World-Childhood-Stiftung

Weil jedes Jahr Tausende Kinder leiden

Am Donnerstag eröffnet Königin Silvia das neue Childhood-Haus für junge Opfer von sexuellem Missbrauch - Die Zahlen zeigen: Hilfe ist dringend nötig

04.09.2019 UPDATE: 05.09.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden

Im Gebäude der Rechtsmedizin im Altklinikum Bergheim befindet sich in der ersten Etage das "Childhood-Haus". Foto: Rothe

Von Timo Teufert

Heidelberg. Die World-Childhood-Stiftung wurde vor 20 Jahren von Königin Silvia von Schweden mit dem Ziel gegründet, das Recht der Kinder auf eine sichere und liebevolle Kindheit zu schützen und die Lebensbedingungen derjenigen Kinder zu verbessern, die Gewalt und sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind. Mit Ablegern in Schweden, Deutschland, Brasilien und den Vereinigten Staaten engagiert sich die Stiftung weltweit für den Schutz der Kinderrechte und für die Verbesserung der Lebensumstände von gefährdeten und ausgebeuteten Kindern.

Auch in Deutschland will sie immer mehr Childhood-Häuser als Anlaufstellen für die Opfer aufbauen: Heute eröffnet Silvia von Schweden das nach Leipzig zweite, deutsche Childhood-Haus in Heidelberg. Wie nötig die Arbeit der Stiftung ist, belegen die Zahlen.

Hintergrund

Viele Hilfen in Sachen Kinderschutz

Kinderschutz hat in Heidelberg einen Namen: "HEIKE", die Kurzform für Heidelberger Kinderschutz Engagement. Der Name steht bundesweit für ein Modell interdisziplinärer Kooperation zum Schutz von Kindern und

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Viele Hilfen in Sachen Kinderschutz

Kinderschutz hat in Heidelberg einen Namen: "HEIKE", die Kurzform für Heidelberger Kinderschutz Engagement. Der Name steht bundesweit für ein Modell interdisziplinärer Kooperation zum Schutz von Kindern und Jugendlichen und der frühen Hilfen für Familien. Seit mehr als zehn Jahren und damit lange vor dem Bundeskinderschutzgesetz von 2012 arbeiten Stadt, Universitätsklinikum, niedergelassene Ärzte, Beratungsstellen und viele andere Partner gemeinsam daran. Außerdem gibt es noch weitere Hilfen:

> Das Familienbüro, Plöck 2a, wurde 2013 mit dem Serviceangebot "Willkommen im Leben! Informationen für Eltern mit Neugeborenen" eröffnet. Die Beratung ist ein präventives, niedrigschwelliges Angebot, das von Eltern freiwillig in Anspruch genommen werden kann. Ziel ist es, die Eltern über Unterstützungsmöglichkeiten und Anlaufstellen zu informieren.

> Die Anlaufstelle Frühe Hilfen ist eine Kooperation zwischen dem Uniklinikum und der Stadt. Das Projekt startete 2009 und schlägt eine Brücke zwischen Jugendhilfe und Gesundheitswesen. Damit steht Eltern mit ihren Kindern schon ab der Zeit der Schwangerschaft Unterstützung zur Verfügung. Auftrag der Anlaufstelle im West-Turm der Marsilius Arkaden, Im Neuenheimer Feld 130.3, ist es, Familien durch die sensible Phase der frühen Kindheit zu begleiten und belasteten Familien eine passende Hilfe zu vermitteln.

> Mehrere Eltern-Kind-Gruppen, die den Kontakt zwischen den Eltern und das gemeinsame Spiel zwischen und mit den Kindern ermöglichen sollen bietet das Familienbüro an. Darüber hinaus treffen sich dort selbst organisierte muttersprachliche Gruppen. Außerdem gibt es eine Vielzahl themenbezogener Eltern-Kind-Angebote mit den Schwerpunkten Sport/Bewegung, Musik, Elternbildung oder zum Austausch für Eltern in besonderen Lebenslagen.

> Beratungsangebote stehen für Eltern in der Schwangerschaft, mit Säuglingen oder Kleinkindern zur Verfügung, etwa die Schreiambulanz für Säuglinge, die Erziehungsberatung oder die Elternberatung an Kitas, die Allgemeine Sozialberatung, die Beratungsstellen für Menschen mit Migrationshintergrund, die Ehe-, Familien- und Lebensberatung, Psychologische Beratung, die Suchtberatung, die Hilfe bei häuslicher Gewalt und viele andere.

