Gescheiterte Champions League Qualifikation

Hoffenheim ist noch nicht bereit für die Königsklasse

Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann kritisiert nach dem 2:4 in Liverpool das "kopflose Anrennen" seiner Mannschaft

24.08.2017 UPDATE: 25.08.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 45 Sekunden

Steven Zuber war nach der 2:4-Niederlage bedient. 

Von Tobias Schächter

Liverpool. Die letzten 25 Minuten des großen Spiels am Mittwochabend in Liverpool verbrachte Julian Nagelsmann sitzend auf der Ersatzbank. Fast wie ein Zuschauer. Die TSG Hoffenheim lag 1:4 beim FC Liverpool zurück. Irgendwann, erklärte der TSG-Trainer Nagelsmann später, müsse man eben einsehen, dass der Gegner besser sei und ein Spiel entschieden. Rumfuchteln bringe dann nichts mehr, das entspräche auch nicht seinem Naturell.

Aber Julian Nagelsmann war dann ganz bei sich, als er sich und seinen Spielern nach dem Ausflug in die große Fußballwelt empfahl: "Das heute sollte Ansporn sein, sich zu entwickeln und irgendwann mit diesen Weltklassespielern mithalten zu können." Am Mittwoch waren diese Nagelsmänner dafür noch nicht bereit. Der Champions-League-Traum der TSG Hoffenheim ist nach dem 1:2 im Hinspiel und dem noch schmeichelhaften 2:4 beim FC Liverpool geplatzt.

Aber für die Badener und ihren Anhang geht es ja trotzdem weiter im Europapokal. am heutigen Freitag in Monaco werden die Gruppen für die Europa-League ausgelost, an der der Tabellen-Vierte der vergangen Bundesligasaison nach dem Aus in den Champions-League-Playoffs nun teilnehmen wird. Auch deshalb ließen sich die 2500 Hoffenheimer Fans in Liverpool die Laune nach dem Abpfiff nicht verderben. "Europapokal, Europapokal" sangen sie wie nach einem Sieg.

Vielleicht, so Nagelsmann, sei es ja nicht schlecht, nun auf kleinerer Ebene "international reifen zu können", und auf Teams zu treffen, die "gut zu uns passen". Beim ersten Pflichtspiel außerhalb der Landesgrenzen war für den Europapokalnovizen an der berühmten Anfield Road einfach alles eine Nummer zu groß: Das Stadion, der Gegner, die Aufgabe.

Schon nach 21 Minuten lag die TSG mit 0:3 hoffnungslos hinten. Zerknirscht attestierte Nagelsmann seinen Spielern "Überemotionalität" und ein "total kopfloses Anrennen" mit "Stückwerk offensiv wie defensiv". Die großartige Atmosphäre im legendären Stadion wirkte wohl einschüchternd auf seine Spieler, für den Trainer aber waren andere Dinge entscheidend, er meinte: "Wenn wir so auf dem Platz des FC Zuzenhausen gespielt hätten, hätten wir auch 4:2 verloren." In Zuzenhausen steht das Trainingszentrum der TSG, in das der Hoffenheimer Tross gestern doch ziemlich bedröppelt zurückkehrte, um sich auf die Bundesligapartie am Samstag in Leverkusen vorzubereiten.

In Nordengland lernten die Nagelsmänner ziemlich schmerzhaft ihre Grenzen kennen. In der Anfangsphase rannten die Spieler wild ins Verderben und wurden von den blitzschnellen Liverpoolern gnadenlos bestraft. Nach dem 3:0 durch den zweiten Treffer des deutschen Nationalspielers Emre Can (21.) und einer genialen Kombination schrie Liverpools deutscher Trainer Jürgen Klopp begeistert: "Das ist Fußball!"

Es war ja auch eine Schau, was die Hochgeschwindigkeitskünstler Sadio Mané, Roberto Firmino und Mohamed Salah boten. Er sei dennoch immer noch überzeugt, den richtigen Plan gehabt zu haben, um Liverpools Blitzoffensive zu stoppen, meinte Nagelsmann hinterher. Wenn schon keine Propeller und Motoren erlaubt seien gegen diese schnellen Angreifer, so der 30-Jährige, dann müsse man die Herausforderung eben taktisch lösen. Aber das ist dem Trainer und seinen Spielern nicht gelungen - sechs Gegentore in zwei Spielen sprechen eine klare Sprache.

Und hätte Nagelsmann nicht besser in beiden Begegnungen gegen Liverpools Turbo-Linksaußen Mané rechts in der Dreierabwehrkette dem schnellen Jeremy Toljan vertrauen sollen statt den vergleichsweise gemächlichen Ermin Bicakcic im Hinspiel und Havard Nordtveit (im Rückspiel nach 24 Minuten ausgewechselt)? Zur Entlastung der TSG muss allerdings auch konstatiert werden: Gegen diese überragende Offensive der "Reds" werden noch viele andere Mannschaften überfordert sein.

In Liverpool konnten die wie betäubt wirkenden Spieler Nagelsmann Pläne schlicht nicht umsetzten, Mittelstürmer Sandro Wagner formulierte drastisch: "Wir waren heute kollektiv sch…! Wir haben uns in der ersten Halbzeit nicht an den Plan gehalten." Und trotz der Tore von Mark Uth zum 1:3 (28.) und Wagner zum 2:4 (79.) blieb Torwart Oliver Baumann bester Hoffenheimer, der ein höheres Ergebnis mehrfach verhinderte.

Taktisch überraschte LFC-Coach Klopp die Badener zudem mit einem offensiven Überfallfußball von Beginn an. Viele hätten wohl auf Abwarten gesetzt nach dem Vorsprung aus dem Hinspiel, erklärte Klopp: "Aber wir haben es anders gemacht und nicht auf Konter gewartet." Der Start des Spiels, jubelte Klopp, sei wie ein Gewitter gewesen. Diese Partie tat "Hoffe" auch deshalb so weh, weil sie auf allen Ebenen fast wie eine Zurechtweisung der forschen Ankündigungen der Hoffenheimer nach dem Hinspiel wirkte. Selten war eine Elf weiter davon entfernt, in Liverpool Geschichte zu schreiben als die TSG. Und so hat der Satz bestand: An der Anfield Road hat noch nie eine deutsche Mannschaft gewonnen.

Info: Einen Liveblog zur Europa-League-Auslosung finden Sie ab 13 Uhr unter www.rnz.de/liveblog

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