Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Ankunftszentrum
Am 11. April stimmen die Heidelberger darüber ab, ob die Einrichtung auf die "Wolfsgärten" verlagert wird. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Ziemlich genau zweieinhalb Jahre ist es her, dass das Landesinnenministerium überraschend die Wolfsgärten als möglichen Standort für das Ankunftszentrum für Geflüchtete präsentierte. Seitdem wurde in der Stadt ausgiebig über Vor- und Nachteile des Areals gestritten. Am 11. April dürfte beim Bürgerentscheid nun die endgültige Entscheidung über die Zukunft der Einrichtung fallen. Vorab beantwortet die RNZ alle wichtigen Fragen:
Worum geht es genau? Die Frage, die die Heidelberger am 11. April – oder schon vorher per Briefwahl – beantworten sollen, lautet: "Sind Sie gegen eine Verlagerung des Ankunftszentrums für Flüchtlinge an das Autobahnkreuz auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche Wolfsgärten?" Die Bürger stimmen also darüber ab, ob das Gewann Wolfsgärten dem Land als Standort für das Ankunftszentrum zur Verfügung gestellt wird.
"Ja" bedeutet also, dass man gegen die Wolfsgärten stimmt, und "Nein" dafür? Das ist ebenso richtig wie verwirrend. In der Gemeindeordnung ist festgelegt, dass bei einem Bürgerentscheid die Frage so formuliert sein muss, dass ein "Ja" im Sinne der Initiatoren ist. Das gilt auch, wenn es wie in diesem Fall darum geht, einen bestehenden Beschluss aufzuheben. Wer also für die Verlagerung ist, muss mit "Nein" stimmen, wer dagegen ist, mit "Ja".
Wo und was sind die Wolfsgärten? Die Wolfsgärten sind eine knapp acht Hektar große Fläche im Westen von Wieblingen. Sie liegen zwischen dem Autobahnkreuz Heidelberg, dem Grenzhöfer Weg und der Bahnstrecke Heidelberg-Mannheim. Sie sind über eine schmale Zufahrt vom Grenzhöfer Weg erreichbar sowie vom Ochsenkopf und dem Gewerbegebiet "In der Gabel" durch eine Unterführung unter der A5. Ein kleiner Teil des Areals wird bereits für ein Umspannwerk genutzt. Der Rest wird derzeit von einem Landwirt aus Edingen bewirtschaftet. Im Flächennutzungsplan sind die Wolfsgärten, die komplett im Besitz der Stadt sind, als Gewerbegebiet ausgezeichnet.
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Was passiert in einem Ankunftszentrum? Alle Asylsuchenden, die in Baden-Württemberg ankommen, kommen zunächst ins Ankunftszentrum. Hier werden sie registriert, medizinisch untersucht und bei Bedarf behandelt, hier stellen sie ihren Asylantrag und haben ihre Anhörung. Im Durchschnitt sind die Menschen sechs bis acht Wochen dort, in Einzelfällen – etwa bei Schwangerschaften oder Krankheiten – mehrere Monate. Vor der Corona-Pandemie waren in der Regel zwischen 1000 und 1500 Menschen im Zentrum untergebracht. Aktuell sind es gut 500. In normalen Jahren durchlaufen etwa 30.000 bis 35.000 Menschen das Prozedere.
Warum bleibt das Zentrum nicht, wo es ist? Seit 2014 befindet sich in Patrick-Henry-Village im Südwesten Heidelbergs eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes. Damit hatten Stadt und Land auf die große Zahl Asylsuchender reagiert. Aus der Einrichtung wurde 2015 das zentrale Ankunftszentrum. Jedoch hatte das Land von Beginn an zugesagt, es zu verlegen, sobald ein alternativer Standort gefunden werde, damit die Heidelberger Stadtentwicklung nicht ausgebremst wird. Aktuell nimmt das Zentrum nämlich knapp ein Drittel (rund 30 Hektar) der Fläche von PHV ein und verhindert so die Entwicklung des Stadtteils.
Wie kam man auf die Wolfsgärten? Das Land fragte 2018 bei den Kommunen an, ob sie Flächen für einen Neubau zur Verfügung stellen können. Dabei hatte das Innenministerium vor allem die ehemaligen US-Flächen in Nordbaden – Mannheim, Schwetzingen und Heidelberg – im Blick. Für diese gibt es jedoch andere Pläne, sodass am Ende Heidelberg als einzige Kommune im Land eine geeignete Fläche angeboten hatte: die Wolfsgärten.

