Arbeiten unter Reinraumbedingungen: Bei Heideldruck in Wiesloch wird Organische Elektronik gedruckt. Foto: zg
Von Matthias Kros
Heidelberg. Leuchtende Tapeten, die bei Bedarf zum TV-Monitor mutieren, faltbare Handy-Displays und druckbare Solarzellen. Wenn es um "Organische Elektronik" geht, faszinieren solche Möglichkeiten Luat Nguyen, Geschäftsführer der Heidelberger InnovationLab GmbH, noch immer. Im Alltag darf es nach seinem Dafürhalten aber ruhig etwas bodenständiger zugehen: "Die Grundlagenforschung ist gut und wichtig, aber irgendwann muss man an den Markt gehen", erklärt der Manager. "Ansonsten läuft man Gefahr, in Schönheit zu sterben". Vor rund drei Jahren habe man deshalb die eigene Strategie entsprechend geändert. "From Fab2Lab" heißt seither das Motto, das Nguyen ausgegeben hat, also von der Entwicklung im Labor bis zur industriellen Fertigung. "Wir gehen aktiv an den Markt und sichern uns Entwicklungs- und Produktionsaufträge", erklärt er. Im laufenden Jahr seien dadurch bereits 1,6 Millionen Euro an eigenen Umsätzen – also ausschließlich der Gesellschafterzuschüsse – zusammengekommen.
Die Forschungsplattform rund um die InnovationLab GmbH geht auf den Gewinn des sogenannten Spitzencluster-Wettbewerbs "Organische Elektronik" im Jahr 2008 zurück, der 40 Millionen Euro an Fördergeldern in die Metropolregion brachte. Die "Organische Elektronik" wird auch "Polymer-Elektronik" genannt, weil hier Polymere, das heißt Kunststoffe, anstatt des üblichen Siliziums zum Einsatz kommen. "Organisch" bedeutet in diesem Zusammenhang also nicht, dass diese Technik etwas mit lebenden oder zellähnlichen Systemen zu tun hat. Unter organischen Substanzen verstehen Chemiker schlicht alle auf Kohlenstoff basierenden Materialien. Die sind nicht nur vergleichsweise günstig, sondern lassen sich auch "leichter entsorgen und sind somit umweltfreundlicher", weiß Nguyen.
Luat Nguyen - Geschäftsführer der Heidelberger InnovationLab GmbH. Foto: zg
InnovationLab hat daraus nun Sensoren entwickelt, etwa für Druck, Temperatur, Gas oder Optik. Der Clou dabei: Die Sensoren lassen sich als funktionale Tinte auf Folie drucken. Im industriellen Maßstab passiert das bereits im Wieslocher Stammwerk der Heidelberger Druckmaschinen AG. Für einen Kunden aus Nordrhein-Westfalen werden hier Sensoren gedruckt, mit dem die Kaudruckverteilung der Okklusion, also dem Zusammenschluss von Ober- und Unterkiefer, erstmals digital erfasst werden kann. Diese kann dann dreidimensional auf einem Tablet-PC sichtbar gemacht und archiviert werden, um vorhandene Fehlkontakte zu erkennen und im Anschluss zu korrigieren.
Gedruckt wird übrigens unter Reinraumbedingungen, denn schon kleinste Verunreinigungen durch Staub könnten das Druckergebnis verfälschen. Möglich ist das im InnovationLab selbst, das seit 2011 über eigene Reinraumlabore verfügt. Aber auch bei Heideldruck im Stammwerk Wiesloch auf einer entsprechend umgerüsteten Gallus Etiketten-Druckmaschine.
Heideldruck zählt übrigens auch zu den Gesellschaftern der InnovationLab GmbH, der weltgrößte Druckmaschinenbauer hat seinen Anteil vor kurzem sogar weiter ausgebaut und Anteile von der BASF übernommen, die ebenfalls mit an Bord ist. Hinzu kommen die SAP sowie die Universität Heidelberg und das KIT Karlsruhe. 35 Mitarbeiter, vorwiegend Maschinenbauer, Physiker, Chemiker und Softwareentwickler werden aktuell direkt beim InnovationLab beschäftigt. Hinzu kommen noch täglich bis zu 100 Forscher von Universitäten, Start-ups und natürlich von den Gesellschafterfirmen, die in den Laboren arbeiten.
Konkrete Anwendungsmöglichkeiten sieht Nguyen künftig vor allem im Gesundheitswesen und der Logistik sowie im Einzelhandel oder der Automobilindustrie. Sensoren auf Autositzen könnten beispielsweise einen erwachsenen Fahrer erkennen und verhindern, dass der Motor anspringt, wenn sich ein Kind ans Steuer setzt. Auch in Supermärkten könnten die Regalböden mit den bedruckten Folien ausgelegt werden und dadurch sofort erkennen, wenn etwas entnommen wird. Auf diese Weise ließen sich komplette Warenlager digitalisierten, so Nguyen.
Ideen gibt es also genug: "Wir haben viele Anfragen, manchmal müssen wir ablehnen, weil wir nicht genügend Kapazitäten haben", so der Geschäftsführer. Um mehr Talente für das Thema zu begeistern, will Nguyen das InnovationLab noch bekannter machen. Helfen dabei soll beispielsweise die weltweit erste Personalmesse rund um die Organische Elektronik, die Ende Oktober 2021 erstmals in Heidelberg stattfinden soll. Erwartet werden vor allem Studierende, die Finanzierung ist laut Nguyen mit der Bundesagentur für Arbeit bereits geklärt. Heidelbergs Oberbürgermeister Eckardt Würzner werde als Schirmherr der Veranstaltung fungieren.