Liselotte von der Pfalz: Das Ölgemälde entstand um 1670, also just zu jener Zeit, als sie aus politischen Gründen mit dem Herzog Philipp I. von Orléans verheiratet wurde. Die rund 20 Jahre alte Kurpfälzerin wurde damit zur Schwägerin König Ludwigs XIV. von Frankreich. Das Motiv ist dem Titel des besprochenen Buchs entnommen.
Von Heiko P. Wacker
Sie gilt als eine der tragischen Figuren der kurpfälzischen Geschichte: Liselotte von der Pfalz. Aus politischen Erwägungen hatte man sie an den französischen Hof verheiratet, doch blieb ihr das höfische Leben rund um den Sonnenkönig fremd. Sie berichtete in Tausenden Briefen von ihrem Alltag, was sie zu einer besonderen Chronistin macht, die ausgiebig und ungeniert ein halbes Jahrhundert lang mit ihrer Verwandtschaft korrespondierte.
Geboren wurde die bis heute in Heidelberg und der Kurpfalz mit Zuneigung bedachte Liselotte 1652 als Tochter des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz, der alle Mühe hatte, seinem vom Dreißigjährigen Krieg gezeichneten Land wieder auf die Füße zu helfen.
Karl Ludwig hatte aber nicht nur mit den Folgen des Krieges zu kämpfen - er sah auch die Bewegungen auf der politischen Bühne, hatte sich doch Frankreich zur mächtigsten Nation Europas entwickelt, die daran interessiert war, Herrschaftsgebiet und Machteinfluss weiter auszubauen. Dies war dem Sohn Friedrichs V., des "Winterkönigs", nur zu klar, als er im Oktober 1649 ins Heidelberger Schloss zurückkehren konnte.
Dort verlebte die junge Prinzessin ihre ersten, unbeschwerten Kindertage, an die sie sich noch mit 70 Jahren erinnern sollte: 1671 geriet sie in die Mühlen der Politik - der Heiratspolitik. Denn als adeliges Mädchen hatte ihre Jungfernschaft vor allem ein politisches Gewicht.
Und dieses warf Karl Ludwig in die Waagschale, als er Tochter Elisabeth Charlotte mit dem Herzog von Orléans verheiratete, dem Bruder des französischen Königs. Für den Vater schien dies eine Rückversicherung zu sein, um die Bedrohung seitens des mächtigen Nachbarn zu bannen, während die Braut, die zum Katholizismus konvertieren musste, einen tränenreichen Opfergang anzutreten gezwungen war. Eine Wahl blieb ihr nicht, wie es Karin Feuerstein-Praßer in ihrer Biografie darlegt, wobei sich der Leser an der kleinen Scharade delektieren möchte, die für die Öffentlichkeit der adeligen Höfe Europas gespielt wurde: Liselotte schreibt aus Metz, wo die Konversion vollzogen wird, einen Brief, in dem sie ihren Vater um Vergebung für den Übertritt bittet. Der tut denn so, als wäre er überrascht, muss er doch vor den anderen protestantischen Mächten das Gesicht wahren.
Alles Leben am Hof Ludwigs XIV. ist auf das Zentralgestirn ausgerichtet, Ludwigs Launen sind Gesetz. Ihnen unterwarf sich auch Liselottes Gemahl, der seinem Bruder kaum gewachsen war. Und auch Liselotte erkannte den Charakter ihres homosexuell veranlagten Gatten. Er war an den Frivolitäten mit seinen Günstlingen interessiert, die er auch mit jenem Geld unterhielt, das als Kriegsbeute aus der vom Orléans’schen Krieg geplagten Kurpfalz nach Versailles floss.
Ludwig XIV. sah beim Erlöschen der Linie Pfalz-Simmern seine Chance: 1685 war Liselottes Bruder, Kurfürst Karl von der Pfalz, verstorben, sodass in ihrem Namen und entgegen dem Erbschaftsvertrag seitens Frankreich Anspruch auf die Kurpfalz erhoben wurde. Der Erbfolgekrieg führte zu massiven Zerstörungen entlang des Rheins, gerade auch in der Pfalz. Und das Heidelberger Schloss wurde massiv beschädigt, nicht nur der hoch über der Stadt aufragende Dicke Turm ist seit den Sprengungen der französischen Mineure nur noch ein Fragment einstiger Pracht. Die Idee Karl Ludwigs, seine Tochter im Landesinteresse zu opfern, scheiterte grandios.
Liselotte verzweifelte an dem Krieg, der in ihrem Namen geführt wurde. Und doch genoss sie bei den Kurpfälzern hohes Ansehen. Man hoffte in Heidelberg auf ihre schützende Hand, die doch bei Ludwig XIV. darauf dringen würde, die Einquartierungslasten, Kontributionszahlungen und Gelderpressungen auszusetzen. Doch Liselottes Hand war machtlos.
In ihren Briefen nahm sie kein Blatt vor den Mund, was für ein zerrüttetes Verhältnis zwischen ihr und dem König sorgte. Mit Schuld daran hatte auch ihre Abneigung gegenüber den Lustbarkeiten am Hof, ihre vielleicht demonstrativ zur Schau gestellte Sehnsucht nach deutschem Essen oder der deutschen Sprache, ihre Abscheu vor den Künsten der französischen Ärzte oder ihr Standesdünkel. Ein Engel war Liselotte nicht.
Dies wird in Karin Feuerstein-Praßers Buch deutlich. Sie streut auch amüsante Zitate aus den vielen Tausend Briefen Liselottes ein - rund 20.000 soll sie geschrieben haben, 4000 bis 6000 dürften erhalten geblieben sein.
Info: Karin Feuerstein-Praßer: "Liselotte von der Pfalz. Ein Leben am Hof Ludwigs XIV.". Pustet Verlag, Regensburg 2016. SW-Abbildungen; Taschenbuch. 143 S., 14,95 Euro.