war. Wieso der fanatische Nazi Wagner, der sonst bis zur letzten Patrone kämpfen wollte, diese Verhandlungen tolerierte, ist bis heute ein ungelöstes Rätsel. Allerdings bestimmte Wagner, dass Neinhaus nicht unter den Parlamentären sein sollte.
Effektiv erreichten die Deutschen bei den Amerikanern nichts. Die drangen weiterhin auf bedingungslose Kapitulation, die Deutschen hatten keine Befugnis, Heidelberg zu übergeben oder zur offenen Stadt zu erklären. Als sie das ernüchternde Ergebnis der Verhandlungen überbringen wollten, kamen sie nicht über den Neckar, denn im Laufe des Gründonnerstags hatten Wehrmachtspioniere alle Brücken gesprengt. Die damals 16-jährige Neuenheimerin Anni Thamm erklärte sich bereit, die Gruppe mit einem Paddelboot am Altstädter Ufer überzusetzen. Und doch war die Arbeit der Parlamentäre nicht umsonst: Die Amerikaner nutzten die Waffenruhe und rückten rasch zum Neuenheimer Neckarufer vor. Bereits am Karfreitagmorgen stand dort eine Armada aus Panzern, gegen 14 Uhr überquerte ein ganzes Bataillon den Neckar - ohne nennenswerte Widerstände; bereits am Karsamstag errichteten die Amerikaner eine Pontonbrücke. Das große Glück Heidelbergs war vor allem, dass die Wehrmacht die Stadt nicht verteidigte. Beiderlinden sagte noch 1970, dass er keineswegs mit den Parlamentären eine Art Schonung ausgehandelt hätte. Wären seine Soldaten auf Widerstand gestoßen, dann hätte die US-Artillerie die gesamte Stadt beschossen - wie anderswo auch.
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Das letzte Opfer forderte der Krieg drei Wochen später: Der 18-jährige Heinz-Dieter Hofert war aus amerikanischer Gefangenschaft getürmt und schlug sich zur Wohnung seiner Mutter in der Steubenstraße durch. Am Abend des 21. April traf er am Hainsbachweg auf eine US-Streife, die auf ihn schoss. Hofert schleppte sich mit drei Bauchschüssen durch die menschenleere Steubenstraße, klingelte an etlichen Türen, doch niemand machte auf. Schließlich erbarmte sich ein Ehepaar und rief die Polizei. Er starb am 23. April in der Chirurgie.



