Das sagt Königin Silvia der RNZ über ihre Liebe zu Heidelberg
So wichtig ist ihr das Engagement für Kinder - "Ich bin öfter in Heidelberg als Sie wissen"

Nach der Einweihung des Childhood-Hauses im Altklinikum in Bergheim nahm sich Königin Silvia von Schweden 20 Minuten Zeit, um im Gespräch mit RNZ-Redakteur Timo Teufert über ihre Stiftung und über ihre Erinnerungen an Heidelberg zu sprechen. Foto: Philipp Rothe
Von Timo Teufert
Heidelberg. Als die versammelte deutsche und schwedische Presse am Donnerstag das Childhood-Haus verlassen hat und nur noch vereinzelt kleine Besuchergruppen durch die Räume geführt werden, wird es langsam ruhiger in dem neuen Zentrum für Kinder und Jugendliche, die Opfer oder Zeugen von körperlicher Gewalt oder sexuellem Missbrauch geworden sind.
Im Wartebereich des Hauses, in dem zwei große fliederfarbene Sessel stehen, empfängt Königin Silvia von Schweden RNZ-Redakteur Timo Teufert und Fotograf Philipp Rothe zum Exklusiv-Interview. In dem offenen 20-minütigen Gespräch findet die gebürtige Heidelbergerin sehr persönliche Worte über ihre Geburtsstadt, die Bedeutung ihrer Arbeit für die World-Childhood-Stiftung und die bunten Bilder an den Wänden, die Schüler der Elisabeth-von-Thadden-Schule gemalt haben.
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Hintergrund
Childhood-Haus-Eröffnung im Altklinikum - Kinder der schwedischen Schule sangen für Königin Silvia
Am Ende muss es dann doch schnell gehen: Nachdem am Donnerstagnachmittag die ersten dunklen Limousinen mit der Ehefrau des Bundespräsidenten, Elke
Childhood-Haus-Eröffnung im Altklinikum - Kinder der schwedischen Schule sangen für Königin Silvia
Am Ende muss es dann doch schnell gehen: Nachdem am Donnerstagnachmittag die ersten dunklen Limousinen mit der Ehefrau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, und Innenminister Thomas Strobl vor dem Childhood-Haus im Altklinikum in Bergheim vorgefahren sind, muss rasch noch die Plastikfolie entfernt werden, die bis dahin dafür sorgen sollte, dass der rote Teppich möglichst lange seine strahlende Farbe behält. Bis Königin Silvia am Childhood-Haus eintrifft, vertreiben sich die Ehrengäste die Zeit: "First Lady" Büdenbender plaudert zunächst mit der Mutter eines Kindes, das später für die Königin singen wird, dann mit Oberbürgermeister Eckart Würzner und seiner Frau Janine. Strobl unterhält sich unterdessen mit Polizeipräsident Andreas Stenger.
Nach und nach treffen schließlich die Ehrengäste ein, die mit Bussen vom Festakt in der Altstadt zum Childhood-Haus gebracht werden. Darunter sind auch der älteste Bruder der Königin, Ralf de Toledo-Sommerlath, seine Frau Charlotte sowie sein Sohn Thomas Sommerlath. Für die Öffentlichkeit ist der Bereich um Gebäude "4040", in dem sich auch die Verkehrsmedizin des Instituts für Rechtsmedizin befindet, weiträumig abgesperrt. So bleibt Beschäftigten von Uniklinik und Universität nichts anderes übrig, als aus den Fenstern das Treiben in ihrer Nachbarschaft zu verfolgen.
Als die Monarchin endlich eintrifft, fällt langsam die Anspannung von den elf Schülern der Schwedischen Schule der Deutsch-Schwedischen Gesellschaft Heidelberg ab, die mal mehr, mal weniger geduldig auf diesen Moment gewartet haben. Sie haben zwei Lieder einstudiert: "Pippis Sommerlied" auf Schwedisch und "Unsere Welt ist klein, so klein" auf Deutsch und Schwedisch. Die Königin applaudiert anerkennend. "Dieser Tag bedeutet den Kindern viel. Einige sind extra früher aus den Ferien gekommen, um hier dabei zu sein", so ihre Lehrerin Ylva Ureland. Und ihre Kollegin Yjollca Potoku sagt: "Wir waren aber fast aufgeregter als die Kinder. Es ist einfach ein Traum, unsere Königin zu treffen."
