Ortsumgehung für Großsachsen beerdigt
Mehrheitlich wurde beschlossen, die Pläne für eine Randentlastungsstraße nicht weiter zu verfolgen. Auch der Bürgerentscheid wurde abgelehnt.

Von Annette Steininger
Hirschberg. Das war’s. Nach jahrzehntelangen Diskussionen hat der Gemeinderat am Dienstag eine Ortsumgehung für Großsachsen, auch Ortsrandstraße oder zuletzt Randentlastungsstraße genannt, beerdigt. Vorausgegangen waren spannende Diskussionen und teils flammende Redebeiträge.
Am Ende entschied das Gremium bei fünf Gegenstimmen – drei von der CDU, Thomas Scholz (SPD) und Jörg Mayer (FW) – sowie einer Enthaltung von Thomas Götz (CDU) und elf Ja-Stimmen – GLH, die Mehrheit der Freien Wähler und FDP sowie Bürgermeister Ralf Gänshirt –, dass der Bau einer solchen Straße nicht weiterverfolgt werden soll. Auch wird es keinen vom Gemeinderat initiierten Bürgerentscheid geben. Dafür (acht Stimmen) waren die CDU, die SPD, die FDP und Jörg Mayer (FW), der Rest des Gremiums (neun Stimmen) votierte dagegen. Damit kam die bei einem Bürgerentscheid erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit von 13 Stimmen nicht zustande. Und auch eine Bürgerbefragung, wie sie beispielsweise CDU-Fraktionsvorsitzender Christian Würz in seinen flammenden Plädoyers gefordert hatte, fand keine Mehrheit.
"Nach Auffassung der Verwaltung liegen dem Gemeinderat nun alle Entscheidungsgrundlagen vor", hatte Bürgermeister Ralf Gänshirt eingangs betont. Er verwies unter anderem auf die Kostenschätzung, die sich auf neun Millionen Euro belief, und die Befragung der Grundstückseigentümer. Gänshirt machte die inzwischen ablehnende Haltung der Verwaltung deutlich: "In den vergangenen Jahren hat sich der Blick auf Klimaschutz oder auch Verkehr geändert", so der Bürgermeister, der eine Entscheidung auch ohne Bürgerbeteiligung als "sachgerecht" empfand. Das sah Würz ganz anders: "Diese Entscheidung hat für die nächsten Generationen hinsichtlich der Tragweite von Kosten, Landschaftsverbrauch, Sicht- und Nutzachsen, aber auch Verkehrsentlastung, Lärmentlastung, Erweiterung von Wohngebieten eine derartige Bedeutung, wie sie die Gemeinde noch nicht hatte, und daher muss dies von der Bürgerschaft entschieden werden."
Auch erinnerte der Fraktionsvorsitzende an die Äußerungen von den Freien Wähler, FDP und SPD im Januar pro Bürgerentscheid und appellierte an den Bürgermeister, seinen bisherigen Aussagen Nachdruck zu verleihen und mit Ja zu stimmen. Und griff ihn bei der Diskussion um eine Bürgerbefragung auch an: "Was ist von Ihrem Versprechen, die Bürger mitzunehmen, übriggeblieben? Mir drängt sich die Frage auf, ob Sie Ihre eigene Meinung, wonach der Bau der Straße nicht in die Zeit passt, über das Meinungsbild der Bevölkerung stellen?" Die GLH sprach Würz ebenfalls direkt an und wies auf deren stete Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung hin. "Wir von der CDU stehen zu unseren Worten im Kommunalwahlkampf", betonte Würz.
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GLH-Fraktionsvorsitzende Monika Maul-Vogt betonte zwar, dass Bürgerentscheide grundsätzlich "gut, sinnvoll und wichtig" seien. "Doch sehen wir Bürgerentscheide primär als Mittel, die Politik der gewählten Vertreter durch eine Mehrheit der Bürgerschaft zu korrigieren, also als ein wichtiges Instrument zur Kontrolle der politischen Organe und der Möglichkeit des Korrektivs aus der Initiative der Bürgerschaft." Die Grüne Liste sei der Meinung, "dass wir als Gemeinderäte der Bürgerschaft keine Option zur Wahl stellen dürfen, von der wir überzeugt sind, dass sie für die Gemeinde nicht vernünftig finanzierbar und nicht zum Wohl der Allgemeinheit ist".
Die SPD habe sich – wie auch der Bürgermeister und fast alle Fraktionsvorsitzenden – am Anfang des Jahres klar für eine Bürgerbeteiligung ausgesprochen, erinnerte dagegen Fraktionsvorsitzender Thomas Scholz. Weder Corona noch Putin hätten in der Zwischenzeit etwas an ihrem Verständnis von Bürgerbeteiligung und Demokratie geändert. Niemand wolle, dass wegen jeder Kanalsanierung ein Bürgerentscheid stattfindet. "Aber eben gerade in besonderen Fällen von großer Bedeutung und großer Tragweite ermöglicht es die Gemeindeordnung ganz bewusst – und zwar nicht nur durch einen von Bürgern durch Bürgerbegehren quasi erzwungenen Bürgerentscheid, sondern eben auch und gerade freiwillig durch den Gemeinderat selbst", betonte Scholz.
