Ukrainerinnen basteln "Heizkerzen" für Front-Soldaten
Geflüchtete Frauen bauen Wärmequellen aus Dosen, Pappe und Wachs. Diese sind rauchfrei sowie resistent gegen Wind und Wasser Wind und somit ideal für das Militär.

Von Lukas Werthenbach
Sandhausen/Leimen. Konservendosen, Pappe, Wachs oder der Brennstoff Paraffin – notfalls auch die Reste abgebrannter Weihnachtskerzen: Mit diesen "Zutaten" helfen die Ukrainerinnen Svetlana Lozytska und Kseniia Nehovora den Soldaten in ihrer Heimat. Die zwei Frauen, die selbst vor dem Krieg geflüchtet sind und in der Region unterkamen, basteln "Heizkerzen": bei klirrender Kälte an der Front eine willkommene Wärmequelle für das Militär. Während die 43-jährige Lozytska und ihre zwei Kinder das wohl traurigste Weihnachten ihres Lebens erwarten, wollen sie so einen Beitrag zur Verteidigung ihres Heimatlandes leisten.
"Die ganze Ukraine beschäftigt sich jetzt mit der Herstellung dieser Kerzen", erzählt Nehovora. Die 22-Jährige flüchtete im März aus Kiew und wohnt in der Leimener Zementwerksvilla, die im Frühjahr bekanntlich als Unterkunft für Ukrainer hergerichtet wurde.

"Die Idee, Kerzen zu machen, kam mir mit dem ersten Schnee in der Ukraine", erzählt die junge Frau, die bis zu ihrer Flucht Tourismus studiert hatte: "Ich mache gerne Menschen glücklicher." Sie habe erfahren, dass die Soldaten an der Front etwas brauchten, das sie auch unter widrigsten Bedingungen schnell wärmen kann. "Daher habe ich angefangen, im Internet nach Möglichkeiten zu suchen und bin schnell auf diese Kerzen gestoßen", so Nehovora.
Davon erfuhr Lozytska, die mit ihrer achtjährigen Tochter und ihrem nun 18-jährigen Sohn ebenfalls aus Kiew geflüchtet war und in Sandhausen unterkam: zunächst bei einer "wunderbaren Familie", wie sie sagt; inzwischen hat sie eine eigene Wohnung gemietet. "Mein Mann ist in der Ukraine, sein Vater ist behindert: Er muss seinen Eltern helfen." Sie besucht Deutschkurse, hat in Kiew bei einer Bank gearbeitet und war Hausfrau. Aktuell sei sie "ratlos" und wisse nicht, welche Arbeit sie suchen soll. Doch eine sinnvolle Beschäftigung sieht sie in diesen Tagen im Basteln der Kerzen.
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"Die Kerzen werden zum Heizen in den Schützengräben des Militärs verwendet", erklärt sie: "Eine Kerze von der Größe einer Maisdose brennt mehr als drei Stunden lang, sie kann zum Erwärmen von Speisen, zum Zubereiten von Tee und zum Trocknen von nassen Dingen verwendet werden." Dazu wird Wellpappe so gefaltet, dass sie eine möglichst flache Konservendose oder etwas ähnliches ausfüllt. In mehreren Schritten füllt man das Gefäß dann mit Paraffin.
Ideal sei diese Art zu heizen an der Front: Wenn eine Kerze angezündet wird, brennt die gesamte Oberfläche der Dose. Wind oder Wasser löschen das Feuer nicht, sagt Lozytska: Nur ersticken könne man es. Zudem sei die Kerze kompakt und aus der Entfernung nicht sichtbar: "Sie macht keinen Rauch – es ist wichtig, dass das Militär nicht sichtbar ist", erläutert die Ukrainerin. An "Bastelmaterial" am meisten helfen würde den beiden Frauen möglichst viel weißes, ungefärbtes Paraffin, wie sie sagen.
"Ich habe gerade angefangen, Kerzen zu machen", berichtet Lozytska: "Ich habe ungefähr zehn Stück aus Metallbechern gemacht, die mir meine ukrainischen Freunde gegeben haben." Um an mehr Gefäße zu kommen, hat sie auch im auf Facebook einen Beitrag veröffentlicht. Sie habe die Kerzen noch nicht in die Ukraine geschickt. "Aber ich weiß, dass sie dort sehr gebraucht werden, und sobald ich es schaffe, mehr Kerzen herzustellen, werde ich sie durch Freiwillige oder Bekannte in die Ukraine schicken." Ihre Freundin Kseniia engagiert sich bei einer Heidelberger Hilfsorganisation: "Sie hilft mir, die Kerzen an die Front zu schicken", sagt sie.
Der Blick auf Weihnachten indes trübt Lozytskas Laune: "Leider ist die Stimmung jetzt absolut nicht festlich, ich lese ständig die Nachrichten über mein Land und mache mir große Sorgen, weil dort jeden Tag Menschen sterben – sowohl Zivilisten als auch Berufssoldaten." Auch "gewöhnliche Menschen, die Manager und Verkäufer waren", riskierten ihr Leben, sagt sie. Mit nur einem Ziel: "uns alle zu schützen". Dennoch will sie Geschenke für ihre Kinder kaufen und etwas Leckeres kochen: "Wir werden hier in Sandhausen sein – es ist gefährlich, nach Hause zu gehen."
Über Deutschland hat die Ukrainerin übrigens nur Gutes zu erzählen. Sandhausen und Heidelberg seien "sehr schöne, komfortable und sichere" Orte. "Ich kann ehrlich sagen, dass ich die Menschen, die hier leben, sehr mag. Sie sind sehr nett und hilfsbereit, meine Tochter wurde von Mitschülern und Lehrern, der Schulleitung der Theodor-Heuss-Grundschule, sehr herzlich aufgenommen", schwärmt sie.