"Verwahrentgelt"

Sparkasse Heidelberg erhebt ab 500.000 Euro Strafzins

Sparkasse Heidelberg berechnet "Verwahrentgelt" bei einzelnen Privatkunden - Sparkassen Neckartal-Odenwald und Kraichgau nicht

19.12.2019 UPDATE: 20.12.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden
Die Hauptstelle der Sparkasse Heidelberg in der Kurfürsten-Anlage: Aufgrund der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank erhebt die Bank zum Teil so genannte „Verwahrentgelte“. Foto: Philipp Rothe

Heidelberg. (RNZ) Aufgrund der andauernden Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) führen immer mehr Banken und Sparkassen in Deutschland sogenannte "Verwahrentgelte" ein. Zu ihnen gehört auch die Sparkasse Heidelberg. Ab freien, nicht verplanten liquiden Mitteln in Höhe von 500.000 Euro berechne man den Firmen-, Gewerbe- und Privatkunden ein solches Verwahrentgelt, bestätigte ein Sprecher auf Anfrage der RNZ. Die Höhe richte sich nach dem Strafzinssatz, den die EZB von Geschäftsbanken verlangt, wenn sie Geld kurzfristig bei der Zentralbank parken. Dieser liegt aktuell bei 0,5 Prozent.

Bereits seit November gehe man auf betroffene Kunden zu und treffe mit ihnen entsprechende Individualvereinbarungen, sagte der Sprecher. Voraus ginge stets eine ausführliche Beratung zu Kapitalmarktalternativen. Wie viele Kunden betroffen sind, sagte der Sprecher nicht. Es seien aber "nur wenige".

Hintergrund ist, dass Geschäftsbanken seit 2014 selbst Strafzinsen zahlen müssen, für Geld, das sie bei der EZB anlegen. Diese Belastung wollen sie weitergeben. Dass sich die Situation bald ändert, ist nicht abzusehen: bei der EZB-Sitzung am 12. September wurde der Negativzins von 0,4 auf 0,5 Prozent gesenkt. Deshalb haben viele Banken und Sparkassen reagiert. Nach einer Erhebung des Finanzportals Biallo erheben mittlerweile fast 150 Geldhäuser Negativzinsen. Zum großen Teil sind Geschäftskunden betroffen, immer öfter aber auch Privatkunden.

In der Regel gelten aber hohe Freibeträge, die Banken wollen ihre Kundschaft nicht vergraulen. Auch aus rechtlicher Sicht ist eine flächendeckende Einführung von Negativzinsen problematisch. Das Landgericht Tübingen hatte bereits im Januar 2018 entschieden, dass bei Altverträgen das Verwahrentgelt nicht nachträglich per Klausel im Preisaushang eingeführt werden darf. Lediglich individuelle Vereinbarungen sind möglich. Dennoch rechnet Oliver Maier, Geschäftsführer Finanzvergleich bei dem Heidelberger Vergleichsportal Verivox, damit, dass in den nächsten Wochen und Monaten weitere Banken, die Negativzinsen einführen. "Spätestens wenn Kunden im großen Stil anfangen, Einlagen zu verschieben, wird es für die Banken schwerer, sich dem Trend zu Negativzinsen zu entziehen."

Glücklich ist die Sparkasse Heidelberg mit dem Verwahrentgelt nicht. "Wir stehen auf der Seite unserer Kunden", so der Sprecher. Als Sparkasse Heidelberg habe man sie über viele Jahre hinweg vor den Belastungen dieser Zinspolitik geschützt. "Es war und ist unser erstes Ziel, ihnen über eine entsprechende Beratung die Chancen einer Anlage am Geld- und Kapitalmarkt zu eröffnen, die – im Gegensatz zu einer Zinsanlage – derzeit eine höhere Rendite ermöglicht."

Auch interessant
Vorstoß im Bundesrat: Söder will Strafzinsen für Kleinsparer verbieten lassen
: Erste Sparkassen verlangen Gebühr für hohe Geldanlagen

Gleiches versucht die Sparkasse Neckartal-Odenwald: "Wir unternehmen schon seit Jahren erhebliche Anstrengungen, um die Weitergabe der EZB-Negativzinsen an unsere Kunden möglichst zu verhindern", sagte eine Sprecherin auf RNZ-Anfrage. Aus betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit sei man allerdings "gezwungen, für große Unternehmens- und Kommunalkunden mit hoher Liquidität für hohe Summen ab Anfang nächsten Jahres Verwahrentgelte einzuführen". Es handle sich jedoch lediglich um eine kleine Zahl von Kunden (Unternehmen, Städte oder Gemeinden), mit denen individuelle Vereinbarungen getroffen würden. Zur Höhe der Verwahrentgelte äußert sich die Sprecherin nicht, betonte aber: Für Privatkunden habe man Verwahrentgelte derzeit nicht geplant. "Unser Ziel ist es, diese solange wie möglich für den normalen Sparer zu vermeiden. Sollten allerdings gegebenenfalls alle Kreditinstitute Verwahrentgelte einführen, wäre unser Haus ebenso gezwungen, darüber nachzudenken, diese bei sehr hohen Summen zu erheben."

Und auch die Kunden der Sparkasse Kraichgau könnten auf Dauer nicht um Negativzinsen herumkommen: "Die betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten können wir als Sparkasse auch im Privatkundengeschäft nicht auf Dauer ignorieren", so eine Sprecherin. "Darüber hinaus beobachten wir aufmerksam die Reaktionen unserer Mitbewerber auf die Zinspolitik der EZB." Je mehr Institute aktuell Verwahrentgelte einführten, umso mehr müsse man sich davor schützen, mit den Anlagegeldern von deren Kunden "geflutet" zu werden. "Es wird also auch für uns zusehends schwieriger, für private Kundengelder ab einer bestimmten Größenordnung kein Verwahrentgelt zu berechnen. Konkrete Beschlüsse für die Einführung eines Verwahrentgelts für private Kundengelder gibt es jedoch nicht."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.