> Mit heilpädagogischen Hilfen in Kindertagesstätten fördert die Stadt die Kinder, die einen entsprechenden Unterstützungsbedarf haben. Heidelberg gilt außerdem als eine der Vorreiterkommunen in der Schulsozialarbeit. Das niederschwellige Jugendhilfeangebot gibt es flächendeckend an allen Schulen.

> Erzieherische Hilfen und Schutzmaßnahmen des Kinder- und Jugendamts: Wenn die Ressourcen des Familiensystems, des sozialen Umfeldes und der strukturellen Angebote nicht mehr ausreichen, um eine Erziehung zu gewährleisten, die dem Wohl des Kindes entspricht, besteht für die Sorgeberechtigten ein Rechtsanspruch auf Hilfen zur Erziehung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII). Diese Hilfen erhalten Familien vom Jugendamt in Kooperationen mit den freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe. (tt) 

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> Die Zahlen: Im Jahr 2018 sind laut polizeilicher Kriminalstatistik 136 Kinder gewaltsam zu Tode gekommen. Fast 80 Prozent von ihnen waren zum Zeitpunkt des Todes jünger als sechs Jahre. In 98 Fällen blieb es bei einem Tötungsversuch. Bei den Zahlen zu Misshandlungen ist ein leichter Rückgang von 4247 auf 4180 betroffene Kinder zu verzeichnen. Im Bereich sexuelle Gewalt sind die Delikte des sexuellen Missbrauchs von Kindern um 6,43 Prozent gestiegen. Insgesamt waren 14.606 Kinder von sexueller Gewalt betroffen. Das sind 40 Fälle pro Tag, die angezeigt werden. Opfer dieser Straftaten sind zu etwa 75 Prozent Mädchen und 25 Prozent Jungen. Hinzu kommen Fälle von sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Jugendlichen sowie etwa 7000 Fälle wegen sogenannter Kinder- und Jugendpornografie.

> Die Dunkelziffern sind laut des unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs weitaus höher: Forschungen aus den vergangenen Jahren gehen davon aus, dass jeder Siebte bis Achte in Deutschland sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend erlitten hat. "Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass eine Million Kinder und Jugendliche in Deutschland sexuelle Gewalt erleben oder erlebt haben", berichtet Andrea Möhringer, die Geschäftsführerin der Word-Childhood-Stiftung in Deutschland. Statistisch gesehen bedeutet dies, dass es in jeder deutschen Schulklasse ein bis zwei Schüler gibt, die Opfer sexueller Gewalt durch Erwachsene geworden sind. Das ist das Ergebnis der Mikado-Studie der Universität Regensburg, die 2015 veröffentlicht wurde.

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> Kontext: Sexuelle Gewalt findet nach Angaben von Johannes-Wilhelm Rörig, dem unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, am häufigsten innerhalb der Familie (etwa 25 Prozent) sowie im sozialen Nahraum und im weiteren Familien- und Bekanntenkreis, zum Beispiel durch Nachbarn oder Personen aus Einrichtungen oder Vereinen, die die Kinder und Jugendlichen gut kennen (etwa 50 Prozent) statt. Sexuelle Gewalt durch Fremdtäter ist eher die Ausnahme. Zunehmend finden Übergriffe aber auch im digitalen Raum statt.

> Täter und Täterinnen: Sexueller Missbrauch findet laut Rörig in etwa 80 bis 90 Prozent der Fälle durch Männer und männliche Jugendliche statt, zu etwa zehn bis 20 Prozent durch Frauen und weibliche Jugendliche. Sowohl Täter als auch Täterinnen missbrauchen sowohl Mädchen als auch Jungen. Missbrauchende Männer stammen aus allen sozialen Schichten, leben hetero- oder homosexuell und unterscheiden sich durch kein äußeres Merkmal von nicht missbrauchenden Männern. Über missbrauchende Frauen wurde in Deutschland bislang wenig geforscht. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sexueller Missbrauch durch Frauen seltener entdeckt wird, weil solche Taten Frauen kaum zugetraut werden. Frauen sind eher Einzeltäterinnen, missbrauchen aber auch zusammen mit einem männlichen Partner beziehungsweise unter dessen Einfluss.

Info: Die World-Childhood-Stiftung finanziert ihre Projekte über Spenden. Das Spendenkonto lautet:

Schwäbische Bank

IBAN: DE96 6002 0100 0000 0022 22

Ort des Geschehens

BIC: SCHWDESS

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