Von Wolfgang Brück
Sandhausen. Es dürfte sich um eine der längsten Anfahrten zu einem "Heimspiel" handeln. Zwölf Kilometer trennen Uwe Koschinat von seinem Haus in Köln-Rondorf vom RheinEnergieStadion im Stadtteil Müngersdorf. Doch statt eine gut zwanzig Minuten war der Trainer des SV Sandhausen vor dem Spiel am heutigen Samstag (13 Uhr/Sky) beim 1. FC Köln fast sechs Stunden unterwegs. Die Fahrt ging von Rondorf nach Sandhausen und von dort zurück nach Köln. "Es ist für mich selbstverständlich, dass ich gemeinsam mit den Jungs im Mannschaftsbus angereist bin", sagt der 47-jährige Fußballlehrer, "als Chef muss man den Zusammenhalt vorleben."
Vielleicht hilft’s ja was beim schier aussichtslosen Unterfangen, bei der vermutlich am besten besetzten Mannschaft der Zweiten Liga zumindest einen Punkt mitzunehmen. Die Rhein-Neckar-Zeitung sprach mit Uwe Koschinat über seine Zeit beim 1. FC Köln, seine Verbundenheit mit der Stadt Köln, wo er seit vier Jahren zu Hause ist.
Uwe Koschinat, wenn Sie sich heute ins Auto setzen, sind Sie von Ihrem Haus in im Kölner Stadtteil Rondorf in gut zwanzig im RheinEnergieStadion.
Es ist für mich selbstverständlich, dass ich gemeinsam mit den Jungs im Mannschaftsbus angereist bin und auch im Hotel übernachtet habe. Als Chef muss man den Zusammenhalt vorleben.
Also doch kein Heimspiel für Sie.
Von einem Heimspiel würde ich reden, wenn ich Trainer des 1. FC Köln wäre.
Sie wären es beinahe geworden. 2013 sollen Sie auf der Liste der Kandidaten gestanden haben, als ein Nachfolger für Holger Stanislawski gesucht wurde.
Das halte ich für ein Gerücht. Mir ist jedenfalls nichts zu Ohren gekommen. Ich denke, dass der FC bei der Trainer-Wahl in anderen Dimensionen gedacht hat.
Dennoch haben Sie eine Vergangenheit beim 1. FC Köln. Sie waren ab 1987 vier Jahre im Nachwuchsleistungs-Zentrum des Bundesligisten.
Gemeinsam mit Patrick Weiser und Alexander Bader, den späteren Bundesliga-Profis. Der Vater von Patrick hat mich regelmäßig vom Bahnhof in Bonn abgeholt, er war auch Sicherheits-Chef des Vereins, Alex bis zum Sommer Torwarttrainer. Später als Trainer von Fortuna Köln war mein Revier mehr das Geisbockheim, wo die zweite Mannschaft des FC beheimatet ist. Dort gibt es einige Leute, zu denen ich bis heute ein herzliches Verhältnis habe.
Weniger herzlich war die Beziehung zu den Sportfreunden von der anderen Seite.
Viktoria und Fortuna Köln - das ist wie Schalke und Dortmund. Die Viktoria hat ungleich größere finanzielle Mittel, dennoch ist die Südstadt derzeit die Nummer zwei hinter dem FC.
Sie sind mit 18 von Koblenz nach Köln gezogen und sind 2015 mit Ihrer Familie zurückgekommen.
Ich habe im Hildegard von Bingen-Gymnasium in Köln das Abitur gemacht und Kyra kennen gelernt, die seit mehr als zwei Jahrzehnten meine Frau ist. Zwischenzeitlich habe ich beim Viertligisten TuS Marialinden vor den Toren Kölns gekickt, 2011 wurde ich Trainer bei der Fortuna, die ersten vier Jahre bin ich zwischen Koblenz und Köln gependelt.
Wie jetzt zwischen Sandhausen und Köln. Wann rücken die Möbelpacker an?
Erst mal nicht. Meine Frau ist Lehrerin, meine Kinder gehen in Köln zur Schule, mein Sohn steht vor dem Abitur, übrigens auch im Hildegard von Bingen-Gymnasium.
Inwieweit fühlen Sie sich als Kölner?
Köln macht es einem leicht, schnell heimisch zu werden. Die Stadt ist weltoffen und tolerant. Die Menschen haben ein Talent, das Leben so zu nehmen wie es kommt. Und Sie ergreifen jede Möglichkeit zu feiern.
Wir fürchten, dass sich am heutigen Samstag gegen drei die nächste Gelegenheit ergibt.
Ich hoffe nicht. Die Leistungen unserer letzten Spiele machen mir Mut. Wir wollen in Köln gewinnen, aber auch über einen Punkt werden wir möglicherweise nicht unglücklich sein.
Der 1. FC Köln steht nicht mehr auf einem Aufstiegsplatz. Macht die Niederlage in Paderborn die Aufgabe für Sandhausen schwerer oder leichter?
Hätte Köln die letzten Spiele gewonnen, hätte vielleicht die Chance bestanden, unterschätzt zu werden. Das ist jetzt sicher nicht der Fall. Aber möglicherweise ist für den FC der Druck noch etwas größer geworden.
Für den SV Sandhausen aber auch. Nach den Siegen von Ingolstadt, Magdeburg und Aalen. Könnte bei einer nicht überraschenden Niederlage im RheinEnergieStadion und weiteren Punktgewinnen der Konkurrenten im Abstiegskampf schon eine Vorentscheidung gefallen sein?
Nein. Wir wussten, dass das Auftaktprogramm mit den Auswärtsspielen in Hamburg, Berlin und Köln extrem schwer werden würde. Unseren Rivalen stehen diese Spiele noch bevor. Aber es ist richtig: Unsere ordentlichen Leistungen spiegeln sich nur ungenügend in den Ergebnissen wieder. Das 1:1 gegen Darmstadt war zu wenig. Wir brauchen Siege.
Fußballer sind abergläubisch. Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Bundesliga-Spiel, das Sie im Stadion gesehen haben?
Na klar, da war ich elf. Mein Vater ist mit mir von Koblenz zum Betzenberg gefahren: 1. FC Kaiserslautern gegen den 1. FC Köln.
Lautern hat durch Tore von Lutz Eilenfeld, Hans-Peter Briegel und Wolfgang Wolf 3:2 gewonnen.
Ich habe noch das Super-Tor von Wolf aus 35 Metern vor Augen. Vielleicht ist das Ergebnis meines ersten Bundesligaspiels ein gutes Omen.