Heidelberg

Diese wichtige Arbeit leistet das Childhood-Haus von Königin Silvia

Bei ihrem letzten Besuch eröffnete Königin Silvia das Childhood-Haus. Damit wurde eine Lücke beim Kinderschutz geschlossen.

26.05.2023 UPDATE: 26.05.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden
Das Childhood-Haus ist auf dem Klinik- und Unigelände in der Voßstraße 2 untergebracht. Foto: Rothe

Von Julia Schulte

Heidelberg. Gut dreieinhalb Jahre ist es her, dass Königin Silvia von Schweden das letzte Mal ihre Geburtsstadt besuchte. Bei dieser Gelegenheit eröffnete sie auch das Childhood-Haus in Bergheim, wo Kinder und Jugendliche, die von Vernachlässigung sowie körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen sind, versorgt werden. Die von der Königin gegründete Childhood-Stiftung, die sich für die Rechte dieser Kinder einsetzt, stellte über drei Jahre die Anschubfinanzierung sicher. Und genau dafür sind ihr die Verantwortlichen bis heute dankbar: "Wir sehen den Mehrwert des Hauses in unserer täglichen Arbeit", sagt Idil Reineke.

Hintergrund

> Das Heidelberger Childhood-Haus ist das erste in Baden-Württemberg und das zweite deutschlandweit.

> Um Kinder und Jugendliche zwischen null und 18 Jahren kümmern sich dort zwei Sozialpädagoginnen, zwei Ärztinnen und eine Psychologin. Telefonisch erreichbar

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> Das Heidelberger Childhood-Haus ist das erste in Baden-Württemberg und das zweite deutschlandweit.

> Um Kinder und Jugendliche zwischen null und 18 Jahren kümmern sich dort zwei Sozialpädagoginnen, zwei Ärztinnen und eine Psychologin. Telefonisch erreichbar unter 06221 / 56-32430 sind sie montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr.

> Träger ist das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg. Finanziert wurde es 2022 durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration. Über Spenden, etwa für Spielzeuge, freuen sich die Verantwortlichen.

> Mehr Information zum Childhood-Haus gibt es auf der Homepage.

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Die Sozialpädagogin führt mit der Kinder- und Jugendmedizinerin Stephanie Karch, der Leiterin des Hauses, durch die ambulante Einrichtung. Das Besondere: Alle nötigen Gespräche und Untersuchungen können hier unter einem Dach stattfinden – von der Beratung über die medizinische Untersuchung und die forensische Dokumentation bis hin zur Befragung durch die Kriminalpolizei. Das Childhood-Haus, das auf einer Etage in einem Gebäude auf dem Klinikgelände in der Voßstraße 2 untergebracht ist, mutet nicht an wie eine Arztpraxis – im Gegenteil: "Unsere Einrichtung ist wie eine Wohnung aufgebaut, die Kinder und ihre Familien sollen sich hier wohlfühlen", erklärt Reineke.

Zum Beispiel im Warteraum: Eingerichtet wie ein gemütliches Wohnzimmer, können Kinder hier in ruhiger Atmosphäre spielen. Weil immer nur ein Kind im Haus ist und keine Paralleltermine vereinbart werden, herrscht auch auf dem Gang keine Hektik. Die Bedeutung einer solchen "kinderfreundlichen Umgebung" betonte Königin Silvia auch im RNZ-Interview bei ihrem letzten Besuch; zudem sei es wichtig, dass "eine ruhige Atmosphäre herrscht und die Experten nicht dauernd unterbrochen werden".

Im Heidelberger Childhood-Haus gilt das auch für den Vernehmungsraum. Wurde nämlich eine Anzeige gestellt, kann die kriminalpolizeiliche und auch die vorgezogene richterliche Vernehmung ebenfalls im dort stattfinden. "Dadurch muss das Kind nicht zu verschiedenen Stellen gehen", erklärt Reineke. Dieses Prinzip der Wohlfühlatmosphäre würden auch die Kooperationspartner schätzen, so Karch – die Polizisten wüssten etwa, dass Vernehmungen im Childhood-Haus gut klappen. In den Ecken des Raumes befinden sich drei Kameras, die Vernehmungen werden aufgenommen. "So können die Aufnahmen vor Gericht verwendet werden, und die Kinder müssen dort nicht erscheinen", so Reineke.

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Auch im ärztlichen Behandlungszimmer herrscht Wohlfühlatmosphäre: Blick auf den Neckar, ein mit Wolken bedrucktes Deckensegel. Hier erfolgen die medizinische Begutachtung und die forensische Dokumentation. Hautabstriche für die Spurensicherung, Blutabnahme, Urinprobe – all das ist hier möglich. Neben der Kinderärztin ist auch immer ein Rechtsmediziner bei der Untersuchung dabei. "Wir machen nichts gegen den Willen der Kinder", betont Karch. In der Regel würden die Untersuchungen gut ablaufen, da die Sozialpädagoginnen die Kinder darauf vorbereiten und die einzelnen Schritte vorab erklären.

Nur ein Raum ist eher spartanisch eingerichtet – und streng genommen ist er nicht direkter Teil des Childhood-Hauses, denn er ist räumlich abgetrennt: das Beschuldigtenzimmer, in das die Vernehmung übertragen werden kann. Denn der Beschuldigte hat das Recht, bei der vorgezogenen richterlichen Vernehmung dabei zu sein. "Diese Möglichkeit wird aber wenig genutzt", sagt Reineke.

Bevor die Kinder oder Jugendlichen das Haus betreten, erfolgt ein telefonischer Erstkontakt mit einer der beiden Sozialpädagoginnen. "Oft werden wir von den Jugendämtern kontaktiert, aber auch von Eltern, Schulsozialarbeitern, Beratungsstellen oder Kinderärzten", so Karch. Das Angebot ist bewusst niederschwellig: "Jeder mit einem Verdacht – etwa Verletzungen, die man sich nicht erklären kann – kann sich an uns wenden", so Reineke. 45 Kinder wurden so im ersten Quartal dieses Jahres betreut, 87 Beratungen insgesamt durchgeführt.

Als die Königin ihre Stiftung 1999 gründete, war die Situation für Kinder noch anders: Damals hätte man Kindern nicht zugehört, so Silvia im Interview, und weiter: "Was Kindern Schlimmes widerfährt, war in vielen Ländern mit einem Tabu belegt, man sprach nicht darüber."

Die Kinder- und Jugendärztin Stephanie Karch (l.) und die Sozialpädagogin Idil Reineke. Foto: Priebe

Dank Einrichtungen wie dem Childhood-Haus ist das heute anders – und auch dringend nötig: Nach Zahlen der unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs wurden 2022 rund 15.500 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch angezeigt, das Dunkelfeld ist wohl erheblich größer. So geht die Weltgesundheitsorganisation davon aus, dass bis zu eine Million Kinder und Jugendliche in Deutschland bereits sexuelle Gewalt erfahren haben. Reinekes Bilanz nach dreieinhalb Jahren: "Wir werden in Anspruch genommen, die Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern läuft sehr gut." Und: "Obwohl Heidelberg beim Kinderschutz schon vorher gut aufgestellt war: Wir haben eine Lücke geschlossen."

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