IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban möchte die Arbeitgeber mehr in die Pflicht nehmen und die betriebliche Altersvorsorge stärken. Foto: Veigel
Von Benjamin Auber und Thomas Veigel
Gewerkschafter Hans-Jürgen Urban (55) ist seit knapp zehn Jahren geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Mit der Kampagne "Mehr Rente - Mehr Zukunft" begleitet die IG Metall den Bundestagswahlkampf.
Herr Urban, worin besteht für Sie der größte Handlungsbedarf in der Rente?
Wir machen uns für eine Anhebung des Rentenniveaus stark. Das ist für uns das zentrale Thema. Vor allem wollen wir Menschen helfen, die massiv von Altersarmut betroffen sind. Aber auch diejenigen, die um ihren Lebensstandard fürchten, müssen wir unterstützen. Die Rente muss stabilisiert werden.
Wie sieht denn Ihr Rentenkonzept aus?
Gesetzliche Änderungen sind notwendig, denn ein rasanter Absturz des Rentenniveaus, wie ihn die Politik in den nächsten Jahrzehnten vorsieht, können wir nicht hinnehmen. Wir haben deshalb einen Drei-Stufen-Plan vorgesehen: ein sofortiger Stopp des Absenkens, eine Wiederankoppelung der Löhne an das Rentenniveau und schließlich eine Wiederanhebung. Dafür benötigen wir einen Generationendialog insbesondere mit den jungen Generationen.
Ein ambitioniertes Ziel. Aber wie sollen Ihre Forderungen finanziert werden?
Zunächst wollen wir die Nachhaltigkeitsreserve ausnutzen, um Rücklagen für die Rentenversicherung zu bilden. Zweitens müssen wir für gesamtgesellschaftliche Angelegenheiten, wie beispielsweise die Mütterrente oder die Ost-West-Angleichung, andere steuerbasierte Finanzierungsquellen verwenden. Schließlich ist es dringend notwendig, dass wir auf eine Erwerbstätigenversicherung zusteuern, in die alle einzahlen.
Haben Sie auch Vorschläge für die private Vorsorge?
Privatrenten sind der falsche Weg, weil sie von den Beschäftigten bezahlt werden. Für die Riester-Rente gehen viel zu viele zusätzliche Kosten ab. Die Kapriolen auf den internationalen Finanzmärkten zu unterstützen, ist Unsinn. Alterssicherung braucht Verlässlichkeit.
Dann kommen wir nicht ohne höhere Rentenversicherungsbeiträge aus, oder?
Darüber müssen wir sensibel diskutieren. Ohnehin sieht die Bundesregierung schon eine Anhebung auf 22 Prozent vor. Um ohne die Privatwirtschaft eine robuste Rente zu bekommen, benötigen wir einen noch etwas höheren Beitrag. Aber das ist allemal günstiger, als wenn die Beschäftigen vier oder mehr Prozent in die Riester-Rente stecken müssen.
Beurteilen Sie die betriebliche Altersvorsorge auch so negativ?
Als IG Metall sind wir Anhänger der betrieblichen Altersvorsorge. Aber nicht als Ersatz, um die Löcher in der Rentenversicherung zu füllen. Wir brauchen eine Rückkehr zu klassischen Betriebsrenten, die sichere Zusagen vorsehen. Eindeutig sind hier die Arbeitgeber in der Pflicht.
Setzen Sie sich für eine Mindestrente ein?
Eine Rente nach Mindesteinkommen etwa ist sinnvoll. Wir müssen aber zugleich gegen prekäre Arbeitsverhältnisse kämpfen und vor allem den Mindestlohn kontinuierlich erhöhen. Das eigentliche Problem ist, dass die Bundesagentur für Arbeit für Langzeitarbeitslose keine Beiträge mehr zahlt. Die Bundesagentur darf keine Sparkasse sein, sondern muss anständige Sozialpolitik machen. Diese Renten müssen aufgewertet werden, dann erreichen wir auch angemessene Renten.
Ist die Rente mit 70 nicht auch ein Weg, um die klammen Kassen zu füllen?
Die Erhöhung der Regelaltersgrenze führt völlig in die falsche Richtung. In unseren Mitgliederbefragungen wird deutlich, dass es sehr viele nicht einmal schaffen bis 65 zu arbeiten. Diesen Menschen steuern auf eine Abschlagsrente zu. Es ist eine Illusion zu glauben, dass das unsere Probleme lösen würde. In Wahrheit werden die Beschäftigen bestraft, die sehr hart für ihr Geld arbeiten.