Prozess gegen "OEG-Schläger"

Für zwei Angeklagte steht sehr viel auf dem Spiel

Im Prozess gegen die mutmaßlichen OEG-Schläger werden am 10. Januar die Plädoyers gehalten

21.12.2017 UPDATE: 22.12.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden

Symbolfoto: dpa

Von Alexander Albrecht

Mannheim/Weinheim. Der Prozess gegen die sechs mutmaßlichen OEG-Schläger vor der 7. Großen Strafkammer des Mannheimer Landgerichts steuert auf das Finale zu. Die Beweisaufnahme ist abgeschlossen, die Plädoyers sind für den 10. Januar vorgesehen. Ein Teil der jungen Männer zwischen 17 und 19 Jahren soll am 11. Februar in einer S-Bahn zwischen Heidelberg und Mannheim einem Mann mehrfach ins Gesicht geschlagen und ein weiteres Opfer in eine Zugtoilette gedrängt haben, um es auszurauben. Viel größeres Entsetzen löste aber eine brutale Attacke einen Monat später in der RNV-Linie 5 (früher OEG) aus. Die RNZ blickt auf den zweiten Fall und den bisherigen Prozessverlauf zurück.

Das Opfer: Mehmet Efetürk, heute 29. Jahre alt. Er eilte am Abend des 11. März in der OEG bei Weinheim einer jungen Frau zu Hilfe. Zuvor war Jennifer H. vom Angeklagten Jermaine L. auf üble Weise beleidigt worden. L. rastete völlig aus, schlug und trat Efetürk. "Wie gegen einen Fußball", räumte der junge Mann vor Gericht ein. Der Vorsitzende Richter Joachim Bock sagte, das komme einem Tötungsvorsatz sehr nahe. Auch der Mitangeklagte Eyyüpcan P. gestand zwei Faustschläge ins Gesicht des bereits am Boden liegenden Geschädigten. Efetürk ("Ich hatte Todesangst") brach sich die Nase, erlitt zwei Rippenbrüche, zog sich Prellungen und Schürfwunden zu. Rund ein halbes Jahr nach der Tat erhielt er einen Zivilcouragepreis im Rahmen der Aktion "Beistehen statt rumstehen".

Die Zeugin: Jennifer H. sei selbst kein Kind von Traurigkeit und früher oft in Schlägereien verwickelt gewesen, gab ein Weinheimer Polizist an. Der Beamte vermutete auch, dass sich Opfer und Zeugin vor ihrer Aussage bei ihm abgesprochen hatten. Die Frau und Efetürk beschrieben Taufik M. als den Haupttäter. Der habe regelrecht Schaum vor dem Mund gehabt und Jennifer H. angebrüllt: "Lass mich los, ich bring’ den um." Taufik M. unterstellte hingegen den beiden ein enges, wenn nicht intimes Verhältnis. Im Gerichtssaal behaupteten Efetürk und Jennifer H. dagegen, sich vor der Tat lediglich "vom Sehen" gekannt zu haben.

Das Rätsel: Nach den Aussagen von Mehmet Efetürk und Jennifer H. soll Taufik M. auf eine Sitzbank gestiegen und von dort zwei bis drei Mal auf den Kopf des Opfers gesprungen sein. Doch wie passt das zu den diagnostizierten Verletzungen? Taufik M. sagte: "Wenn man auf eine Melone springt, dann ist die doch platt." Der Weinheimer Polizist hielt es dagegen für möglich, dass Taufik M. abgerutscht war, wovon auch die Schürfwunden an Efetürks Kopf zeugen könnten. Der Heidelberger Rechtsmediziner und Sachverständige Roman Bux sagte, man könne nicht davon ausgehen, dass ein Schädel zerstört werde, wenn ein Mensch aus einem halben Meter Höhe darauf springt. Daraus könnten schwere Verletzungen resultieren, müssten aber nicht. Entscheidend sei etwas anderes: Bei einer durchschnittlichen Berührungszeit von 0,1 bis 0,15 Sekunden wirke bei einer Person von 80 Kilogramm eine Kraft von etwa 2,5 Kilonewton auf den Schädel. Das entspricht etwa dem Gewicht von 250 Kilo. Der Hirnschädel habe aber eine Belastungsgrenze von acht bis zehn Kilonewton. Das Rätsel wäre keines, wenn die Kamera in der OEG am 11. März nicht einen technischen Defekt gehabt hätte und ausgefallen wäre.

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Die Angeklagten: Sie stammen aus zerrütteten Familien, machten in der Schule Ärger, sammelten reichlich Erfahrung mit Alkohol und Drogen, klauten und schlugen immer wieder zu. Drei der sechs Angeklagten sind in Untersuchtunshaft. Eyyüpcan P. sitzt wegen einer anderen Straftat hinter Gittern. Besonders viel auf dem Spiel steht für zwei Männer. Taufik M. hat bereits eine dreieinhalbjährige Haftstrafe verbüßt. Jermaine L. wurde vom Amtsgericht Bensheim zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Noch vor seinem Haftantritt ereignete sich die OEG-Schlägerei. Nach Ansicht der Vertreter der Jugendhilfe sollen alle Angeklagten nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden. Bis auf Jermaine L. und Taufik M seien sie bewährungsfähig.

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