Wird das Drei-Euro-Ticket abgeschafft?
Diskussion im Mobilitätsausschuss: Die Stadträte wollen Monatsfahrscheine weniger bezuschussen. Schüler sollen künftig 19 Euro zahlen.

Von Holger Buchwald
Heidelberg. Die Nutzung von Bussen und Straßenbahnen könnte für Familien bald teurer werden. Das von der Stadt bezuschusste Drei-Euro-Ticket für Kinder und Jugendliche, Schüler über 18 Jahre und Inhaber des Heidelberg-Passes soll abgeschafft werden – zumindest wenn es nach der Mehrheit im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität (AKUM) geht. Die Zuschüsse für Senioren im Rahmen des Pilotprojekts "HD4Mobility" von 200 Euro pro Person und Jahr sollen ganz gestrichen werden. Endgültig beschlossen ist das noch nicht. Bislang handelt es sich nur um eine Beschlussempfehlung für den Haupt- und Finanzausschuss sowie den Gemeinderat. Er entscheidet am 20. Juli.
Ein Antrag von Stadtrat Michael Pfeiffer (Grün-Alternative Liste) wurde am Ende mit sechs zu zwei Stimmen angenommen. Pfeiffer schlug vor, den Eigenanteil für HD-Pass-Inhaber von drei auf neun Euro anzuheben. Kinder und Jugendliche sollten künftig 19 Euro für ihr Monatsticket bezahlen. Dadurch würden die Zuschüsse, die die Stadt Heidelberg diesem Personenkreis für den Erwerb des Deutschlandtickets (das regulär 49 Euro kostet) und des Jugendtickets Baden-Württemberg (30,40 Euro) bislang bezahlte, deutlich reduziert.
"Wir müssen auch auf unseren städtischen Haushalt schauen", begründete Pfeiffer seinen Vorstoß. Bereits in der Vergangenheit habe er kritisiert, dass die Stadt das Drei-Euro-Ticket nach dem "Gießkannenprinzip" bezuschusse. "Heidelberg hat sehr viele Menschen, die ihren Kindern auch das normale Ticket zahlen könnten", ist der GAL-Stadtrat überzeugt. Außerdem würden einige Kinder, die heute ein Drei-Euro-Ticket besitzen, nun seltener Fahrrad fahren als früher. "Dabei wollen wir sie doch zu unabhängigen Verkehrsteilnehmern erziehen", betont der pensionierte Polizist. Kundenbefragungen hätten überdies gezeigt, dass die meisten, die bislang das Drei-Euro-Ticket nutzten, auch mehr Geld für eine Monatskarte ausgeben würden (siehe Artikel unten).
Die Stadtverwaltung wollte die Laufzeit für das Drei-Euro-Ticket und die Zuschüsse für Senioren um ein weiteres Jahr verlängern – vom 1. September bis zum August 2024 – und erst im nächsten Frühjahr neu in den gemeinderätlichen Gremien über das Projekt diskutieren. Geschätzte 7,2 Millionen Euro hätten für die Fortführung von "HD4mobility" im bisherigen Umfang im Haushalt bereitgestellt werden müssen. Mit einer Verteuerung der Monatstickets und damit einer Absenkung der städtischen Zuschüsse könnten also jährlich Millionen eingespart werden.
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CDU-Stadtrat Jan Gradel hätte sich die Beibehaltung des bisherigen Drei-Euro-Tickets durchaus vorstellen können: "Die Einführung hat wirklich etwas gebracht, wir haben viele Neukunden dazu gewonnen." Bevor man endgültig über eine Preisanpassung entscheide, sollte die Stadt aber detaillierte Zahlen zu möglichen Auswirkungen vorlegen. Wenn man die Zuschüsse für Senioren streiche, die aktuell mit "HD4mobility" 365 Euro im Jahr für den Nahverkehr bezahlen, könnte die Stadt über eine Million Euro einsparen. Wie sich insgesamt die vorgeschlagene Anhebung der Ticketpreise auf den städtischen Haushalt auswirke, werde die Stadtverwaltung bis zum Haupt- und Finanzausschuss am 11. Juli zumindest grob abschätzen können, so Schmidt-Lamontain.
