1899 Hoffenheim trifft Angstgegner Bayer Leverkusen

Ein Griff in die Erinnerungsschatzkiste: Der Pokal-Coup 2003, die historische Heimniederlage 2009, das Phantomtor 2013 – bei "Hoffe" gegen Bayer ist immer viel los

22.01.2016 UPDATE: 23.01.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Bundesliga-Geschichte: Ein Kopfball von Stefan Kießling (l.) rutschte am 18. Dezember 2013 durch ein Loch im Außennetz ins Hoffenheim-Tor. Foto: Imago

Von Joachim Klaehn

Heidelberg. Für Bayer Leverkusen ist die TSG 1899 Hoffenheim der Traumgegner, umgekehrt ist für den Dorfverein der Werksklub der Angstgegner. Laut Statistik ist das die Ausgangskonstellation vor dem Bundesliga-Spiel am heutigen Samstag (15.30 Uhr, Rhein-Neckar-Arena) zwischen den beiden Kontrahenten. 15 Aufeinandertreffen gab es bis dato, 13 Mal siegte Bayer, ein Remis und ein Erfolgserlebnis für "Hoffe" stehen zu Buche (Torverhältnis 12:36) - lediglich gegen den deutschen Branchenkrösus FC Bayern München fällt der direkte Vergleich (kein Sieg, vier Unentschieden, elf Niederlagen, Torverhältnis 11:36) ähnlich ernüchternd aus.

Eine klare Sache also?

Bayer blieb jedenfalls in der Hinrunde hinter den eigenen Erwartungen zurück. Insgesamt zu wenig Stabilität sowie eklatante Leistungsschwankungen innerhalb einer Partie kennzeichneten den Weg. Der Anspruch unterm Bayer-Kreuz ist unvermindert hoch, lediglich die Tatsache, dass die Schmidt-Schützlinge noch sportliche Aussichten in drei Wettbewerben (Liga, DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Werder Bremen und Europa League) haben, hübscht die Spielzeit auf.

Annähernd 90 Prozent der Winter-Vorbereitung bestritt Bayer im Trainingslager in Orlando/Florida, die Zeitumstellung macht vielleicht auch den jüngsten Testspiel-Patzer gegen den Zweitligisten VfL Bochum (1:2) erklärbarer, Leverkusen fehlte eine gewisse Frische in den Beinen.

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Doch mit dem Startschuss in die zweite Saisonhälfte soll, ähnlich wie bei Schlusslicht Hoffenheim, unbedingt der Resetknopf gedrückt werden. Trainer Roger Schmidt warnte seine Stars vor der ersten Herausforderung 2016 ausdrücklich: "Hoffenheim steht mit dem Rücken zur Wand. Wenn man als Tabellenletzter überwintert, wird man als Mannschaft, Trainer und Verein alles dafür tun, um das erste Heimspiel zu gewinnen. Sie werden uns alles abverlangen."

"Hoffe" gegen Bayer - in der Erinnerungsschatzkiste liegt so mancher Aufreger. Eine ganz bittere Pille mussten die Rheinländer am 2. Dezember 2003 im Achtelfinale des DFB-Pokals schlucken. Mit 3:2 (2:0) gewann der damalige Regionalligist unter Trainer Hansi Flick, so dass die Gesichtszüge seines Leverkusener Arbeitskollegen Klaus Augenthaler noch markanter wurden. 6500 Zuschauer im Hoffenheimer Dietmar-Hopp-Stadion waren aus dem Häuschen, für die aufstrebende TSG hatten Stephan Sieger (7./Foulelfmeter), Heiko Throm (30.) und Kai Herdling (77.) getroffen, für die geschockten Gäste zwischenzeitlich Lucio (54.) und Dimitar Berbatov (67.). Es pfiff Felix Brych.

Unvergessen bleibt darüber hinaus das 1:4 (1:3) vom 13. Februar 2009. "Hoffe" hatte nach einer glänzenden Vorrunde im Bundesliga-Premierenjahr und neun spektakulären "Heimauftritten" im Mannheimer Carl-Benz-Stadion unter Trainer-Professor Ralf Rangnick die Herbstmeisterschaft geholt. Nach dem Umzug in die Sinsheimer Arena fügte Bayer den "Himmelsstürmern" historisch die erste Heimniederlage auf Erstliga-Niveau zu. Sejad Salihovic (32./Foulelfmeter) war das zwischenzeitliche 1:2 geglückt - bei Leverkusen wurde übrigens der aktuelle TSG-Kapitän Pirmin Schwegler eingewechselt.

Für Emotionen pur und ein unbefriedigendes Nachspiel sorgte das 1:2 (0:1) am 18. Oktober 2013. Sidney Sam (26.) und Sven Schipplock (88.) waren jeweils vor 25 200 Besuchern erfolgreich, der Kopfball von Stefan Kießling (70.) rutschte durch ein Loch im Außennetz ins Tor. Kießling und die Bayer-Akteure jubelten verhalten, "Hoffe" protestierte unverständlicherweise nicht großartig - und Schiedsrichter Felix Brych gab den kuriosen Treffer, der keiner war.

Die TSG legte Einspruch gegen die Wertung der Partie ein, Trainer Markus Gisdol pochte auf eine Spielwiederholung ("Alles andere wäre ein Witz"), das DFB-Sportgericht berief sich auf das Prinzip der Tatsachenentscheidung - das Phantomtor von Sinsheim hat seinen festen Platz in der Bundesliga-Geschichte. Später räumte Blondschopf Kießling ein: "Das Phantomtor war der schlimmste Treffer meines Lebens." In der Tat: Kießling sah sich schlimmsten Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt.

Die genannten drei Beispiele illustrieren nachhaltig, dass "Hoffe" und Bayer gemeinsam auf außergewöhnliche Ereignisse zurückblicken dürfen. Welche Facette einer ganz speziellen Beziehung die Fangruppen heute wohl kredenzt bekommen? Im Fußball ist alles möglich - die Begriffe Traumgegner und Angstgegner können sich binnen Sekundenbruchteilen entscheidend relativieren …

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