Nachtbürgermeister möchte "einen Mehrwert für die Stadt liefern"
Jimmy Kneipp sprach mit der RNZ über gelungene Projekte und künftige Herausforderungen sowie den ruhigen Sommer an der Neckarwiese und den Kontakt mit Anwohnern.

Von Anica Edinger
Heidelberg. Sie sind angetreten, die Nachtkultur in Heidelberg zu stärken – und im Spannungsfeld zwischen lärmgeplagten Anwohnern und Feiernden zu schlichten: die beiden Nachtbürgermeister Jimmy Kneipp und Daniel Adler. Gut zweieinhalb Jahre sind die beiden nun im Amt – und die Aufgaben werden nicht weniger.
Nachtbürgermeister Kneipp (35) wirft im RNZ-Gespräch einen Blick zurück auf den Feier-Sommer an der Neckarwiese, erfolgreiche Maßnahmen gegen Lärm und Dreck – und erklärt, weshalb Kneipen donnerstags länger als bis 1 Uhr geöffnet bleiben sollten.
Herr Kneipp, der Sommer ist vorbei – und damit auch die Feiersaison auf der Neckarwiese oder rund um die Alte Brücke. Ist es ruhiger geworden an den einstigen Brennpunkten?
Ja, es ist ruhiger geworden. Wir hatten, was die Neckarwiese betrifft, deutlich weniger Beschwerden als in den Jahren zuvor. Und an der Alten Brücke, wo es ja einmal sehr viele Beschwerden gab oder Lärm und Dreck, hatten wir gar keine Probleme mehr.
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Also war ihre Arbeit erfolgreich?
Die Zusammenarbeit von Kommunalem Ordnungsdienst, der Polizei und unseren Night Coaches hat an den Brennpunkten sehr gut funktioniert. Ich denke aber auch, dass es sich bei vielen Ereignissen auf der Neckarwiese und der Alten Brücke um Ausnahmeerscheinungen gehandelt hat, die den Corona-Jahren geschuldet waren, in denen die Jugendlichen auf so viel verzichten mussten.
Gibt es lärmtechnisch neue Problemstellen in der Stadt?
Man mag es kaum glauben: Aber am neuen Karlstorbahnhof in der Südstadt gibt es vermehrt Anwohnerbeschwerden. Mich hat das gewundert, weil man dort als Mieter ja wirklich wusste, dass gegenüber ein Club gebaut wird. In der Altstadt hat die Weisse Flotte ihr Abendprogramm am Pier 4 ausgebaut. Auch da gab es ein paar Beschwerden.
Wie reagieren Sie darauf?
Wir führen Gespräche mit allen Beteiligten. Generell sind die Night Coaches auch weiter im Einsatz. Sie führen im Schnitt 200 Gespräche pro Abend und versuchen, Akzeptanz zu schaffen für die Anliegen der Anwohner. Und auch der Kommunale Ordnungsdienst ist so gut aufgestellt wie noch nie. Präsenz schafft Prävention.
Geht dieses Konzept auch in der Kernaltstadt auf?
Dass es dort lauter ist als anderswo, das kann man nicht wegdiskutieren – und es wird dort auch immer laut sein. Wir versuchen aber weiter, die Lautstärke mit verschiedenen Maßnahmen einzudämmen.
Und die wären?
Über die Night Coaches haben wir ja bereits gesprochen. Das ist auch eine Budgetfrage: Im Moment haben wir sechs Night Coaches, mehr wären natürlich besser. Wir sprechen aber auch mit den Gastronomen, wenn Beschwerden über bestimmte Kneipen auftreten und versuchen, darauf hinzuarbeiten, dass sie für mehr Ruhe sorgen. Ansonsten wollen wir auch künftig mit Plakaten arbeiten, die auf die Nachtruhe der Anwohner aufmerksam machen.
Aktuell werden Lärmmessungen durchgeführt, um auf Grundlage dessen eine neue Sperrzeitregelung zu finden. Was halten Sie von den aktuellen Kneipenöffnungszeiten: Montag bis Donnerstag bis 1 Uhr, Freitag bis Samstag bis 4 Uhr?
Unter der Woche bis 1 Uhr, das ist ein fairer Kompromiss. Und auch am Wochenende bis 4 Uhr in den Kneipen feiern, reicht. Wer will, kann ja dann noch in einen Club weiterziehen, die länger geöffnet haben. Womit ich nicht glücklich bin, ist der Donnerstag. Dass da um 1 Uhr der Hammer fällt, ist nicht studentenfreundlich. Darüber könnte man noch einmal diskutieren.
Das wird die Bürgerinitiative Leben in der Altstadt (Linda) nicht freuen. Wie ist denn das Verhältnis zu den Anwohnern in der Altstadt?
