Das Woolworth-Kaufhaus soll aufgestockt werden
Eine Stuttgarter Immobilienfirma plant, auf dem Dach Wohnungen zu bauen. Ein Nachbar will sich gegen das "grauenhafte Monster" wehren.

Von Timo Teufert
Wiesloch. Außer den Verkaufsflächen von Woolworth und C & A sowie der Trainingsfläche eines Fitnessstudios gibt es im Woolworth-Kaufhaus in der Wieslocher Innenstadt nur eine Hausmeisterwohnung.
Jetzt plant eine Immobiliengesellschaft aus Stuttgart, das Gebäude umzubauen und aufzustocken: Auf der Dachfläche im Süden des Hauses soll ein Aufbau mit Wohnungen entstehen.
Laut Bauplänen, die der RNZ vorliegen, ragt der Gebäudekomplex in diesem Bereich in Zukunft um fünf Meter mehr, also insgesamt rund 21 Meter in die Höhe. Sehr zum Missfallen der Anwohner in den umliegenden Gassen.
Insgesamt sollen laut Bauantrag sieben neue Wohnungen mit einem Brutto-Rauminhalt von 3960 Kubikmetern geschaffen werden. Den Bauwert setzt der Architekt mit 1,8 Millionen Euro an, 500.000 Euro sollen dabei auf die Rohbaukosten entfallen. Für Fahrräder sind 20 Stellplätze vorgesehen, der Nachweis für Autostellplätze wird über den Parkplatz in der Altwieslocher Straße erbracht.
Auch interessant
"Ich dachte zuerst, dass das Fitnessstudio ausgebaut werden soll", berichtet Anwohner Klaus Auler von seiner Reaktion, als er die Post vom Baurechtsamt bekam.
Umso größer der Schreck, als er die Bauunterlagen des Stuttgarter Immobilienentwicklers einsah: "Das Kaufhaus wurde damals gestaffelt gebaut. Zu den Nachbarn ist es abgestuft", so Auler.
Dies nehme dem massiven Bau etwas die Wuchtigkeit und es gelange so auch noch Licht in die Nachbarschaft. "Die Grundidee, das Gebäude etwas zu gliedern, fällt mit den Planungen weg. Die ,Täler’ in der Dachlandschaft sollen nun aufgefüllt werden", ärgert sich Auler.
Sein Gram: Die neuen Wohnungseigentümer hätten auf dem Dach unbegrenzt Sonne und Licht. "Diese Luxuswohnungen gehen aber zu Lasten der langjährigen Altstadtbewohner", findet Auler. Das wolle er nicht akzeptieren.
Er lebt direkt neben dem Kaufhaus in einem ehemaligen Bauernhof, den er 1974 – nachdem Woolworth gebaut wurde – erworben und umgebaut hat. "Der gehörte Heinrich Ritzhaupt, einem der letzten Altstadtbauern", berichtet er.
Damals habe er sich bei der Sanierung an den Häusern der Umgebung orientiert: "Ich habe alles in derselben Kubatur wieder aufgebaut und nicht etwa ein großes Haus gebaut, nur um den maximalen Profit herauszuziehen", sagt Auler.
Schließlich gebe es eine Altstadtsatzung, nach der sich Bauwerke, Bauteile und Außengestaltung in ihre Umgebung einfügen müssten und durch Neu-, Um- und Anbaumaßnahmen historische oder das Stadtbild prägende Räume, Straßen und Plätze nicht beeinträchtigt werden dürfen.
"Das Kaufhaus hat sich noch nie in die Umgebung der Altstadt eingefügt. Dieser Kasten darf nicht noch größer gebaut werden, sondern gehört abgerissen", findet Auler.
Er verstehe nicht, warum man einem Irrtum der Vergangenheit nun noch eins drauf setzen müsse. "Wenn nun noch in den Bau investiert wird, verfestigt das nur dieses grauenhafte Monster."
Der Immobilienentwickler, der für Nachfragen zu den Plänen für die RNZ nicht erreichbar war, kann laut eigenen Angaben auf seiner Internetseite auf "jahrelange Erfahrung im Bereich der Revitalisierung" von Immobilien zurückblicken.
Er verweist im Bauantrag auf eine Regelung im Baugesetzbuch, "da die Altstadtsatzung von 1977 keine wesentlichen Festlegungen aufweist".
Im entsprechenden Paragrafen heißt es: "Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Fläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist."
Während der Aufbau von der Hauptstraße kaum zu sehen ist, ist er in der Ansicht von Ring- und Dreikönigstraße deutlich auszumachen. Zu diesen beiden Straßen sind auch die Terrassen der neuen Wohnungen ausgerichtet. In der Dreikönigstraße sollen laut den Plänen auch Teile des ersten Obergeschosses in die Planungen integriert werden.
Die Stadt Wiesloch bestätigte auf Nachfrage die Planungen: "Dem Baurechtsamt liegt ein Bauantrag zum Umbau und zur Aufstockung des ehemaligen Woolworth-Gebäudes vor. Dabei sollen zwölf neue Wohneinheiten entstehen."
Das Schaffen von Wohnraum im innerstädtischen Bereich durch Nachverdichtung im Bestand werde von der Verwaltung ausdrücklich begrüßt und unterstützt.
Warum im Bauantrag von sieben Wohnungen die Rede ist und die Stadt von zwölf Einheiten spricht, dazu wollte die Verwaltung keine näheren Auskünfte geben: "Diese zusätzlichen Detailfragen können wir leider nicht für die Öffentlichkeit beantworten", hieß es dazu lapidar aus dem Baurechtsamt.
"Das Vorhaben widerspricht zwar formal den Regelungen der Altstadtsatzung zum Dachbereich", erklärt die Stadt. In der Satzung hieße es, dass Dächer in der Regel mit einer Neigung von mindestens 45 Grad auszuführen seien.
Als Dachform sei in der Regel das Satteldach vorgeschrieben. "Durch die Aufstockung ändert sich die Dachform des bestehenden Gebäudes aber nicht grundlegend. Die Wahrnehmung der obersten Geschosse verändert sich durch die Aufstockung ebenfalls nicht grundlegend", heißt es von der Stadt.
Allerdings seien Abweichungen von den Regelungen der Altstadtsatzung in vergleichbaren Fällen bereits in unmittelbarer Umgebung zugelassen. "Die geplante (Dach-)Begrünung wird begrüßt. Die weiteren Regelungen der Altstadtsatzung zu Materialien und Farbgebung sind einzuhalten", so die Stadt.
"Die Baurechtsbehörde geht zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass das Vorhaben zugelassen werden kann", heißt es in der Stellungnahme. Eine abschließende Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Antrags stehe jedoch noch aus.