Alexander May wiederum vertrat die mehrheitliche Meinung der Freien Wähler gegen einen Bürgerentscheid. Diese seien mit ihren Ohren "an den Lippen der Anwohner". Auch würden sie eine erhebliche Belastung der Verwaltung und durch die Kosten auf die Gemeinde durch einen Bürgerentscheid zukommen. Sollte dieser aber noch durch eine Bewegung aus der Bürgerschaft zustandekommen, sei das "kein Problem" und werde von den FW akzeptiert. May erinnerte daran, dass sie einst Befürworter der Straße gewesen seien. "Aber was vor einem Jahr noch gut war, kann sich geändert haben." Die Randentlastungsstraße sei "aus der Zeit gefallen". May führte Punkte an wie das veränderte Arbeitsverhalten durch Homeoffice oder auch die Verkehrswende.
Nicht zuletzt befürchtete er eine erhebliche Belastung für den Haushalt, eine weiterhin nicht lösbare Problematik des Odenwaldverkehrs in der Breitgasse und ein aufwendiges planerisches Verfahren. Denn die Mehrheit der befragten Grundstückseigentümer hatte sich gegen einen Verkauf ausgesprochen. "Die Straße ist tot", schloss May seinen Vortrag.
Anders sah das sein Fraktionskollege Jörg Mayer. Er sei immer mal wieder angesprochen worden, wann denn die Randentlastungsstraße endlich komme. "Und bei einem Projekt von solcher Tragweite sollten die Bürger entscheiden", fand Mayer. Auch die FDP hätte die Bürger gerne mitgenommen bei einem Projekt, "das so kontrovers diskutiert wird", wie Fraktionschef Oliver Reisig betonte. "Nur so schaffen wir es, die Diskussion zu befrieden", zeigte er sich überzeugt. Als dann der Gemeinderat selbst entscheiden sollte, machte er aus der inzwischen ablehnenden Haltung gegenüber einer Ortsumgehung keinen Hehl. Er sagte ein langwieriges Verfahren im Falle eines Baus voraus von sieben bis acht Jahren, da es aufgrund der mangelnden Verkaufsbereitschaft der Eigentümer wohl zu einem Flurneuordnungsverfahren kommen würde. Er führte auch die Mobilitätswende an: "Der Pkw-Verkehr nimmt stetig ab." Und dann wären da noch die Kosten im sicherlich dann zweistelligen Millionenbereich. "Faktisch würden dann erst mal alle anderen Projekte auf Eis gelegt." Die Straße würde Großsachsen zerschneiden, und ihr Nutzen sei begrenzt.
Damit entsprach er der schon bekannten Meinung der GLH, die stets ihre Ablehnung gegenüber der Straße kundgetan hatte. Aus Sicht der Grünen würde eine die Straße lediglich zu einer punktuellen Entlastung führen. Eines der wichtigsten Kontra-Argumente: "Eine weitere Straße plus Ausbau von zwei Anbindungsstraßen bedeutet nicht nur Versiegelung, sie zerstört auch landwirtschaftliche Flächen und naturnahe Räume", machte Maul-Vogt deutlich. Wer bereit sei, den ökologischen Peis zu zahlen, müsse spätestens bei der Frage nach den Kosten zum Fazit kommen, "dass sich Hirschberg dieses unwägbare Millionenprojekt nicht leisten kann". Viele andere wichtigere und notwendigere Projekte würden in der Zukunft dadurch unmöglich. "Die Folgekosten werden noch nachfolgende Generationen belasten."
Anders als die GLH zeigte sich Scholz davon überzeugt: "Eine Ortsrandentlastungsstraße würde den Verkehr durch den Ort ganz klar deutlich entlasten und reduzieren." Die Kosten würden sich im Vergleich zu anderen Projekten, die man in Hirschberg aktuell vor sich habe und hatte, "nicht wirklich in extrem anderen Größenordnungen bewegen – und das mit mindestens vergleichbarem Nutzen". Auch das Argument mit der Mobilitätswende empfand Scholz als "diffus". Er glaubte nicht, dass sich durch mehr E-Autos oder Carsharing etwas ändern würde. "Auto ist in dem Fall schließlich Auto – egal wem es gehört und wie der Motor arbeitet." Doch mit seinen Argumenten konnte sich Scholz ebensowenig durchsetzen wie die CDU. Und so ist die Randentlastungsstraße jetzt Geschichte.