Ich bin ständig mit Anwohnern in Kontakt. Gerade Mitglieder der Bürgerinitiative besuchen auch sehr stark unsere Sprechstunde. Dann geht es um Lärm, aber auch um Urinieren an Hauswände oder Vandalismus in Gärten. Ich nehme die Anliegen sehr ernst und kann das auch alles nachvollziehen. Niemand hat Lust, dass an seine Hauswand oder in seinen Vorgarten gepinkelt wird. Wir arbeiten an diesen Themen und versuchen, auch da Lösungen zu finden.
Sie sprachen davon, dass man nach 4 Uhr noch in Clubs könnte. Viele gibt es da aber nicht mehr in Heidelberg.
Ja, das Angebot ist leider deutlich geringer als noch, sagen wir, vor einem Jahrzehnt. Aber es bewegt sich auch etwas: Im alten Karlstorbahnhof wird es beispielsweise wieder ein Feierangebot für junge Leute geben, das wird gerade auf den Weg gebracht. Dann entsteht aktuell ein sehr spannendes und kreatives Zwischennutzungsprojekt im ehemaligen Autohaus Bernhard in der Hebelstraße.
Wie steht es denn um das alte "Ziegler" in der Bergheimer Straße?
Die Vermieter, eine Erbengemeinschaft aus Düsseldorf, wollen eine Riesensumme dafür. Das können sich die meisten einfach nicht leisten. Das gleiche gilt auch fürs "Frauenbad" im Alten Hallenbad. Meiner Ansicht nach wäre es eine gesellschaftliche Verpflichtung, dass reiche Vermieter ihre Immobilien auch mal günstiger freigeben, damit Gruppen oder Initiativen etwas ausprobieren können. Aber viele lassen sie lieber leer stehen.
Das Förderprogramm "Junge Feierkultur" hat in diesem Jahr für viel Leben im Jugendkultursektor gesorgt. Sie wollten das Projekt gerne fortführen, nun sind im kommenden Doppelhaushalt keine Gelder dafür eingestellt. Was wollen Sie nun tun?
Das Projekt war ein großer Erfolg. Es gab 43 Veranstaltungen für Menschen ab 16 Jahren, wir hatten 80 Bewerbungen, hätten also noch sehr viel mehr umsetzen können. Dass die Gelder dafür im Doppelhaushalt fehlen, das hat mich auch sehr überrascht, das war ja eine zentrale Forderung des Jugendgemeinderats. Ich denke aber trotzdem, dass das Budget für eine Fortführung des Projekts noch gefunden wird – gerade mit Blick auf die Kommunalwahl 2024.
Ist das dann so wie mit dem Feierbad: Das war zunächst auch ein großer Erfolg, wurde fortgeführt – und war dann eine Pleite.
Eine Pleite war es nicht. Das "Feierbad" wurde nicht mehr nachgefragt, weil wir ab 22 Uhr wegen der Lärmbeschwerden aus Wieblingen so leise sein mussten, dass es nicht mehr attraktiv war. Und dann kam niemand mehr. Das Förderprogramm ist von der Konzeption her ganz anders: Es ermöglicht jungen Menschen in Heidelberg echte Teilnahme und Selbstverwirklichung, weil sie ja selbst Projekte einreichen und durchführen können. Ein großer Dank gilt dabei Steffen Wörner vom Stadtjugendring. Er war mit mir einer der Hauptinitiatoren des Projekts. Ohne Steffen und den Stadtjugendring wäre das niemals so erfolgreich geworden. Da sind wir sehr dankbar.
Sie sprechen immer von "wir". Wo ist eigentlich Ihr Nachtbürgermeister-Kollege Daniel Adler?
Wir haben die Arbeit nun so aufgeteilt, dass er 30 und ich 70 Prozent der Arbeit mache. Daniel arbeitet viel im Hintergrund, kümmert sich um Kampagnen oder die Social Media Kanäle. Aber wir sind im ständigen Austausch und diskutieren alles, was wir tun.
Ihre Stelle wurde kürzlich im Haupt- und Finanzausschuss entfristet. Wie lange wollen Sie denn noch Nachtbürgermeister sein?
Aktuell läuft es gut und macht Spaß. Ich glaube, wir können wirklich einen Mehrwert für die Stadt liefern. Aber irgendwann ist es auch an der Zeit, dass jüngere Personen das Amt übernehmen, die noch näher dran sind und frischen Wind reinbringen. Generell ist es aber sinnvoll, die Stelle längerfristig anzusetzen, damit man sich Netzwerke aufbauen und richtig ankommen kann in der Stadt und bei den Ämtern.
Also wie bei allen anderen Bürgermeistern eine Amtszeit von acht Jahren?
Ich denke, vier würden reichen.
Sie sind auch kürzlich Vater geworden – klappt das denn, Nachtbürgermeister- und Vatersein?
Ja, das ist natürlich herausfordernd, aber lässt sich ganz gut vereinbaren. Die meisten Nachtbürgermeister-Termine sind tagsüber. Klar, man muss auch mal nachts unterwegs sein und sich neue Projekte oder potenzielle Problemfelder anschauen. Aber das hält sich doch in Grenzen.