Siegen oder fliegen
In der Champions League braucht die TSG dringend einen Dreier bei Olympique Lyon

Abschlusstraining im Groupama-Stadium. Foto: APF
Von Joachim Klaehn
Lyon. Ein bisschen Abenteuer ist bei Champions-League-Reisen immer dabei. Den Eingang zum Pressebereich zu finden, war schon ein kleines Kunststück. Ein Teil des Servicepersonals schickte die ausländischen Gäste eine Ebene hoch, ein anderer wieder runter. So gab es eine unfreiwillige Stadionführung, durch das Vereinsmuseum von Olympique Lyonnais und auch durch Passagen des fast leeren Fanshops. Alles wirkte vor den Toren der Stadt gigantisch, weitläufig, verwirrend. Auch Hoffenheims Cheftrainer Julian Nagelsmann mag sich im Auditorium des EM-Stadions wie ein junger Student in der Einführungs- und Orientierungswoche vorgekommen sein.
Er setzte sich am Dienstagabend in die zweite Reihe des Hörsaals, lauschte erst einmal den Worten seines Kapitäns Kevin Vogt und scherzte mit seinem Videoanalysten Benjamin Glück. "Wenn wir unsere Chancen wahren wollen, dann müssen wir einen Sieg einfahren. So wird auch unsere Herangehensweise sein", sagte Vogt im Brustton der Überzeugung.
Siegen oder fliegen - was sollte der Abwehrchef auch sonst erzählen. Am 4. Spieltag der Gruppe F geht es für die TSG 1899 Hoffenheim um alles oder nichts, und auch Olympique darf sich im Hinblick auf den lukrativen zweiten Platz keinen Ausrutscher leisten. Endspiel-Charakter im Groupama-Stadium - am Mittwoch (21 Uhr/DAZN) herrscht Hochspannung bei beiden Kontrahenten und deren Anhängern.

Dabei war auch Trainer Julian Nagelsmann, der mit dem Ball am Fuß jonglierte. Foto: APF
"Es ist nahezu ein K.o.-Spiel", befand Nagelsmann, der dieses Auswärtsspiel als schwierige, aber machbare Herausforderung annimmt. Der Underdog aus dem Kraichgau möchte nichts Grundsätzliches an seinem beschwingten Spielstil gegen den renommierten französischen Rivalen ändern, der seinerseits auf sieben Meistertitel, fünf Pokaltriumphe und eine Champions-League-Halbfinalteilnahme 2010 gegen die Bayern zurückblicken darf.
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"Wir werden wieder offensiv auftreten", gab sich Nagelsmann ähnlich optimistisch und kämpferisch wie vor dem spektakulären 3:3 am 23. Oktober in der heimischen Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena. Es war ein verrücktes Match mit einer Anhäufung von Patzern auf beiden Seiten. Also gilt es, dies sollte ein wesentlicher Ansatzpunkt sein, adäquate Fehlervermeidungsstrategien zu entwickeln. "Wir werden kleine Veränderungen vornehmen. Lyon hatte ganz gefährliche Konter im Hinspiel, deshalb werden wir ähnlich wie in Leverkusen ein Augenmerk auf die Kontersicherung legen", verriet Nagelsmann immerhin, ohne konkret auf taktische Details oder gar auf seine Startelf-Formation einzugehen.

Reiss Nelson zog sich die Ärmel ganz lang und war offenbar in Gedanken schon beim Duell gegen die Franzosen. Foto: APF
Frohe Botschaften gab es von Kevin Vogt (Oberschenkel) und Andrej Kramaric (Schlag in die Kniekehle). Beide Leistungsträger der "Nagelsmänner" konnten das Abschlusstraining absolvieren. Dennoch nahm der TSG-Trainer zwei Feldspieler mehr nach Lyon mit. Er wollte die insgesamt 20 Hoffenheimer Akteure genau inspizieren. "Ich habe gerne einen Tag vor dem Spiel einen Eindruck von der gesamten Truppe. Wie fühlen sie sich? Wie sehen sie aus? Und damit meine ich nicht die Frisuren, sondern ihren körperlichen Zustand", erklärte Nagelsmann seine Beweggründe in gewohnt launiger Art und Weise.
Die Stimmung scheint nach zuletzt drei Erfolgserlebnissen in der Bundesliga im Hoffenheimer Tross bestens zu sein. Auch das Zweitrunden-Aus im DFB-Pokal (0:2 bei RB Leipzig) scheint diese nicht zu trüben. "In der Bundesliga sind wir wieder in der Spur. Ich weiß nicht, wie die Stimmung bei Lyon ist, bei uns ist sie jedenfalls gut", schickte Nagelsmann mit einem versteckten Grinsen hinterher.
"Hoffe" wartet immer noch auf seinen ersten historischen Dreier in der Königsklasse. Am Mittwochabend soll’s endlich klappen. Rund 50.000 Tickets sind in der geschichtsträchtigen Metropole an der Rhône und der Saône für das knifflige Duell verkauft worden. Insgesamt 1600 Kraichgau-Fans werden das Team in Lyon unterstützen, einige reisten bereits am Dienstag an, andere folgen heute per Flugzeug, TGV, mit Bussen und Pkws.
Olympique- und TSG-Fans können sich am Spieltag selbst am Place Bellecour treffen. Hüben wie drüben sollte möglichst niemand die Orientierung verlieren, zumal es in Sinsheim zu der einen und anderen Aufgeregtheit zwischen den unterschiedlichen Lagern kam.
Wenn das größte Abenteuer auf dem Spielfeld stattfindet, ist alles in Ordnung. Ein heißes K.o.-Spiel ist jedenfalls in Lyon vorprogrammiert.