Opfer Mehmet Efetürk beschrieb vor Gericht den Angriff der Schläger
Todesangst in der Straßenbahn: "Ich dachte, dass ich da nicht mehr rauskomme"

Kripo-Chef Siegfried Kollmar dankte Mehmet Efetürk beim Ehrungsabend von "Beistehen statt Rumstehen" für seine Zivilcourage. Foto: Kreutzer
Von Willi Berg
Mannheim/Weinheim. Mehmet Efetürk hat einen hohen Preis bezahlt für seine Zivilcourage. Als eine junge Frau in einer Straßenbahn belästigt wird, nimmt er sie in Schutz. Und wird dafür brutal zusammengeschlagen und schwer verletzt. "Ich hatte Todesangst und dachte, dass ich da nicht mehr rauskomme", sagt der 29-Jährige am Montagmorgen als Zeuge vor dem Mannheimer Landgericht. Dort sieht er die fünf mutmaßlichen Schläger wieder, die sich vor der Jugendkammer verantworten müssen. Drei von ihnen erkennt er wieder.
Am Abend des 11. März ist er mit der Linie 5 der RNV (früher OEG) von Mannheim nach Weinheim unterwegs. Später seien mehrere "Jungs" zugestiegen, erinnert sich Efetürk. Und die sind offenbar auf Krawall gebürstet. Sie seien laut und auffällig gewesen, sagt der Zeuge. Einer von ihnen pöbelt eine junge Frau an. Es soll der Angeklagte Jermaine L. gewesen sein. "Mit dem hat es angefangen", sagt Efetürk. Er fordert L. auf, die Frau in Ruhe zu lassen. Fünf bis sechs Männer hätten ihn darauf geschlagen und getreten. Bei drei der Angeklagten ist er sich ganz sicher: Neben Jermaine L. sind es Furkan D. und Taufik M. "Die waren definitiv dabei."
Als er zu Boden geht, sei ein Mann vom Sitz "auf meinen Kopf gesprungen", sagt Efetürk sichtlich aufgeregt. Wer es ist, kann er nicht sagen. Auch habe jemand gegen seinen Kopf getreten. Um sich zu schützen, kriecht er unter den Sitz. Taufik M. habe ihn dort wieder hervorgezogen. Und gedroht, ihn umzubringen. "Das Gesicht werde ich niemals vergessen", berichtet der Zeuge.
Als Fahrgäste rufen, dass die Polizei kommt, fliehen die Schläger. Efetürk übergibt sich draußen und läuft zur nächsten Polizeistation. Von dort wird er ins Weinheimer Krankenhaus gebracht. Er erleidet einen Bruch des Nasenbeins, zwei Rippenbrüche sowie Prellungen und Schürfwunden am ganzen Körper. Bis heute habe er Schmerzen im Brustbereich. Manchmal falle ihm das Atmen schwer. Demnächst muss seine Nase noch einmal operiert werden. Mehrere Monate ist er krankgeschrieben. Einen angebotenen Job kann er deshalb nicht antreten. Erst seit zehn Tagen arbeitet er wieder. Gravierend sind auch die psychischen Folgen. Sein Mandant sei immer noch traumatisiert, sagt Anwalt Thomas Bach.
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Seit April erhält Efetürk psychotherapeutische Hilfe. Gegen Depressionen nehme er Medikamente ein. Nachts schrecke er aus Albträumen hoch, in denen ihn jemand erwürgen will, sagt der 29-Jährige. Nach der Tat hätten unbekannte Leute Kontakt zu seinem Bruder gesucht. Ihr Vorschlag: "Sie haben Geld geboten, wenn ich die Anzeige zurücknehme", sagt Efetürk. Er habe dies aber abgelehnt. Auch die in der Straßenbahn belästigte Frau wird an diesem Tag als Zeugin gehört. Die 25-Jährige bestätigt einige der Aussagen des Opfers. Zwei der vor Gericht stehenden Männer erkennt sie wieder. Es sind Jermaine L. und Taufik M. Der Angeklagte L. habe sie zunächst "dumm angemacht" und dann übel beleidigt. Beide hätten Efetürk misshandelt. L. sei auf den Sitz gestiegen und dann herunter gesprungen. Ob auf den Kopf des Opfers, das kann sie nicht sagen.
Taufik M. habe mit Schaum vor dem Mund Efetürk "von hinten gepackt und dann draufgeschlagen". Und diesen mit dem Tode gedroht. Als Taufik M. seinen Ausweis in der Straßenbahn liegen lässt, nimmt sie das Dokument an sich. Bei Recherchen im Internet sei sie auf Jermaine L. gestoßen.
Auch an diesem Prozesstag kommt es wieder zu unschönen Szenen - innerhalb und außerhalb des Gerichtssaals. Und das trotz des massiven Polizeiaufgebots. So wird die Mutter der Zeugin im Foyer offenbar von Zuschauern angepöbelt. Die Polizei geht dazwischen, geleitet sie und ihre aufgelöste Tochter nach draußen. Taufiks Mutter droht Efetürk.
Im Gerichtssaal stören mehrfach Zuschauer die Verhandlung. Einer lacht während der Aussage von Efetürk. "Das ist nicht zum Lachen", sagt der Vorsitzende Richter Joachim Bock. Als zwei Brüder eines Angeklagten stören, fliegen sie raus. Noch während die Verhandlung läuft, stehen zahlreiche Zuschauer laut quatschend auf. Dem Vorsitzenden platzt der Kragen: "Sie haben nicht ein Mindestmaß an Benehmen. Reißen Sie sich zusammen." Und die Angeklagten ermahnt er, nicht mehr in den Zellen des Landgerichts herumzuschreien. Mehmet Efetürk wurde für seinen Mut im Rahmen der Kampagne "Beistehen statt rumstehen" ausgezeichnet. Die Berichte dazu in der RNZ gingen den Lesern zu Herzen. Viele Menschen spendeten Geld.



