Eine Produktionsmitarbeiterin der Firma Engelmann Sensor GmbH zeigt einen Wärmemesser. Auf diesem Gebiet ist die Firma europaweit führend. Abrechnungsdienstleister wie hier Techem setzen auf die Produkte, die in Baiertal gefertigt werden. Foto: Helmut Pfeifer
Von Timo Teufert
Wiesloch-Baiertal. Heizungsablesung zwischen 12 und 18 Uhr. Wenn Mieter diesen Zettel an ihrer Wohnungstür vorfinden, ist vor allem eines gefragt: Geduld beim Warten auf den Ableser. Doch diese Zettel – und damit das händische Ablesen von Wärmezählern und Wasseruhren – werden in den nächsten Jahren immer seltener, denn seit dem 25. Oktober dürfen mit Inkrafttreten der EU-Energieeffizienzrichtlinie nur noch Zähler und Heizkostenverteiler eingebaut werden, die fernauslesbar sind. Bis zum 1. Januar 2027 müssen alle Mietwohnungen mit der neuen Technik ausgestattet sein. Glück für die Engelmann Sensor GmbH in Baiertal. Sie ist ein "Hidden Champion" im Bereich der Wärmemessgeräte, die man per Funk auslesen kann: Bei Wärmezählern für Fußbodenheizungen ist Engelmann europaweit führend, allein in den letzten drei Jahren verkaufte man davon 1,5 Millionen Stück.
"Die EU-Energieeffizienzrichtlinie wird zu einem Boom bei der Ausstattung mit Smart Metern führen", sagt Geschäftsführer Michael Keuthen im Gespräch mit der RNZ. Denn es bestehe im Markt ein hoher Nachholbedarf: "Wir schätzen, dass 40 bis 50 Prozent der Wärmemessgeräte noch nicht mit der Funktechnologie ausgestattet sind." Bislang hätten Vermieter sehr viel Beharrungsvermögen gehabt und teilweise sogar noch die alten Verdunsterröhrchen eingesetzt. "Doch jetzt hat der Gesetzgeber Fakten geschaffen", so Keuthen. Die EU-Richtlinie sieht auch vor, dass ab dem 1. Januar 2022 die Mieter in den Häusern, in denen bereits Smart Meter verbaut sind, monatlich mit aktuellen Verbrauchsinformationen versorgt werden. "Mit unseren Geräten versetzen wir die Menschen erst in die Lage, dass diese Digitalisierung stattfinden kann", erklärt Keuthen. Durch die erhobenen Daten würden die Verbraucher sensibilisiert, wie viel sie tatsächlich an Energie für Heizung und Warmwasser verbrauchen.
Geschäftsführer Michael Keuthen in der Produktion. Foto: Helmut PfeiferAllerdings sind die Abnehmer von Engelmann nicht Endkunden, sondern sogenannte Abrechnungsdienstleister, von denen es rund 400 in Deutschland gibt und die sich um die Abrechnung von 20 Millionen Wohnungen kümmern. "Wir erwarten in den nächsten Jahren einen deutlichen Schub, weil unsere Geräte die Prozesse bei den Abrechnungsdienstleistern vereinfachen", sagt Keuthen. Und bis 2027 alle Geräte digitalisiert werden müssen. Die Geräte von Engelmann funken mit dem Open Metering System, einer Kommunikationstechnologie, die hersteller- und spartenübergreifend ausgelesen werden kann. "Unsere Firma hat früh auf die richtige Karte gesetzt und diesen offenen Standard seit 2012 mitentwickelt", erklärt der Geschäftsführer.
Mittlerweile hat Engelmann um das Kernprodukt – den Wärmezähler für Fußbodenheizungen – viele weitere Geräte entwickelt: Zähler für warmes und kaltes Wasser, Heizkostenverteiler direkt zur Montage an den Heizkörpern, Gateways für die Datensammlung und -weitergabe sowie Rauchwarnmelder. "Den Abrechnungsdienstleistern stellen wir die Daten in einer Cloud zur Verfügung", erläutert Keuthen.
Die Fertigung liegt seit 40 Jahren versteckt im Gewerbegebiet des Wieslocher Stadtteils Baiertal, eingebettet in die Kraichgauer Hügellandschaft direkt am Waldangelbach. Am Ende einer Sackgasse – zwischen einem Baustoff- und einem Landmaschinenhandel – produzieren 175 Mitarbeiter die hochsensiblen Messgeräte für ganz Europa. Für den asiatischen Markt gibt es zudem ein Werk mit 50 Mitarbeitern in China. In den vergangenen Jahren wurde viel in die Firma investiert (siehe Hintergrund), Produktionsabläufe verschlankt und automatisiert und der Bereich Forschung und Entwicklung mit 20 Mitarbeitern deutlich ausgebaut.
Am Standort Baiertal hält das Unternehmen fest, weil es von dort aus flexibel agieren kann: "Alle Zähler werden individuell für unsere Kunden hergestellt. Wenn Ersatzgeräte gebraucht werden, liefern wir innerhalb von vier Tagen", so Keuthen. Würde man die Produktion nach Asien verlagern, wären die Geräte sechs Wochen unterwegs. "Das macht keinen Sinn."
Alle Komponenten für die Zähler werden in Baiertal zusammengebaut, in einer Produktionslinie, die laut Geschäftsführer Keuthen in Deutschland einmalig ist. In dieser Fertigungsstraße wird die Elektronik mit den Temperaturfühlern verheiratet und schließlich auf die Messingteile gesetzt, in denen sich mechanische Flügelräder oder Ultraschallsensoren befinden, um die Durchflussmenge zu messen. "Alle Teile werden automatisch bei drei verschiedenen Temperaturen kalibriert, angelernt und schließlich geeicht", so Keuthen. "Die Hard- und Software sind so abgestimmt, dass die eingebaute Batterie die Elektronik über die fünf Jahre Eichzeit versorgen kann", so Keuthen. Natürlich ist auch eine Reserve eingebaut, damit sicher gestellt ist, dass das Gerät alle zwei Minuten Informationen über die Verbrauchswerte an die Datenbank funken kann.