Was spricht für den Standort? Das wohl wichtigste Argument für die Wolfsgärten ist, dass die Fläche zur Verfügung stünde und laut Land geeignet ist. Sie gehört der Stadt und ist nicht anderweitig verplant. Sie ist erschlossen und groß genug für eine Einrichtung mit bis zu 2000 Bewohnern. Für Lärmschutz und eine bessere Anbindung könne man laut Land sorgen.
Was spricht dagegen? Kritiker bemängeln vor allem die Lage des Standorts. Zwischen Autobahn und Gleisen sei kein Ort, an dem Menschen leben sollten. Es sei laut und der Platz sehr beengt. Außerdem verpasse man dort die Chance, das Ankunftszentrum wirklich in die Stadt zu integrieren. Zudem lehnen sie die Bebauung von Ackerboden ab, da dieser so unwiederbringlich zerstört werde.
Was wird aus dem Landwirt? Für den Landwirt, der dort Futter für seine Pferde anpflanzt, wurde laut Stadt eine Ersatzfläche in Edingen gefunden. Unklar ist dagegen, wie die Fläche ausgeglichen würde, die bei einem Neubau des Zentrums auf den Wolfsgärten versiegelt würde. Laut Stadt dürften das etwa 3,5 Hektar sein. Einen Teil davon könne man mit der Entsiegelung und ökologischen Aufwertung der Kiesgrube Engelhorn kompensieren.
Wie sehen die Pläne für das Areal bislang aus? Konkrete Pläne für ein Ankunftszentrum in den Wolfsgärten gibt es noch nicht. Fest steht, dass das Zentrum 2000 Wohnplätze haben soll und die Verwaltungsgebäude rund die Hälfte der Fläche einnehmen. Ein Platzproblem wird es laut Finanzministerium nicht geben. Die Stadt will sich für eine Bebauung mit Holzmodulen einsetzen, um möglichst wenig Boden zu versiegeln. Auch die Lärmschutzwände um das Areal herum sollen begrünt werden. Details sollen jedoch in einem Architekturwettbewerb geklärt werden.
Reichen 2000 Plätze? Ursprünglich sahen die Pläne des Landes vor, ein Ankunftszentrum mit 3500 Plätzen zu errichten. Im Normalbetrieb reichen zwar 2000, man will jedoch auch für Krisensituationen gewappnet sein. Weil man jedoch keine Fläche gefunden hat, die groß genug dafür wäre, hat das Innenministerium schließlich vorgeschlagen, auf den Wolfsgärten ein Kern-Ankunftszentrum mit 2000 Plätzen zu errichten und weitere 1500 Plätze als Puffer in anderen Erstaufnahmeeinrichtungen im Land zu schaffen.
Ist das Land von dem Standort überzeugt? Auf Landesebene gab es durchaus Bedenken. Vor allem die Grünen im Landtag äußerten in der RNZ Skepsis. Doch beim Innenministerium, das von CDU-Mann Thomas Strobl geführt wird, betont man mittlerweile, wie überzeugt man vom Standort Wolfsgärten sei. Das dürfte auch daran liegen, dass dieser derzeit für das Land der einzige Standort ist, an dem es ein dauerhaftes Ankunftszentrum bauen könnte. Unklar ist, wie sich eine andere Regierungskoalition positionieren würde, denn die SPD als potenzieller Partner hatte sich klar gegen die Wolfsgärten ausgesprochen.
Und die Gemeinderatsfraktionen? Der Stadtrat lässt sich in drei ähnlich große Blöcke einteilen: SPD, Linke, Grün-Alternative Liste, Bunte Linke, Heidelberg in Bewegung und "Die Partei" sind mit ihren 16 Stadträten gegen die Wolfsgärten und werben daher ganz klar – auch auf eigenen Plakaten – für ein "Ja" und den Verbleib in PHV. Ihnen gegenüber stehen die meisten der 14 Stadträte von CDU, Heidelbergern, FDP und Freien Wählern. Sie sprechen sich für die Wolfsgärten aus – und lehnen PHV strikt ab. Dazwischen stehen die Grünen mit 16 Stadträten. Zwar haben 13 davon für die Wolfsgärten gestimmt, die Fraktion hat im Anschluss jedoch auch Zweifel an deren Eignung geäußert. Jedoch plädieren sie dafür, den Standort im Rennen zu halten, bis alle Fragen geklärt sind. Nur die AfD lehnt ein Ankunftszentrum in Heidelberg generell ab.
