SAP beschäftigt in Deutschland etwa 23 000 Mitarbeiter, nur wenige kommen derzeit ins Büro. Foto: dpa
Von Matthias Kros
Walldorf. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die Arbeit in vielen Berufen auch an anderen Orten erledigt werden kann. Das könnte in manchem Unternehmen auch langfristig zu einem Umdenken führen. "Aufgrund der neuen Erfahrungen und Erkenntnisse planen Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, Homeoffice auch nach der Krise intensiver zu nutzen als vor dem Beginn der Corona-Pandemie", sagt Daniel Erdsiek vom Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Das könne auch Folgen für den künftigen Bedarf an Büroflächen haben, vermutet Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Viele Firmen werden sich überlegen, wie sie angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage Flächen sparen und damit Kosten reduzieren können."
Der Softwarekonzern SAP erwartet beispielsweise, dass der verstärkte Einsatz von Homeoffice auch Auswirkungen auf die Nutzung der eigenen Büroflächen am Stammsitz Walldorf und dem benachbarten Rot haben wird. Das sagte Cawa Younosi, Personalchef Deutschland, im Gespräch mit der RNZ. "Wer einen dauerhaften Heimarbeitsplatz hat, der braucht dann nicht einen weiteren, verwaisten im Büro". Man werde die bestehenden Büroflächen umgestalten, gegebenenfalls reduzieren und anders nutzen als bisher. Klassische Büroarbeitsplätze würden künftig verstärkt für Treffen und Besprechungen umgebaut. "Den alten Automatismus: Mehr Mitarbeiter gleich mehr Büroflächen wird es bei SAP jedenfalls so nicht mehr geben", so Younosi.
SAP-Personalchef Deutschland Cawa Younosi. Foto: zgÄhnlich argumentiert der Softwarespezialist SNP und legte seine Pläne für eine neue, größere Zentrale am Stammsitz in Heidelberg kurzerhand auf Eis. Grund dafür sei unter anderem, so Finanzchef Heiner Diefenbach gegenüber der RNZ, dass aktuell das Homeoffice so gut funktioniere und man an einer Regelung feile, wie man sich auch nach der Pandemie flexibler organisieren könne. Und der Versicherer Allianz hat ausgerechnet, dass dank Homeoffice rund 30 Prozent der Büroflächen langfristig wohl nicht mehr gebraucht werden und deshalb geplante Immobilienprojekte in Frage gestellt.
Die SAP gehört zu den Pionieren von Mobilarbeit in Deutschland, bereits seit 2018 dürfen die Mitarbeiter ihren Arbeitsort frei wählen. Schon vor Ausbruch der Pandemie arbeiteten die Mitarbeiter deshalb im Schnitt 2,6 Tage im Homeoffice. Für die Zukunft rechnet Younosi mit einem etwas höheren Wert. Man arbeite daher mit den Arbeitnehmervertretern an einer freiwilligen Betriebsvereinbarung für alle Mitarbeiter, die ihren Arbeitsschwerpunkt dauerhaft nach Zuhause verlagern wollten.
Auf dem Höhepunkt der Pandemie waren nahezu alle Mitarbeiter des Softwarekonzerns auf Anweisung der Geschäftsführung ins Homeoffice gewechselt. Seit kurzem stellt das Management den Beschäftigten wieder frei, ins Büro zu kommen, auch die Kantine hat wieder geöffnet. Allerdings machen täglich nur etwa 1200 bis 1300 der deutschlandweit 23.000 Mitarbeiter von dem Angebot Gebrauch. Deshalb habe man die anfangs bestehende Beschränkungen auf acht Besuche im Monat nach Voranmeldung wieder aufheben können.
An eine vollständige Rückkehr der SAP-Belegschaft ins Büro ist derzeit ohnehin nicht zu denken. Weil Corona-Auflagen wie ein Mindestabstand zueinander eingehalten werden müssen, sei die Zahl der potenziellen Arbeitsplätze auf rund 30 Prozent pro Gebäude gesunken. Bei SAP hatten sich bislang häufig zwei bis vier Mitarbeiter ein Büro geteilt.
Man gehe davon aus, dass die bestehende Regelung noch mindestens bis Mitte 2021 bestehen bleibe, sagte Younosi. Voraussetzung sei ein Ende der Pandemie etwa durch die Zulassung eines wirksamen Impfstoffes.
Das ZEW hatte Anfang August bei einer groß angelegten Umfrage ermittelt, dass fast 40 Prozent aller Unternehmen Homeoffice auch nach der Pandemie nutzen wollen. Ein aktueller Vorstandsbeschluss bei Siemens sieht beispielsweise vor, dass die rund 140.000 Mitarbeiter künftig an zwei bis drei Tagen pro Woche mobil arbeiten können. Auch bei der BASF, größter Arbeitgeber der Region, tut sich etwas: "Wir diskutieren derzeit, wie wir die Arbeitsweisen in Zukunft gestalten werden", sagte eine Sprecherin. "Mobiles Arbeiten mit räumlicher und zeitlicher Flexibilität wollen und werden wir weiter fördern". Vorstandschef Martin Brudermüller schwebt eine Hybrid-Lösung vor: "Wir werden nicht mehr zu dem zurückkehren, was wir einmal hatten, wir werden aber auch nicht alle virtuell zu Hause am Schreibtisch bleiben."