Gefährdet Tempo 30 den Bus-Fahrplan in Neckargemünd?
Die Lärmaktionsplanung sorgt für Streit. Die Verkehrsunternehmen fürchten, dass sie dadurch die Fahrpläne nicht mehr einhalten können. Doch die Stadt bezweifelt dies.

Von Christoph Moll
Neckargemünd. Tempo 30: In immer mehr Ortsdurchfahrten der Region rund um Heidelberg müssen Autofahrer stärker auf die Bremse drücken. Zuletzt wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 Stundenkilometer in Dossenheim gedrosselt. In Neckargemünd hingegen gilt nach wie vor Tempo 50 – und das, obwohl der Gemeinderat bereits vor bald zwei Jahren einen sogenannten Lärmaktionsplan mit Tempo 30 in der kompletten Ortsdurchfahrt beschlossen hat.
Und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Denn zwischen Stadt, Behörden und Busunternehmen tobt ein Streit um das neue Tempolimit.
Die Position des Regierungspräsidiums

Die Behörde ist für die durch Neckargemünd führenden Bundesstraßen B37 und B45 zuständig. "Auf welche Weise Lärmaktionspläne umzusetzen sind, hängt von der Art der darin vorgesehenen Maßnahmen ab", erklärt Sprecherin Irene Feilhauer. "Zum Beispiel sind für bauliche Änderungen die Straßenbaulastträger verantwortlich, während straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen von den Straßenverkehrsbehörden zu treffen sind."
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Im Fall von Neckargemünd liege die Prüfung und Abwägung der verkehrsrechtlichen Einzelmaßnahmen wie Tempo 30 auf den Durchgangsstraßen wie etwa B37 und B45 zunächst in der Zuständigkeit des Landratsamts des Rhein-Neckar-Kreises als unterer Straßenverkehrsbehörde. Maßnahmen zum Schutz vor Lärm und Abgasen bedürfen aber in bestimmten Fällen zusätzlich der Zustimmung der höheren Straßenverkehrsbehörde im Regierungspräsidium.
"Das Landratsamt hat uns mitgeteilt, dass es derzeit die fachrechtlichen Voraussetzungen für die geplanten Geschwindigkeitsbeschränkungen prüft", berichtet Feilhauer. Dabei würden die Fahrzeitverlängerungen für die Linienbusse ein Problem darstellen. "Für das Regierungspräsidium ist nachvollziehbar, dass die damit zusammenhängenden Fragen schwierig zu lösen sind und dass die Abstimmung zwischen Stadt, Verkehrsverbund und Landratsamt eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt", so Feilhauer.
Die Position des Landratsamtes
"Bei der Umsetzung von Maßnahmen des Lärmaktionsplans ist es Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde als Fachbehörde zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen auf der Tatbestandsseite vorliegen und das Ermessen durch die planaufstellende Behörde rechtsfehlerfrei ausgeübt wurde", erklärt Behördensprecherin Silke Hartmann.
"Die Prüfung der durch die Stadt Neckargemünd ausgeübten Ermessensabwägung zur Entscheidung über verkehrsrechtliche Maßnahmen in Form einer Geschwindigkeitsbeschränkung ergab, dass die Belange des öffentlichen Personennahverkehrs nachgebessert werden müssen, damit die Bustaktung eingehalten werden kann." Die Fachbehörde des Landratsamtes stehe dazu im Austausch mit der Stadt Neckargemünd, die sich aktuell mit der beschriebenen Problematik befasse.
Die Position der Busunternehmen
"Die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) befährt die betroffenen Straßenabschnitte in Neckargemünd mit ihrer Linie 35 auf einer Streckenlänge von circa 1,4 Kilometern in beiden Richtungen", erklärt Sprecher Florian Benz. "Durch die Geschwindigkeitsreduzierung auf der genannten Strecke würde sich die Fahrtzeit der Linie 35 in Neckargemünd nach Einschätzung der RNV um etwa eine Minute je Richtung verlängern."
Diese zusätzliche Fahrzeit je Richtung müsse im Fahrplan berücksichtigt werden, da sonst insbesondere in den Abendstunden und an Sonntagen einzelne Anschlüsse, etwa am Heidelberger Bismarckplatz, nicht mehr erreicht werden können. Aktuell werde die RNV-Linie 35 nachts mit nur drei Fahrzeugen sehr effizient betrieben. "Bereits umgesetzte Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung konnten dabei im bestehenden Fahrplan abgebildet werden oder diese wurden durch Vorrangschaltungen an Ampelanlagen kompensiert", so Benz.
"Mit der Umsetzung von weiteren Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und der damit verbundenen Berücksichtigung der Mehrfahrzeit im Fahrplan kann der Betrieb der Linie 35 nachts mit nur drei Bussen voraussichtlich nicht aufrechterhalten werden." Aus diesem Grund müsste nachts ein zusätzliches Fahrzeug eingesetzt werden.
Dies sei problemlos möglich, verursache aber Kosten, die von den Kommunen Neckargemünd und Heidelberg zu tragen wären. Die Umsetzung von Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung sei eine politische Entscheidung der Stadt Neckargemünd. Dabei sehe sich die RNV nicht in der Position, diese Maßnahmen zu kritisieren oder deren Umsetzung aktiv zu erschweren.
Die Busverkehr Rhein-Neckar GmbH (BRN), die die 700er-Linien in und durch Neckargemünd betreibt, hat den Antrag der Stadt Neckargemünd nach eigenen Angaben "ausführlich geprüft". "Die BRN musste die Einführung Tempo 30 auf Basis der aktuellen Fahrplanzeiten leider ablehnen", so eine Sprecherin auf RNZ-Anfrage.
Mit einer Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 Kilometer pro Stunde könnten die Fahrplanzeiten nicht mehr eingehalten werden. "Wir bitten Anwohner um Verständnis", so die Sprecherin.
Die Position der Stadt
Sprecherin Petra Polte stellt zunächst klar, dass es sich beim Ja zu Tempo 30 "nicht um einen willkürlichen Beschluss der Stadt Neckargemünd handelt, um den Autoverkehr unattraktiver zu machen, sondern um die Umsetzung der seit 2009 verpflichtenden Lärmaktionsplanung zum Gesundheitsschutz für unsere Bürgerschaft, die auf EU-Recht beruht".
In der Praxis bedeute das aus Sicht der Stadt, dass "Anlassgeber" und damit "Verursacher" nicht die Stadt, sondern die Europäische Union (EU) ist. Insofern könne die Stadt auch nicht zu Mehrkosten herangezogen werden. Die RNV gehe fälschlicherweise davon aus, dass die Busse mit 50 Kilometern pro Stunde fahren, was sie in der Praxis bisher aber gar nicht erreichen würden. "Erste, mit einfachen Mitteln durchgeführte Erhebungen zeigen, dass die Busse nur in Einzelfällen überhaupt eine Geschwindigkeit von etwa 37 Kilometern pro Stunde erreichen", so Polte. "Das war der höchste ermittelte Wert."
Weitere Erhebungen hierzu seien in Arbeit. "Die Ungleichbehandlung der Stadt Neckargemünd gegenüber vielen Umlandgemeinden, in denen Tempo 30 umgesetzt wurde – unter anderem Wiesenbach, Lobbach, Zuzenhausen, Dossenheim – stößt bei uns nicht auf Verständnis", kritisiert Stadtsprecherin Polte. "Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Neckargemünd haben das gleiche Recht auf Lärmschutz wie in anderen Kommunen auch."