Gibt es eine Alternative zu dem Standort? Bei dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. Stadt und Land betonen, dass die Wolfsgärten derzeit die einzige Möglichkeit darstellen, der Einrichtung eine sichere Perspektive zu bieten. Schließlich hat sonst keine Kommune ein Grundstück angeboten und auch in Heidelberg gebe es keine Alternative. Die Gegner der Wolfsgärten sehen das anders. Die meisten von ihnen plädieren für eine Verlegung der Einrichtung an den Rand von PHV. Dort wäre sie Teil eines sich entwickelnden Stadtteils, was mehr Raum für Begegnungen bieten würde. Kürzlich hatte der Verein "Urban Innovation" auch das Airfield als Kompromiss ins Gespräch gebracht.
Was spricht gegen diese anderen Areale? Stadtverwaltung und die Mehrheit des Gemeinderates verfolgen für beide Flächen andere Ziele. Für PHV hat die Internationale Bauausstellung (IBA) ein Konzept für einen modernen Stadtteil entwickelt, das nach Aussagen der Stadt ohnehin auf Kante genäht ist. Baue man dort eine eingezäunte Einrichtung mit rund acht Hektar Fläche hin, müsse man komplett neu planen und könne vieles nicht umsetzen. Für das Airfield entwickelt die IBA derzeit ein Konzept für einen Landwirtschaftspark.
Wann ist der Entscheid gültig? Für Bürgerentscheide gilt in Baden-Württemberg ein "Zustimmungsquorum" von 20 Prozent. Das bedeutet, dass die Entscheidung nur rechtsverbindlich ist, wenn mindestens ein Fünftel der Wahlberechtigten für eine der beiden Optionen stimmt – die Gesamtbeteiligung ist dabei irrelevant. Geben also 19 Prozent ihre Stimme für eine Option ab und 18 Prozent für die andere, ist die Entscheidung trotz großer Beteiligung nicht bindend. Votieren dagegen 20,1 Prozent aller Wahlberechtigten für eine Option, ist das Ergebnis in jedem Fall rechtsgültig.
Wie geht es weiter, wenn eine Mehrheit mit "Nein" stimmt? Dann treiben Land und Stadt die Planungen für den Neubau auf den Wolfsgärten voran. Die laufen zwar bereits, aktuell werden jedoch keine "Fakten geschaffen". Das Land würde in dem Fall einen Architektenwettbewerb ausrufen und wohl noch in diesem Jahr mit vorbereitenden Arbeiten beginnen.
Und bei einer "Ja"-Mehrheit? In diesem Fall wären die Wolfsgärten als Standort für das Ankunftszentrum vom Tisch. Der Gemeinderat könnte überlegen, ob er andere Flächen im Stadtgebiet – etwa PHV oder das Airfield – auf ihre Eignung prüfen lässt. Ansonsten wäre die Zukunft des Ankunftszentrums ungewiss, das Land müsste wohl einen neuen Suchlauf starten und die Einrichtung auf PHV belassen, bis ein alternativer Standort gefunden und an diesem ein neues Zentrum gebaut wäre.
Was passiert, wenn das Quorum nicht erfüllt wird? Sollten weniger als 20 Prozent der Berechtigten für eine Option stimmen – wie 2019 beim Bürgerentscheid zum Betriebshof –, ginge die Frage zurück an den Gemeinderat. Dieser könnte dann seine alte Entscheidung bekräftigen oder sie revidieren. Wie sich die Stadträte verhalten, hängt wohl davon ob, wie das Ergebnis aussieht und wie knapp das Quorum verfehlt wird. Doch ein Großteil der Fraktionen gab bei einer RNZ-Umfrage an, dass sie bei ihrem bisherigen Abstimmungsverhalten bleiben wollen. Die Grünen wollen in dem Fall wieder vorschlagen, einen Bürgerrat einzusetzen, um alle potenziellen Standorte zu prüfen und zu bewerten.