Es wird jetzt ernst ins Sachen Talstraßensanierung
Ab Ostern startet der erste Bauabschnitt in der Schmalen Seite. Info-Veranstaltung der Stadt: Anwohner sehen fehlenden Bordstein kritisch.

Von Micha Hörnle
Schriesheim. Mit drei Jahren Verzögerung startet nach Ostern das nächste Großprojekt der Stadt: die Sanierung der Talstraße. Am Dienstagabend informierten Erich Schulz vom gleichnamigen Leutershausener Ingenieurbüro und Stefan Wammetsberger als Verkehrsexperte vom Büro Koehler und Leutwein darüber, was auf die Anwohner in der Schmalen Seite zukommt.
Was wird in der Schmalen Seite gemacht? Im Grunde alles: Wasser- und Abwasserkanäle, Leitungen (auch für Glasfaser) und ein neuer Straßenbelag. "Über Jahrzehnte ist nur das Notwendigste gemacht worden", sagte Schulz. Nun müsse diese "Hauptschlagader" (Schulz) von Grund auf neu gebaut werden. Momentan sind hier fünf Bauabschnitte vorgesehen, an denen 15 bis 17 Monate gearbeitet werden soll. Wobei es immer zu Verzögerungen kommen kann, denn im Tiefbau kann es immer Überraschungen geben, wenn man auf Leitungen stößt, die nirgendwo eingezeichnet sind. Das aufwändigste Bauwerk im Untergrund ist die Mischwasserentlastungsanlage. Die nimmt das Regenwasser auf und leitet das, was die Kanalisation nicht aufnehmen kann, in den Kanzelbach.
Hintergrund
> Der Start der Arbeiten ist ab Ostern in der Schmalen Seite, dann folgen vier weitere Bauabschnitte von der B3 zum oberen Tunnelende. Die gesamte Bauzeit wurde 2019 mit sieben Jahren angegeben, die Kosten mit neun Millionen Euro. Der Abschnitt in der Schmalen Seite ist
> Der Start der Arbeiten ist ab Ostern in der Schmalen Seite, dann folgen vier weitere Bauabschnitte von der B3 zum oberen Tunnelende. Die gesamte Bauzeit wurde 2019 mit sieben Jahren angegeben, die Kosten mit neun Millionen Euro. Der Abschnitt in der Schmalen Seite ist mit 330 Metern (plus 50 Meter in der Bachgasse) zwar relativ kurz, gilt aber als sehr komplex – wegen der vielen Engstellen (wie generell in der Talstraße) und wegen eines Bauwerks, das man gar nicht sehen wird: ein Regenüberlaufbecken. Deswegen ist diese Baustelle selbst in fünf Teile gegliedert, mit am längsten dauert der Bau des Beckens am unteren Ende der Schmalen Seite.
Eigentlich sollten bei der Talstraßensanierung als Erstes die Gauls- und die Schotterersbrücke neu gebaut werden. Doch das ist nach Auskunft von Ingenieur Erich Schulz nicht nötig. Beide Brücken können saniert werden. Das werde aber zu einem späteren Zeitpunkt gemacht und ist nicht Teil des ersten Bauabschnitts "Schmalen Seite". hö
Was kommt auf die Anwohner zu? Nicht alle können jederzeit ihr Grundstück anfahren, es aber zu Fuß erreichen. Für besondere Fälle (wie Dialysepatienten) wird nach individuellen Lösungen gesucht. Für Anwohner soll am Neuen Rathaus ein Extra-Parkplatz neben dem Fass ausgewiesen werden. Auch die Erreichbarkeit für Feuerwehr und Rettungswagen ist immer gewährleistet. Um die Müllabfuhr kümmert sich die Baufirma: Sie sorgt dafür, dass die Tonnen von den Grundstücken zum Sammelplatz (und zurück) kommen. Mit größeren Ausfällen beim Trinkwasser ist nicht zu rechnen: "Es gibt immer eine Notversorgung, maximal ist man zwei Stunden ohne", so Schulz. Die Bauarbeiten werden von einem Statiker begleitet, der eventuelle Schäden aufnimmt, so Schulz. Aber er rechnet nicht damit, dass es Risse geben könnte, denn es würde vor allem in der Straßenmitte gearbeitet – mit genug Abstand zu den Häusern. Allerdings werden zwei, Schmale Seite 1 und 3, abgerissen. Die Stadt will die nicht mehr sanierungsfähigen Gebäude an dieser Engstelle kaufen, wie Bauamtsleiter Markus Dorn erklärte. Darüber muss der Gemeinderat am nächsten Mittwoch entscheiden. Durch den Abriss wird mehr Platz für die Baustelle (auch für das geplante Regenüberlaufbecken) und den Gehweg gewonnen. Was später aus dem Grundstück wird, ist offen: Denkbar, so Bauamtsleiter Markus Dorn, wären eine kleine Grünfläche oder ein Neubau.
