Weinheimer OEG-Schläger-Prozess

Kopf wie einen Fußball getreten

Staatsanwalt fordert hohe Haftstrafen - Nur einer hat sich entschuldigt

10.01.2018 UPDATE: 11.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden

Siegfried Kollmar, Leiter der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg, dankt Mehmet Efetürk für seinen mutigen Einsatz. Rechts steht Weinheims Bürgermeister Torsten Fetzner. Foto: Kreutzer

Von Alexander Albrecht

Mannheim/Weinheim. Er hatte Todesangst, wie er sagt, leidet noch heute unter den Folgen der Tat, ist auf psychotherapeutische Hilfe und Medikamente angewiesen: Mehmet Efetürk. Am Abend des 11. März 2017 eilte der inzwischen 29-Jährige im OEG-Zug bei Weinheim einer jungen Frau zu Hilfe - und wurde von fünf Männern brutal zusammengeschlagen.

Im Prozess gegen die 17 bis 19 Jahre alten Angreifer vor der Jugendkammer des Landgerichts Mannheim stehen am Mittwochmorgen die Plädoyers an. Oberstaatsanwalt Frank Höhn fordert hohe Haftstrafen von knapp drei bis achteinhalb Jahren - wegen gefährlicher Körperverletzung, in einem Fall sogar wegen versuchten Totschlags. Efetürks Anwalt Thomas Bach sagt, seinem Mandanten sei es nie darum gegangen, dass die Angeklagten möglichst lange in den Knast wandern. Stattdessen habe er sich Reue und Einsicht von ihnen gewünscht.

Der Prozess sei dahingehend für ihn eine "echte Enttäuschung" gewesen. Das Opfer habe bei seiner gerichtlichen Befragung Hohn und Spott von Angehörigen und Freunden der Schläger geerntet, die Mutter des Angeklagten Taufik M. soll es bedroht haben. Dass sechs Männer auf der Anklagebank sitzen, liegt daran, dass neben dem OEG-Fall auch Straftaten einen Monat zuvor in einer S-Bahn zwischen Heidelberg und Mannheim verhandelt werden. Ein Quartett soll damals einem Fahrgast mehrfach ins Gesicht geschlagen und einen weiteren Passagier in eine Zugtoilette gedrängt haben, um ihn dort auszurauben. Im Gegensatz zur OEG gibt es davon Videoaufnahmen. Und so bewerten der Staatsanwalt und die Verteidiger die Verbrechen der Angeklagten:

Jermaine L.: Er hatte die junge Frau in der OEG angepöbelt und damit die Auseinandersetzung angezettelt. L. gab zu, mehrfach auf Efetürks Kopf eingetreten zu haben - "wie bei einem Fußball". Dies wertet Höhn als versuchten Totschlag. Hinzu kommt: L. ist bereits vom Amtsgericht Bensheim wegen schwerer Körperverletzung verurteilt worden. Vor Antritt seiner neunmonatigen Haft schlug er in der OEG zu. Anwältin Susanne Bauknecht verweist darauf, dass L. ein "schonungsloses Geständnis" abgelegt habe. Und: Er habe nie die Absicht gehabt, Efetürk lebensgefährlich zu verletzen. L. sei bei der Tat in der OEG durch Alkohol enthemmt gewesen. Bauknecht beantragt eine vierjährige Jugendhaftstrafe.

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Taufik M.: Obwohl er sich als einziger Angeklagter nicht zur Sache geäußert hat, steht für Höhn zweifelsfrei fest, dass auch er mehrfach auf Efetürk eingeschlagen hat. Taufik M. saß schon dreieinhalb Jahre in Haft. Weil er im Gefängnis unter anderem einem Mitgefangenen eine brennende Zigarette im Gesicht ausdrückte, erhöhte sich die Strafe auf fünf Jahre, allerdings zur Bewährung ausgesetzt. Höhn beantragt eine Haftstrafe von achteinhalb Jahren. M.s Verteidiger plädiert erst in der nächsten Woche.

Furkan D.: Der junge Mann - Schulabbrecher, ohne berufliche Perspektive, Drogenkonsum - soll nach Meinung Höhns für viereinhalb Jahre hinter Gitter. Anwalt Bülent Döger kritisiert, der Staatsanwalt lasse sich von dem hohen Medieninteresse leiten. Er plädiert auf eine zweijährige Bewährungsstrafe.

Eyyüpcan P.: Viereinhalb Jahre Haft fordert Höhn für den Mann, der sich demnächst wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen räuberischen Erpressung erneut vor der Jugendkammer verantworten muss. Verteidiger Stefan Allgeier kontert, sein zur Tatzeit alkoholisierter Mandant habe keine führende Rolle in der Gruppe gespielt. Er schlägt eine zweijährige Gefängnisstrafe vor.

Filmon N.: Höhn bescheinigt ihm "keine gute Prognose" und will ihn für drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis schicken. Anwältin Kathrin Biereder sagt, N. nehme keine Drogen mehr, habe ein Geständnis abgelegt und sich bei Efetürk entschuldigt. Sie beantragt eine nicht weiter definierte Bewährungsstrafe.

Özcan K.: Er war "nur" in der S-Bahn dabei, gemeinsam mit Eyyüpcan P., Furkan D. und Jermaine L. - Höhn fordert eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Anwalt Ekkart Hinney hält eine Bewährungsstrafe für ausreichend. Er moniert, Höhn wolle wegen des nach dem Fall erwachsenen, gestörten Sicherheitsempfinden der Bahnfahrer eine Generalprävention betreiben.

Der Prozess wird am kommenden Mittwoch um 9 Uhr fortgesetzt.

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