Der fahrscheinlose Nahverkehr für alle ist für die Linke und ihren Stadtrat Bernd Zieger schon seit Jahren ein Traum. "Sicherlich haben wir aber das Problem, dass man das nicht allein aus dem städtischen Haushalt finanzieren kann", gibt er zu. Zumindest für Bedürftige müsse aber das Drei-Euro-Ticket bleiben. Matthias Fehser ("Heidelberger") würde dieses günstige Ticket gerne auch für Familien retten: "Ich sehe das als Geschäftsmann. Wenn ich ein Projekt starte, mache ich das nicht nur für ein Jahr. Wir sollten das weiter laufen lassen. Falls Anpassungen nötig sein sollten, könnte man den Preis ja immer noch erhöhen."
Sollte der Gemeinderat der Beschlussempfehlung des AKUM folgen, würden das Neun-Euro- und das 19-Euro-Ticket unbefristet gelten. Schmidt-Lamontain begrüßt mit Hinblick auf die Kommunalwahl 2024, dass die Stadträte sich nun eine längere Laufzeit wünschen. "Es ist nämlich nicht realistisch, dass wir im nächsten Jahr hier kurz vor der Wahl eine Diskussion führen, die sich an rationalen Argumenten orientiert."
86 Prozent würden auch mehr bezahlen
Die Stadt wertet das Drei-Euro-Ticket als Erfolg. Ein Drittel stieg vom Auto um. Insgesamt gab es 8500 Neukunden.
Die Stadt Heidelberg bewertet das Projekt "HD4Mobility", zu dem auch das Drei-Euro-Ticket zählt, als großen Erfolg. Zum Stichtag 31. Mai wurden 20.075 Monats- und Jahrestickets von der Stadt bezuschusst. Davon sind 8500 Personen Neukunden der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV). Allein für diesen Monat schlugen die Aufwendungen der Stadt mit rund 600.000 Euro zu Buche.
> Kinder und Jugendliche stellen knapp die Hälfte der "HD4Mobility"-Abonnenten. Jeweils 25 Prozent teilen sich Heidelberg-Pass-Inhaber und Senioren. Die Jugendlichen erhalten für einen Eigenanteil von drei Euro im Monat das Jugendticket Baden-Württemberg, das regulär 30,42 Euro im Monat kostet und im gesamten Bundesland gilt.
> Das Projekt ist zunächst bis zum 31. August befristet. Bevor der Gemeinderat über eine Verlängerung entscheidet, wurde nun im Mobilitätsausschuss eine Kundenbefragung vorgestellt, an der sich 5493 "HD4Mobility"-Nutzer beteiligt hatten.
> "Freizeit und Hobby" nannten die Befragten mit Abstand am häufigsten als Grund für die Fahrten (3089 mal). 2595 nutzten es für Einkäufe, 2363 für einen Arztbesuch, 1514 für den Schul- und 706 für den Arbeitsweg. Mehrfachnennungen waren möglich.
> Ein Drittel der Befragten gab an, dass es normalerweise das Auto für die Fahrt genommen hätte. Etwa die Hälfte sagte, sie wäre auch ohne die Förderung im Rahmen von "HD4Mobility" mit Bus und Bahn gefahren. 15 Prozent der Fahrten ersetzten einen Fuß- oder Radweg
> 86 Prozent der Kinder und Jugendlichen gaben an, dass sie auch mehr als nur den Eigenanteil von drei Euro im Monat für das Ticket bezahlen würden. 11,4 Prozent sind nicht bereit, mehr Geld zu bezahlen. 27,89 Prozent fänden einen Preis von 10 bis 14 Euro angemessen. 10,89 Prozent würden 15 bis 19 Euro bezahlen, 11,5 Prozent sogar 20 bis 24 Euro.
> Selbst 74 Prozent der Inhaber des Heidelberg-Passes, also Menschen mit niedrigem Einkommen oder Sozialleistungsempfänger, würden mehr als nur drei Euro ausgeben. Ein Fünftel, genauer 20,4 Prozent, wären dazu nicht bereit.