Leerstand in Sachsen-Anhalt: Solche Bilder möchte Bundeswirtschaftsminister Altmaier in anderen Städten verhindern. Foto: dpa
Von Teresa Dapp und Barbara Klauß
Berlin/Heilbronn. Ob Bücher, Spiele, Kleidung oder Haushaltsgeräte: Zum Einkaufen muss man heute kaum noch das Sofa verlassen. Der Trend zum Online-Shopping geht auf Kosten kleinerer Geschäfte und damit auch der deutschen Innenstädte, die zunehmend veröden. Die Corona-Pandemie verschärft die Lage für Händler zusätzlich – nun will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ihnen unter die Arme greifen. Und zwar nicht nur mit Überbrückungshilfen gegen die Corona-Folgen, die bis Mitte 2021 verlängert werden. Ziel sei eine "Trendwende" hin zu mehr neuen Geschäften und lebendigen Stadtzentren, sagte der CDU-Politiker am Dienstag in Berlin. Aber wie?
Um das zu erörtern, hatte Altmaier mehr als 20 Expertinnen und Experten zum digitalen Austausch gebeten. Weitere Gespräche sollen folgen, an deren Ende ein schnell umsetzbares Handlungskonzept stehen soll. 2021 solle das Ladensterben gestoppt und 2022 umgekehrt werden, sagte Altmaier – dann sollten es wieder mehr Menschen wagen, sich in den Innenstädten selbstständig zu machen. Es gehe nicht nur um wirtschaftliche Fragen, sondern um die kulturelle Identität.
Doch der Weg dahin ist weit. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands HDE, Stefan Genth, sieht derzeit bundesweit bis zu 50.000 Geschäfte in Gefahr. Der Umsatz liege im Schnitt etwa 30 Prozent unter dem Normalwert – weil die Leute Corona-bedingt weniger in die Städte gingen. Altmaier betonte, dass die Pandemie die Probleme vergrößere – doch habe der Einzelhandel schon vor der Corona-Krise in einigen Bereichen bis zu 30 Prozent des Umsatzes an Online-Händler abgeben müssen, dazu komme die Konkurrenz durch Einkaufszentren auf der "grünen Wiese".
Digitalisierung ist aus Sicht der Experten einer der Schlüssel – oder auch die "Verlängerung der Ladentheke ins Internet". Sprich, Kunden sollen nicht nur bei Amazon, Zalando und anderen großen Händlern online shoppen können.
Der HDE fordert dafür ein Hilfsprogramm für Händler, also finanzielle Unterstützung, aber auch Begleitung durch Fachleute. An manchen Stellen gibt es solche Unterstützung bereits: So haben etwa in Heilbronn die städtische Wirtschaftsförderung, die Stadtinitiative Heilbronn e.V. und das City Management der Heilbronn Marketing GmbH (HMG) eine Online-Seminarreihe unter dem Titel "Fit für die digitale Zukunft" organisiert. In kostenlosen Seminaren – etwa zu sozialen Medien oder Chancen des Digitalen – sollen die Teilnehmer Impulse bekommen, um ihre Sichtbarkeit im Internet zu erhöhen, wie die Beteiligten kürzlich mitteilten. Die Notwendigkeit, online und auf den Social-Media-Kanälen präsent zu sein, habe sie schon vor einer Weile erkannt, erklärte etwa Nilguen Römer, die in Heilbronn eine kleine Boutique hat. "Die Corona-Krise hat mir aber nochmal vor Augen geführt, wie wichtig es ist, hier kontinuierlich aktiv zu sein."
Konkrete Zusagen für ein solches Hilfsprogramm machte Altmaier noch nicht – sie könnten Teil des angestrebten Konzeptes werden. Einen Zeitplan dafür nannte Altmaier auch nicht. Konkret kündigte er aber an, sich erneut für mehr Sonntagsöffnungen während der Corona-Krise einzusetzen – für den Sommer sei das mit dem Koalitionspartner SPD nicht zu machen gewesen. Werde man sich nicht einig, sollten Bundesländer vorangehen.
Für große Händler ist die Digitalisierung kein Neuland mehr. Bei Douglas etwa kommen der Chefin Tina Müller zufolge fast 40 Prozent des Umsatzes aus dem Netz-Geschäft. Diese Möglichkeit hätten kleinere Händler oft nicht, es brauche Konzepte zur Unterstützung. Mehrere Unternehmen, darunter Douglas oder Vodafone, haben bereits Plattformen und "Marktplätze" gegründet, über die sie kleineren Händlern helfen, Produkte online zu vermarkten. Der Verband HDE hat gemeinsam mit Amazon im September ein Programm gestartet, das Wissen zum Online-Handel vermitteln soll.