Nach der Begrüßung durch die Kinder schaut sich Königin Silvia die neuen Räume des Childhood-Hauses an. Es ist ein interdisziplinäres und behördenübergreifendes Zentrum für Kinder, die Opfer und Zeugen von Gewalt oder sexuellem Missbrauch wurden. Dort arbeiten Ärzte, Richter, Staatsanwälte, Polizisten und das Jugendamt zusammen. Die Kinder können zu Befragungen kommen, werden medizinisch und psychologisch untersucht und erhalten alle notwendigen therapeutischen Hilfestellungen durch das besonders geschulte Fachpersonal - in einer freundlichen, angstfreien Umgebung.
Erst nach der Begehung schneidet Silvia zusammen mit Strobel, Büdenbender, OB Würzner und Uniklinik-Chefin Annette Grüters-Kieslich das rote Band zur Eröffnung durch.
Und dann dürfen auch die anderen Gäste das Haus in Augenschein nehmen. Die Königin fährt gegen 16.30 Uhr weiter. Der Vorplatz vor dem Childhood-Haus ist da schon menschenleer. (tt)
Majestät, Sie sind heute zur Eröffnung des zweiten deutschen Childhood-Hauses in Ihrer Geburtsstadt. Wie wichtig ist es denn für Sie, mit Ihrer Stiftung nun auch in Heidelberg vertreten zu sein?
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Das erste Childhood-Haus in Deutschland wurde ja in Leipzig gegründet. Das hat mich sehr gefreut hat, weil es ein Musterbeispiel ist. Dass Heidelberg nun nachzieht, freut mich natürlich unheimlich, weil ich gemerkt habe, dass man das Problem hier verstanden, zugepackt und das Haus in ganz kurzer Zeit ermöglicht hat. Natürlich haben die Fachleute in Heidelberg auch schon vorher gut gearbeitet, aber im Childhood-Haus haben jetzt alle beteiligten Institutionen ein gemeinsames Zuhause. Es ist so wichtig, dass die Kinder in einer kinderfreundlichen Umgebung begrüßt werden, eine ruhige Atmosphäre herrscht und die Experten nicht dauernd unterbrochen werden. Im Childhood-Haus steht die Frage im Zentrum: Wie kann man den Kindern helfen? Es erfüllt mich mit Stolz, dass mein Heidelberg das umgesetzt hat.
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In Deutschland sind noch weitere Childhood-Häuser in Berlin, Offenburg und Düsseldorf geplant. Haben Sie, als Sie die Stiftung 1999 gegründet haben, geglaubt, dass sich die Idee derart durchsetzen wird?
Die Gründung ist lange her, das war vor 20 Jahren. Da gab es eine andere Situation. Heute gibt es in der ganzen Welt "Me too", wo Frauen, die ausgenutzt wurden, auf sich aufmerksam machen. Dass sie so ein Gehör gefunden haben, finde ich unheimlich wichtig. Aber vor 20 Jahren hat man Kindern nicht zugehört. Was Kindern Schlimmes widerfährt, war in vielen Ländern mit einem Tabu belegt, man sprach nicht darüber. Auch für mich war es nicht einfach, darüber zu sprechen - als Frau, als Mutter und als Königin. Doch ich dachte mir: Wenn keiner darüber spricht, kann man es auch nicht ändern. Das bewegte mich, weiter zu machen und die World Childhood Stiftung in Schweden, Deutschland, Brasilien und den USA zu gründen. Heute haben wir jährlich 100 gute Projekte, die wir sehr umsichtig und verantwortungsvoll umsetzen.
Sie feiern in Heidelberg das 20-jährige Bestehen Ihrer Stiftung auf dem Schloss. Erinnern Sie sich an Ihren ersten Staatsbesuch hier in Heidelberg?
Ja, das tue ich: Das war 1979. Waren Sie da schon geboren?
Nein, ich bin erst ein Jahr später auf die Welt gekommen ...
