Was ist mit Xavier Naidoo passiert?
Nicht nur die Medien diskutieren bundesweit, auch der Satiriker Jan Böhmermann verbreitet ätzenden Spott. Dabei sprechen die Songtexte längst für sich

Xavier Naidoo. Foto: dpa
Von Alexander R. Wenisch und Philipp Weber
Mannheim. Die Quadratestadt und ihre "Söhne" haben es zu zweifelhaftem Ruhm gebracht: Die Diskussion um die Songtexte auf dem neuen Album der Söhne Mannheims ("MannHeim") hat es in fast alle deutschsprachigen Medien geschafft - und am Donnerstag auch einen prominenten Platz im Fernsehen erobert. Jan Böhmermann hat in der ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" Naidoo- und "Söhne"-Songs parodiert: "Und wenn ein Lied meine Lippen verlässt, dann nur damit du Wahrheit findest. Der Jud’ ist Schuld, das steht zu 100 Prozent fest", singt der Satiriker, während eine Stimme aus dem Off hämisch die "Hurensöhne Mannheims" anpreist.
In Schutz genommen wird Naidoo in diesen Tagen nur sehr vereinzelt: Revolutionsrhetorik und Spinner gehörten zu Rock und Pop dazu, lauten Antworten auf die scharfe Kritik der Medien. Antistaatliche Passagen mit linker Stoßrichtung würden seit eh und je geduldet. Andere fürchten, dass der Hype dem "MannHeim"-Album mehr Käufer beschert, als es dessen musikalische Qualität je zuließe.
Was ist passiert mit Xavier Naidoo in den vergangenen 15 Jahren? Der Mannheimer Sänger, der damals an der Seite von Udo Lindenberg bei "Rock gegen rechts" sang - und der heute nichts gegen den offensichtlichen Widerspruch hat, dass ihn die rechtsextreme NPD für seine "systemkritischen" Äußerungen und "unbequemen Wahrheiten" in den Himmel lobt. Die Nähe zu den rechtsgerichteten Reichsbürgern wird ihm nachgesagt, seit er 2014 in Berlin bei einer Kundgebung der Gruppierung aufgetreten war.
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Jan Böhmermann. Foto: dpa
In diesem Zusammenhang muss nun auch Naidoos Reim von "Steigbügelhalter" und "Sachverwalter" im aktuellen "Söhne"-Song "Marionetten" verstanden werden. Aber es sind bei weitem nicht die einzigen, sagen wir, pointierten Phrasen, die auf dem neuen Album "MannHeim" zu finden sind. Welches Weltbild transportiert Naidoos Lyrisches Ich? Immer wieder taucht, wie im Song "Kinder", ein Motiv auf: "Ist dir aufgefallen, dass die Menschen heutzutage nicht mehr sagen was sie sagen wollen, sondern nur was sie zu sagen wagen." Das wäre ein Satz, den man auch von AfD-Politikern hören könnte. Hinzu kommt Naidoos Spiel mit dem Thema "Lügenpresse": "Du glaubst doch nicht wirklich, dass unsere Nachrichten nicht nachgerichtet sind", singt er.
Und der Deutsche Michel, den er als Tor, also als Idioten sieht, um den er sich sorgt, der auf dem "Altar" geopfert wird. Und wenn es nicht die Künstler gäbe, die sich trauen, Wahrheiten auszusprechen, "wird der Deutschen Schlafstätte zum Sterbebett". Naidoos Lyrisches Ich sieht sich als "Schutzmann" - während der Normalbürger nach der Arbeit zu Hause sitzt, bleibt einer wach und wacht über uns, "weil der Feind steht im Schatten, wie die Stadt ihn wirft". Was wird da beschrieben? Eine Bürgerwehr? Im Song "Neue Menschen" heißt es: "Wir sind die effektivste Streitmacht seit Erfindung der Killerviren."
Dass er vom politischen Personal wenig hält, macht Naidoo in "Marionetten" deutlich. Zitat: "Wenn ich so einen in die Finger bekomme, dann reiß ich ihn in Fetzen." Das riecht nach Gewaltaufruf. In einem Rap im Song "Neue Menschen" heißt es: "Now is not the time to rule / Now is the time for you to get buzzed." Die Sentenz "to get buzzed" lässt sich mit "getötet werden" übersetzen. An anderer Stelle verdeutlicht der Sänger, dass ihm bewusst ist, dass er mit seinen Worten "die Politiker aufschreckt".
Dass Naidoo in seinen Texten nicht nur göttliche Botschaften, sondern auch gefährliches Gedankengut kundtut, haben in der Vergangenheit bereits andere Lieder gezeigt. In vielen seiner Texte zeigen sich - mal mehr, mal weniger deutlich - Homophobie, Verschwörungstheorien, Antisemitismus und Antiamerikanismus. Im aktuellen Song "Nie mehr Krieg" heißt es nun: "Muslime tragen den neuen Judenstern, alles Terroristen, wir haben sie nicht mehr gern."
Auch für das anstehende Krisengespräch mit Mannheims OB Peter Kurz hat Naidoo auf "MannHeim" schon ein paar Zeilen gedichtet: "Ich bitte um Verzeihung. Ich falle auf die Knie und senke meinen Kopf." Doch was gilt? Im letzten Song des Albums heißt es: "Ich hab’ gelernt ich soll für meine Überzeugungen einstehen - warum soll ich jetzt (...) davon Abstand nehmen? Dazu bin ich nicht bereit."
Auf prosaischer Ebene gibt sich Xavier Naidoo wortkarg. Er werde die Böhmermann-Satire nicht kommentieren, hieß es auf Anfragen. Nach Angaben eines Sprechers der Stadt Mannheim hat bisher (noch) kein Gespräch mit den Söhnen stattgefunden. Einen Termin konnte er auf RNZ-Anfrage nicht nennen.