Wie sieht die neue Straße aus? Die vielleicht größte Überraschung: Die vor vier Jahren vorgestellte Mittelrinne gibt es nicht mehr, auch keinen "Shared Space", also einen gemeinsamen Verkehrsraum von Autos und Fußgängern. Das hätten das Regierungspräsidium und das Landratsamt nicht genehmigt, weil die Talstraße immer noch die Umleitungsstrecke bei Tunnelsperrungen ist. Es wird also wieder eine separate Fahrbahn und Gehwege geben (allerdings keinen Radstreifen). Nur – und das irritierte die Anlieger – sind beide auf dem gleichen Niveau, wenn auch farblich voneinander abgesetzt: Die Fahrbahn wird asphaltiert, der Gehweg gepflastert und durch eine Rinne getrennt; die bisherigen Bordsteinkanten gibt es dann nicht mehr. Die Fahrbahn, heute mit über 3,50 Metern Breite "etwas überdimensioniert" (Wammetsberger) wird etwas schmaler. Mit der überfahrbaren Rinne soll sie aber auch breit genug für Laster sein, schließlich gibt es in der Einbahnstraße keinen Begegnungsverkehr, so Wammetsberger. Dort, wo es der Platz erlaubt, wird es auf beiden Seiten einen Gehweg geben (aber eben nicht durchgängig). Etliche Anwohner befürchteten, dass gerade Laster nicht zögern würden, den Gehweg mitzubenutzen. Das will Wammetsberger mit Pollern, vor allem im Kurvenbereich verändern. Er verwies darauf, dass die Niveaugleichheit von Fahrbahn und Gehweg auch ein Vorteil ist – gerade bei Kinderwagen und Rollatoren. Generell gebe es für die Fußgänger mehr Platz. "Ein Kompromiss", sagt Wammetsberger.
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Wie wird der Verkehr umgeleitet? Dort, wo gebaut wird, ist die Schmale Seite komplett gesperrt. Es gibt aber eine innerörtliche Umleitung – je nach Bauabschnitt. Der überörtliche Verkehr wird über den Branichtunnel geleitet. Sollte der wegen Wartungsarbeiten gesperrt sein, bleibt nur die "große Umleitung" über Großsachsen. Aber das sei in der Regel nur nachts der Fall. Die Busse nach Altenbach müssen den Tunnel nehmen, eventuell gibt es für die Haltestellen, die entfallen (Rathaus, Edelstein, Ludwigstal und Weites Tal), einen Shuttle-Verkehr mit Kleinbussen.
Wie reagieren die Anwohner? Recht entspannt, ihnen ging es um praktische Fragen: Wie ist ihr Haus erreichbar? Wie ist es um die Sicherheit der Fußgänger bestellt, wenn Gehweg und Fahrbahn auf gleicher Höhe sind? Gerade die wegfallenden Bordsteine sahen einige kritisch: "Wenn alles ohne eigenen Gehweg ist, dann wird nur noch durchgerauscht. Es geht nicht ohne den Gehweg!", sagte eine Anwohnerin. Gerade die Laster machen Angst, die die Fußgänger gefährden könnten: "Ein großer Sattelzug muss ja auf den Gehweg ausweichen." Es wurde gar gefordert, dass künftig nur noch Busse und Müllwagen durch die Talstraße fahren dürfen. Wammetsberger konterte, dass die Straße auch für Laster breit genug sei und man Gefahrenbereiche durch Poller sichern müsste. Und was ist mit dem Schwerlastverkehr während der innerörtlichen Umleitung? Peter Grüber machte darauf aufmerksam, dass immer noch an der Kreuzung B3/Talstraße die alten Hinweisschilder, zum Beispiel zur Malzfabrik, hängen: Das verleite dazu, nicht durch den Tunnel zu fahren. Schulz versprach, sich darum zu kümmern.
Generell, so Wammetsberger, würden Lkws durch die lange Talstraßenbaustelle dazu animiert, doch den Tunnel zu nutzen. Die Erfahrung zeige, dass die erst dann erkennen, dass der "der schnellere und einfachere Weg" sei. Das gilt auch für Pkws. Denn auch nach sieben Jahren Tunnel fahren pro Tag zwischen 2600 und 2900 Fahrzeuge durch die Schmale Seite: "Das sind immer noch viele. Der Tunnel hat noch Luft nach oben", sagte Wammetsberger.

Für die Radfahrer hingegen kann man wenig tun. Während der Bauzeit könnte man die den Teil der Talstraße, der bergab Einbahnstraße ist, für Radler freigeben: "Die Fahrbahnbreite gibt es her, wir müssen es aber mit den Behörden abstimmen", so Wammetsberger. Aber in der Schmalen Seite ändert sich auch nach der Baustelle für sie nichts, da es keinen Radstreifen gibt. Wenn der Platz nicht reicht, dürfen sie weiterhin nicht von Autos überholt werden.
Was es auch nicht geben wird: einen Zebrastreifen. Denn der sei in Einbahnstraßen "fast unmöglich" zu genehmigen, so Schulz. Manchmal waren die Fragen auch ganz einfach zu lösen: So fragte Isabell Schaubelt vom Friseursalon in der Schmalen Seite, was sie denn machen solle, wenn bei ihr das Wasser abgestellt wird. Die Lösung: Das soll nur montags passieren, wenn der Salon sowieso geschlossen ist.

Alles in allem, so resümierte Bürgermeister Christoph Oeldorf, sei es "wichtig, dass man miteinander spricht". Die Baustelle sei "eine große Herausforderung für uns alle. Und wir sind uns einig, dass es höchste Zeit für die Sanierung wird".