Aber ja erinnere ich mich. Es war eine merkwürdige Situation, weil ich Prinz Carl Philip erwartete, im achten Monat. Das war etwas kompliziert. Ein Staatsbesuch in Deutschland war natürlich das erste, was man nach der Hochzeit 1976 auch von deutscher Seite aus organisieren wollte. Aber dann erwartete ich Viktoria und wir mussten die Planungen einstellen. 1979 wagte ich dann nicht, zum zweiten Mal abzusagen. Es war fantastisch: Alle Heidelberger waren auf den Beinen, man musste einen Ring von Sicherheitsleuten um mich bilden, damit ich mich bewegen konnte. Aber es gab viel Herzlichkeit, auch dem König gegenüber. Es war wirklich sehr schön. Außerdem schleiche ich mich ja hin und wieder nach Heidelberg. Meine Eltern sind ja hier beerdigt, auch mein Bruder. Ich bin öfter in Heidelberg als Sie wissen.
Wenn Sie in Heidelberg sind, gibt es da ganz besondere Erinnerungen, die Sie an Ihre Kindheit haben?
Natürlich! Nicht nur, dass mein Vater in Heidelberg geboren ist, meine Mutter hat ihn 1943 in den gefährlichen Jahren auch wieder von Berlin hierhergebracht. Meine Brüder waren hier in der Schule, ich bin hier geboren - und das verbindet natürlich. Ich weiß noch, wenn mein Vater an einer bestimmten Brücke vorbeifuhr, sprach er immer im Heidelberger Dialekt und erzählte uns viel von seinen Späßen in der Schulzeit. Deshalb ist die Stadt ganz lebendig in unserer Familie. Als wir 1957/58 zurück nach Heidelberg kamen, war das Haus noch nicht hergerichtet: Bis es fertig war, war ich im Internat in Wieblingen. Das waren meine ersten Erlebnisse in Deutschland: Schule. "Noch nicht auf Klassenstand", hieß es damals über mich - und das war ich auch tatsächlich noch nicht. Wieblingen war besonders interessant, eine gute Schule, streng, es waren damals nur Mädchen. Ich habe hier meinen ersten Schnee und mein erstes Adventssingen erlebt. Das war eine schöne Zeit.
Ihre Stiftung hat ja bei der Einrichtung des Childhood-Hauses viel Wert auf die Verbindung zu Ihrer alten Schule, der Elisabeth-von-Thadden-Schule, gelegt: Alle Bilder in den Räumen sind von den Schülern dort.
Das ist ein ganz entzückender Gedanke und da bedanke ich mich sehr beim Team von Childhood Deutschland. Das ist besonders nett, die Verbindung zwischen der Schule und den Kindern, die hier betreut werden.
Hat letztendlich Ihre Stiftung mit dafür gesorgt, dass man mehr über das Thema sexueller Missbrauch spricht?
In vielen Ländern ist es ja noch immer ein Tabuthema. Das Childhood-Haus ist natürlich ein Symbol geworden: Wir haben in Schweden 37 Häuser, zwei in Deutschland und ich weiß, dass viele nachziehen werden. Darüber freue ich mich. Wir sind aber auch in anderen Bereichen aktiv: Vor vielen Jahren haben wir in Schweden einen Anruf von einem jungen Ingenieur bekommen, der etwas gegen Pädophilie machen wollte. Er hat das Computerprogramm "Netclean" mit finanzieller Hilfe von Childhood entwickelt, das Firmen installieren können, um Mitarbeiter, die während der Arbeitszeit kinderpornografisches Material herunterladen, der Polizei zu melden. So hat man in Schweden viele Pädophile gefunden. So haben wir dafür gesorgt, dass auch im Alltag über dieses Thema gesprochen wird.
Eine letzte Frage zu Heidelberg: Wenn Sie in Stockholm sind, was kommt Ihnen da zuerst in den Sinn, wenn Sie an Heidelberg denken?
Ich muss sagen, die Herzlichkeit der Menschen. Wirklich, ich habe Freunde - Freunde überall. Und wenn ich durch Heidelberg gehe, fühle ich, dass mir alle freundlich gesinnt sind. Und das in einer Herzlichkeit, die wirklich bewegend ist. Ich habe auch verschiedene Ständchen bekommen. Es ist also immer sehr nett.