Kommunen stoßen bei Flüchtlings-Unterbringung an Kapazitätsgrenzen
Geflüchtete belegen bereits viele Betten. Ohne Hilfe der Bürger geht es nicht.

Region Heidelberg. (cm/fhs/lew/luw) Die Zahl der Flüchtlinge, die aus den Krisenherden der Welt auch in der Region ankommen, ist nicht zuletzt durch den Krieg in der Ukraine stark gestiegen. Die RNZ hat daher bei mehreren Kommunen rund um Heidelberg nachgefragt, ob man dort für die nächste große Flüchtlingswelle nach 2015 gewappnet ist.
> In Neckargemünd berichtet Stadtsprecherin Nadine Thiele: "Wir haben aktuell 163 Geflüchtete in kommunalen Notunterkünften oder städtisch angemieteten Wohnungen." Die Lage sei sehr dynamisch. "Wir können keine Aussage treffen, wie viele Geflüchtete erwartet werden", so Thiele. "Wir werden vom Rhein-Neckar-Kreis laufend über die Lage informiert." Die Kapazitäten würden aktuell ausreichen. Dieses Jahr würden voraussichtlich keine weiteren Plätze für Geflüchtete in Neckargemünd benötigt, da die Stadt in 2022 über ihre Quote Geflüchtete aufgenommen habe. "Dies kann sich allerdings jederzeit ändern, das ist uns bewusst", so Thiele.
> In Leimen liegt die Zahl der in städtischer Obhut befindlichen Geflüchteten laut Stadtsprecherin Melanie Greiner derzeit bei rund 900 Menschen. "Wie viele noch erwartet werden, kann zur Zeit niemand sagen", meint sie. Die Kapazitätsgrenze sei aber bereits erreicht. Doch da die Stadt nicht wisse, wie viele Flüchtlinge noch kommen, lasse sich auch keine Aussage dazu treffen, wie viele Plätze zur Unterbringung noch geschaffen werden müssen. "Grundsätzlich", so Greiner, "hat die Stadt Leimen die Quote vom Rhein-Neckar-Kreis bereits mehr als erfüllt."
> In Nußloch befinden sich aktuell 114 geflüchtete Personen aus der Ukraine in der Obhut der Gemeinde, wie Gemeindesprecherin Lisa Herrmann erklärt: "Die geflüchteten Personen wurden zu 95 Prozent dezentral in Mietwohnungen untergebracht – sowohl privat als auch von der Gemeinde angemietet." In Kooperation mit der Erzdiözese Freiburg, der katholischen Kirchengemeinde und dem Gehörlosenverein Mannheim sei auch eine Wohngemeinschaft von Gehörlosen in Nußloch "dezentral" aufgenommen worden. Weitere 131 Flüchtlinge kämen aus anderen Ländern als der Ukraine. Sie seien sowohl dezentral als auch in der Gemeinschaftsunterkunft untergebracht. Mit dem Bau und der Eröffnung der Flüchtlingsunterkunft im Jahr 2017 und zusätzlich extern angemietetem Wohnraum sieht sich die Gemeinde "aktuell sehr gut aufgestellt". Man habe in den vergangenen Jahren mehr Flüchtlinge aufgenommen, als durch die Zuweisungsquote des Landratsamts des Rhein-Neckar-Kreises erforderlich gewesen wäre, so Herrmann. Momentan bestehe eine "hohe Auslastungsquote" – geringe Kapazitäten zum Beispiel für Familiennachzüge seien aber noch vorhanden.
> In Sandhausen berichtet die Gemeindeverwaltung von einer "großen Bereitschaft" in der Bevölkerung, Geflüchtete aufzunehmen. 2022 habe die Gemeinde bisher 96 Flüchtlinge aufgenommen, wie eine Sprecherin erklärt; davon seien 87 Menschen aus der Ukraine und neun aus anderen Ländern. Seit 2014 habe man insgesamt 482 geflüchtete Menschen aufgenommen. Wie viele Flüchtlinge aktuell noch in Sandhausen sind, sei schwer zu sagen, da sich neben Wegzügen auch der Asylstatus geändert habe. "Die Gemeindeverwaltung generiert weiterhin mithilfe der Bevölkerung Wohnraum durch Anmietungen", heißt es mit Blick nach vorne. Bürgermeister Hakan Günes lobt: "Ich bin der Hilfsbereitschaft unserer Bevölkerung sehr dankbar. Ohne diese könnte das Krisenmanagement der Bundesregierung nicht umgesetzt werden."
