Mit Sprechchören feierten kürzlich die Fans den Trainer des SV Sandhausen. Uwe Koschinat weiß, wie man Menschen begeistert. Foto: vaf
Von Wolfgang Brück
Sandhausen. Sie sind Exoten in der modernen Fußball-Welt. Trainer, für die die Tätigkeit kein zeitlich begrenztes Projekt ist, sondern eine Lebensaufgabe. Otto Rehhagel war 14 Jahre bei Werder Bremen. Volker Finke brachte es beim SC Freiburg auf 16 Jahre.
Auch der nächste Gegner des SV Sandhausen am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) wird von einem Langzeit-Coach trainiert. Frank Schmidt geht beim 1. FC Heidenheim in seine 13. Saison. Davor war er vier Jahre Spieler in seiner Heimatstadt.
Als er 2003 vom SV Waldhof nach Hause zurückkehrte, kickten die Heidenheimer Fußballer in der Verbandsliga. Mittlerweile haben sie sich - wie der SV Sandhausen - in der 2. Bundesliga etabliert. Darüber sind nicht alle begeistert. Mancher Großstadt-Mensch rümpft über die Provinz die Nase.
Die Nagel-These
Uwe Koschinat gefällt es im kleinsten Zweitliga-Standort. "Ich bin dem Verein sehr, sehr dankbar", sagte der 48-jährige Fußballlehrer am Mittwoch, "er hat mir die Chance in der Zweiten Liga gegeben und ist auch in kritischen Situationen hinter mir gestanden. Ich fühle mich in Sandhausen sehr wohl." Der Wahl-Kölner, dessen Vertrag nächstes Jahr ausläuft, kann sich ein längerfristiges Engagement vorstellen. Er ist seit Oktober am Hardtwald.
Festlegen will er sich aber noch nicht. Vielleicht um erst mal die weitere Entwicklung abzuwarten. Gute Zweitliga-Trainer liegen im Trend wie die Beispiele Markus Anfang, Achim Beierlorzer und Tim Walther zeigen.
Auch der Hardtwald taugt zum Sprungbrett, nicht nur für Profis. Sandhausen hat fußballerisch zugelegt. "Wir haben Mönchengladbach und eine Halbzeit lang Nürnberg an die Wand gespielt", schwärmt Präsident Jürgen Machmeier. Die Neuen - immerhin eine ganze Elf - scheinen zu passen. Der Trainer und der Sportliche Leiter Mikayil Kabaca haben sich bei der Zusammenstellung des Kaders was gedacht.
Zufrieden ist Koschinat allerdings nicht mit dem Saisonstart. "Spielerisch ist die Mannschaft schon sehr weit", sagt der Trainer, "doch wir haben zu wenige Punkte." Das 0:1 daheim gegen Osnabrück nach krasser Überlegenheit und durch einen umstrittenen Treffer kurz vor Schluss nagt. Torwart Martin Freisl schwört Stein und Bein: "Der Ball war nicht hinter, sondern mit vier, fünf Zentimetern auf der Torlinie."
Die Unabwägbarkeiten machen Prognosen schwer. Kleinigkeiten, kleiner als "der Dreck unter den Fingernägeln", hat Ex-Trainer Alois Schwartz mal gesagt, würden in der Zweiten Liga über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Als Sandhausen im Mai mit 3:2 in Heidenheim gewann, handelte es sich um den ersten Sieg beim Angstgegner nach sage und schreibe 13 Jahren. Es war, denkt Koschinat zurück, der "Schlüssel zum Klassenerhalt."
Gleichzeitig verspielten die Ostälbler, die wie der SV Sandhausen mit vier Punkten in die neue Runde starteten, damals ihre Chance, in die Bundesliga aufzusteigen. Die beste Saison seit dem Aufstieg 2013 endete auf Platz fünf - zwei Zähler fehlten zur Erstklassigkeit.
Gelohnt hat es sich trotzdem. Um knapp zehn Millionen Euro reicher wurden die tüchtigen Schwaben durch den Verkauf von Robert Glatzel (für 6 Millionen nach Cardiff), Nikola Dovedan (2,5 Millionen nach Nürnberg) und Robert Andrich (1 Million zu Union Berlin).
Koschinat ist dennoch sicher: "Wir müssen die Leistung gegen Nürnberg wiederholen, um aus Heidenheim was Zählbares mitzunehmen." Übrigens, sollte der Trainer auf Rekordjagd sein, ist er ein bisschen spät dran. Denn die Bestmarke hält Guy Roux. Er war Trainer beim AJ Auxerre - 44 Jahre lang.