Stabwechsel am Völkerkundemuseum
Mit zukunftsfähigen Ideen und gesundem Realismus: Alban von Stockhausen folgt auf Margareta Pavaloi.

Von Ingeborg Salomon
Heidelberg. Alban von Stockhausen zeigte sich bei seiner offiziellen Einführung als Direktor des Heidelberger Völkerkundemuseums als Realist und als Visionär zugleich. Der Ethnologe weiß, dass die Fußstapfen seiner Vorgängerin, Margareta Pavaloi, groß sind, und er weiß auch, dass das Palais Weimar und seine Sammlungen in keinem guten Zustand sind.
Der Sanierungsstau ist gewaltig, und in den Depots schlummern rund 40.000 bisher unbeachtete Exponate. Derzeit sind der neue Direktor und das Kuratorium der von Portheim-Stiftung noch mit der Bestandsaufnahme des Hauses und seiner Objekte beschäftigt. Doch der 45-Jährige ist am 1. Januar 2023 mit viel Energie gestartet, und er hat noch sehr viel vor.
"Ich möchte das Haus für alle Teile der Gesellschaft öffnen, ich möchte die Geschichten hinter den Dingen gut erzählen", unterstrich von Stockhausen. Wie das gehen könnte, erklärte er an einem Beispiel: Als Kurator des Historischen Museum in Bern, seiner letzten Stelle, habe er Besuch bekommen von drei australischen Aborigines. "Sie haben sich für Schwirrhölzer interessiert, flache Holzstücke, die an einer Schnur im Kreis geschwungen werden und dabei Töne erzeugen", erläuterte er. Das diene auch der rituellen Kommunikation mit den Ahnen. Tatsächlich sei diese Kontaktaufnahme offenbar gelungen, denn die Besucher vom anderen Ende der Welt hätten zu singen und tanzen begonnen, "mitten in einem sterilen Depot in einem Schweizer Museum", berichtete von Stockhausen voller Ehrfurcht.
Genau diesen immateriellen Überbau sollen die Exponate des Völkerkundemuseums, die materielle Zeugen aus der Vergangenheit sind, für jeden Besucher erlebbar machen. Dass von Stockhausen dazu auf Digitalisierung sowie auf moderne Vermittlungsmethoden, etwa Medienguides setzt, soll das Haus auch für Lehrer und Schulklassen attraktiv machen. In dem zauberhaften Garten mit Neckarblick könnte eine Cafeteria entstehen, auch für Veranstaltungen soll die Grünanlage geöffnet werden.
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Unterstützung erfährt der neue Direktor bei seinen Plänen vom Kuratorium der Stiftung. Dessen Vorsitzender, Axel Michaels, würdigte die Verdienste von Margareta Pavaloi und ihr "unerschütterliches Engagement trotz mancher Widrigkeiten und sehr begrenzter Ressourcen". Wie begrenzt, machte die Sinologin Barbara Mittler in ihrer Laudatio auf die ehemalige Museumschefin deutlich.
Als die Ethnologin das Haus im Jahr 2000 übernahm, betrug der städtische Zuschuss 7300 Euro. Inzwischen ist die Summe deutlich angestiegen, dieses Jahr unterstütze die Stadt das Museum mit exakt 267.000 Euro, wie Oberbürgermeister Eckart Würzner erklärte. "Ein Posten zum Ausruhen" sei das aber nicht, weiß das Stadtoberhaupt. Für die Universität wies Rektor Bernhard Eitel auf die enge Verbindung der Ruperto Carola zum Völkerkundemuseum hin. Als sogenanntes An-Institut seien dessen Sammlungen sehr wichtig für Forschung und Lehre, diese Allianz gelte es in Zukunft weiter zu stärken und auszubauen.
Dass Margareta Pavaloi und ihr kleines Team, allen voran Robert Bitsch als langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter, enormes geleistet haben, unterstrich Barbara Mittler in ihrer sehr persönlichen Rede. 90 Ausstellungen in 22 Jahren, außerdem Basare, Konzerte, Filmveranstaltungen und Publikationen seien eine stattliche Bilanz. Hinzu komme die erste Inventur nach dem Zweiten Weltkrieg samt Provenienzforschung, denn während und nach der NS-Zeit sind aus dem Museum viele Exponate verschwunden. Auch hier steht noch Arbeit an.
Dass Margareta Pavaloi, die als Mädchen aus Rumänien nach Deutschland kam, in Tübingen studierte und am Lindenmuseum in Stuttgart erste Berufserfahrungen gesammelt hat, zudem zehn Sprachen spricht, war wohl den wenigsten Besuchern des Festaktes bekannt. Den großen Blumenstrauß samt Vase mochte die so Geehrte denn auch gar nicht mehr loslassen, "meine Ohren sind errötet", gestand die Neu-Rentnerin nach so vielen Lobesworten lächelnd.
In seinen ersten rund 100 Arbeitstagen hat der neue Direktor, der mit seiner Familie auch in der Altstadt wohnt, schon einiges geschafft: Gerade wurde die Ausstellung "Comics aus China" eröffnet, bereits am 17. Mai folgt die Schau "Staub und Seide", Thema sind die Handelswege der Seidenstraßen. Auch für die Städtische Bühne hat von Stockhausen das Völkerkundemuseum geöffnet: Am 21., 23., und 24. April wird "Das Stillleben" aufgeführt, das im Oktober 2022 beim Theaterfestival Remmidemmi das Publikum begeisterte. "Ich bin dankbar für die großen Fußstapfen", würdigte er seine Vorgängerin. Dass er neue, ganz eigene hinterlassen wird, ist sicher.