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> In Eppelheim versorgt die Stadt aktuell 123 Personen mit Wohnraum. Aus der Ukraine erwartet die Stadtverwaltung in absehbarer Zeit einen Zugang von über 150 Menschen und muss aktuell feststellen, dass die vorhandenen Kapazitäten nicht dafür ausreichen, diese Personen angemessen unterzubringen.
> In Dossenheim beherbergt die Gemeinde 235 Geflüchtete. Im Jahr 2022 sind laut Anne Stegmüller von der Gemeindeverwaltung noch 33 Personen aufzunehmen, wofür die vorhandenen Kapazitäten ihr zufolge aber ausreichen. Für 2023 könne diesbezüglich noch keine Aussage getroffen werden, da dies abhängig sei von der Zuweisungsquote, die noch nicht bekannt ist. Bürgermeister David Faulhaber betont: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und sind auch dank der Übernahme sowie des Kaufes geeigneter Immobilien gut gewappnet." Die Herausforderungen in dieser Thematik bezeichnet der Rathauschef als "immens". Sein Dank gelte den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern.
Leerstehende Schmerzklinik in Schönau könnte doch Flüchtlingsunterkunft werden
Die Aussage von Stefan Dallinger ist unmissverständlich: "Die Lage ist ausgesprochen ernst, denn angesichts der jüngsten Flüchtlingszahlen müssen wir davon ausgehen, dass eine Herkulesaufgabe auf uns zukommt." Bereits Mitte September hatte der Landrat des Rhein-Neckar-Kreises darauf hingewiesen, dass die Zahl Geflüchteter aus der Ukraine wie aus anderen Ländern stark gestiegen sei (siehe weiterer Artikel).

Dass aufgrund dieser Entwicklung Unterbringungsmöglichkeiten in den Fokus rücken, die nach dem Rückgang der 2015er-Flüchtlingswelle bereits "aussortiert" worden waren, liegt nahe. Eine dieser damals zwar bereits angemieteten, aber nie genutzten Unterkünfte ist die ehemalige Schmerzklinik in Schönau. Eine Klage des Eigentümers gegen den Kreis, die entgangenen Mieteinnahmen von rund 500.000 Euro zurückzuzahlen, scheiterte im Jahr 2020 vor dem Heidelberger Landgericht.
Wie Ralph Adameit als Sprecher des Rhein-Neckar-Kreises auf RNZ-Nachfrage bestätigte, stehe dieser aktuell wegen verschiedener Immobilien im Kreisgebiet in Verhandlungen. Zur Frage nach der ehemaligen Schmerzklinik bittet er um Verständnis, "dass wir zu etwaigen laufenden Vertragsverhandlungen und -inhalten sowie Orten keine Auskünfte erteilen".
Da der Eigentümer der ehemaligen Schmerzklinik auf eine Anfrage nicht reagierte, hakte die RNZ bei der Stadt Schönau nach. Bürgermeister Matthias Frick betonte erneut den Wunsch, dass man seitens der Stadt sehr gerne eine Entwicklung an der ehemaligen Schmerzklinik sehen würde. Mit dem Eigentümer bestehe "unregelmäßiger Kontakt". Aktuell sei offen, was mit dem Gebäude passiert. "Wären wir der Eigentümer, würden wir umgehend konzeptionell eine zukunftsfähige Planung erstellen", so Frick.
Als Schmerzklinik diente das Areal nur vier Jahre, von 1999 bis 2003. Bis 1974 hatte die Firma Freudenberg hier ein Fabrikgebäude und Wohnungen betrieben. 2014 erfolgte die Zwangsversteigerung. (lew)