Jetzt liegt ein Gebührenmodell auf dem Tisch
Der Kinder- und Jugendbeirat beriet über eine Einkommensstaffelung bei der Kinderbetreuung. Die Freien Wähler, CDU und FDP sind weiter dagegen.

Symbolfoto: dpa
Weinheim. (cis) Schon die Frage danach, ob das Modell geprüft werden sollte, hatte im Gemeinderat im November 2022 ein geteiltes Echo hervorgerufen. Nun ist die Prüfung beendet – und auf dem Tisch liegt ein Vorschlag für ein einkommensabhängiges Gebührenmodell zur Kinderbetreuung.
Die Eckdaten orientieren sich am "Heidelberger Modell". Allerdings werden auf Wunsch der freien Träger für Weinheim nur fünf statt sechs Einkommensstufen als Basis für die Berechnung des Betreuungssatzes veranschlagt. Zudem sollen laut Vorschlag der Verwaltung feste Zu- und Abschläge in Höhe von 20 Prozent für die Stufen gelten, ausgehend von Stufe 3, die den bisherigen Kostensätzen entspricht. Herangezogen zur Berechnung wird zudem weiterhin die Anzahl der Kinder bis 18 Jahren in einer Familie.
Was heißt das in Zahlen? Für ein Kind – älter als drei Jahre, ohne Geschwister – müsste in der Stufe 1 bei einer Ganztagsbetreuung ein Betrag von 171 Euro gezahlt werden, in der Stufe 5 wären 399 Euro Betreuungsgebühr pro Monat fällig. Bei einem Krippenplatz beliefen sich die Beiträge bei nur einem Kind in der Familie in Stufe 1 auf 384 Euro, in Stufe 5 auf 896 Euro.
Die Meinungen im Kinder- und Jugendbeirat, der am Mittwoch als erstes Gremium über das Thema beriet, zeigten sich deckungsgleich zu jenen, die schon beim Prüfungsbeschluss zu hören waren. Auf der einen Seite standen die Gegner, die sich aus Freien Wählern, CDU und FDP zusammensetzten. Der Tenor: Die Gerechtigkeit muss über Steuern und Transferleistungen erreicht werden.
Die Freien Wähler monierten zudem mögliche Diskriminierung, wenn Kindergärten sich die zahlungsstärksten Familien aussuchen. Zudem ist aus ihrer Sicht keine Finanzplanung für die Kitas möglich, da die Einrichtungen nicht wissen, welche Gebühren im kommenden Jahr zu erwarten sind.
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Die CDU bemängelte, dass mit dem Vorstoß der einkommensabhängigen Gebühren das Gegenteil von Entbürokratisierung erreicht werde. Das Modell sieht vor, dass Kindergärten stichprobenartig die Angaben der Eltern überprüfen. Eltern müssen im Schnitt – je nach Einstufung – 28 Euro pro Platz und Jahr für den Verwaltungsaufwand zahlen. Die drei Fraktionen waren sich einig, dass Umverteilung und Gerechtigkeit nur durch gebührenfreie Kinderbetreuung erreicht wird.
Das war auch in den Reihen der Befürworter unstrittig. Nur zeigt das Land Baden-Württemberg derzeit keine Bewegung in diese Richtung. So hielten GAL, SPD und "Die Linke" es für angezeigt, vor allem Familien, die aufgrund des geringen Überschreitens der Einkommensgrenze kein Anrecht auf Transferleistungen haben, durch das modifizierte Gebührenmodell zu entlasten. Es gehe schließlich nicht nur um generelle Betreuungsangebote, sondern um bezahlbare Betreuung, hieß es seitens der GAL.
Der finanzielle Ausgleich, so betonte "Die Linke", könnte finanzschwächeren Familien eine bessere Lebensqualität bieten, ohne finanzstarken Familien eine spürbare Verschlechterung zu bereiten. Die drei Befürworter-Fraktionen wussten in ihrer Argumentation den Gesamtelternbeirat von Krippe, Kindergarten und Hort an ihrer Seite.
"Die Eltern würden ein solches Modell bevorzugen", schilderte dessen Vorsitzende, Esther-Maria Loos, die an sie gerichteten Rückmeldungen aus den Reihen der Eltern. Das gilt, so sagte sie, auch für die einkommensstärkeren Familien. "Ich habe noch nichts anderes gehört", so Loos. Es würde seitens der Eltern auch an ihn mehr und mehr der Wunsch nach einem einkommensabhängigen Betreuungsmodell herangetragen, hatte OB Manuel Just in seiner Einführung zum Thema bestätigt. Er führte dies auf das "Gefühl von mehr Gerechtigkeit" zurück.
Die Rückmeldungen der Träger waren derweil so unterschiedlich wie die Meinungen im Beirat. Die katholischen Einrichtungen, der Postillion wie auch die Awo und das Pilgerhaus würden sich dem Modell anschließen, wobei die Awo als Voraussetzung einen Ausgleich für die an ihren Standorten wahrscheinlichen Gebühreneinbußen wünscht.
Vonseiten der evangelischen Träger wurde der Vorschlag einer Anpassung der Einkommensstufen 3 bis 5 gemacht, um Familien in diesen Bereichen nicht über Gebühr zu belasten. Zudem sollen Alleinerziehende durch ein "Zählkind" in der Familie zusätzliche Entlastung erfahren. Der Träger der Kita "Bärenbande" lehnte das neue Gebührenmodell ab, müsste sich aber laut Aussage der Verwaltung durch vertragliche Vereinbarungen dennoch anpassen.
Ob das Gebührenmodell kommt, ist fraglich. Zum einen, das verdeutlichte OB Just, ist ihm die Zustimmung aller Träger wichtig. Die ist derzeit nicht absehbar. Zum anderen steht im Gemeinderat eine Mehrheit der konservativen Kräfte, die das Modell – selbst bei Befürwortung aus den Reihen der Elternvertreter und Träger – kippen könnte. Die Prüfung war schließlich nur beschlossen worden, weil die Reihen von Freien Wählern, CDU und FDP nicht gefüllt waren.
Befassen wird sich der Gemeinderat mit dem Thema erst wieder im Herbst. Die Empfehlung des Ausschusses lautete auf Einführung des Modells. Die Mehrheit kam dabei erneut durch Elternvertretung und kirchliche Träger zustande. Sie haben im Herbst keine Stimme.