Von Wolfgang Brück
Heidelberg. Christian Eichner kommt am Samstag (13 Uhr/Sky) mit dem Karlsruher SC zum badischen Zweitliga-Derby nach Sandhausen. Der 38-jährige Sulzfelder hat aus einem Abstiegskandidaten eine Spitzenmannschaft gemacht. Im RNZ-Interview gibt Eichner, der Mathematik, Geografie und Ethik studiert hat, Einblicke in seinen Führungsstil und überrascht mit der Aussage: "Wir werden wie Sandhausen um den Klassenerhalt spielen." Karlsruhe ist Fünfter, die Gastgeber Vorletzter.
Christian Eichner, das Derby scheint eine "gmahde Wiesn" zu sein, wie man in Österreich zu sagen pflegt. Angeblich lügt die Tabelle nicht.
Sandhausen hat eine gute Mannschaft. Wenn mir vor knapp 20 Jahren, als ich mit den KSC-Amateuren am Hardtwald gespielt habe, jemand gesagt hätte, Contento und Diekmeier tragen mal das Sandhäuser Trikot, ich hätte es nicht geglaubt. Es ist großartig, was geleistet wurde. Sandhausen ist ein etablierter Zweitligist. Ein Vorbild für uns.
Und auch ein warnendes Beispiel dafür, was passiert, wenn man zu viel will?
Ich finde es vernünftig, dass man das Ziel korrigiert hat und nicht immer nur gegen den Abstieg spielen wollte. Um auf Ihre Eingangsfrage zurückzukommen: Ich rechne mit einem komplizierten Spiel für uns. Wenn einer weiß, welche Kräfte im Abstiegskampf frei werden können, dann sind wir es.
Der KSC musste in der vergangenen Saison lange zittern. Um so beeindruckender ist die Entwicklung. Sie haben aus einem Abstiegs-Kandidaten eine Spitzenmannschaft gemacht. Was ist Ihr Erfolgs-Geheimnis?
Es gibt kein Erfolgs-Geheimnis, allenfalls eine Erklärung. Ich will meine Spieler so behandeln, wie ich mir das von meinen Trainern gewünscht habe. Man sollte mit Freude zur Arbeit gehen. Wer sich wohl fühlt, kann mehr Leistung bringen. Und: Zuspruch schadet nichts. Es ist wie im normalen Arbeitsleben, im Spitzensport vielleicht sogar ein bisschen mehr: Man muss Vertrauen des Chefs spüren.
Ihnen selbst war eine Profi-Karriere nicht in die Wiege gelegt. Sie haben sich vieles erarbeitet, hatten aber auch Wegbegleiter, die an Sie geglaubt haben.
Das stimmt: Zum Beispiel Ede Becker, damals viele Jahre mein Trainer und heute der Leiter unseres Nachwuchs-Leistungszentrums. Wir haben ein ausgesprochen enges Verhältnis. Wir tauschen uns regelmäßig aus. Ich profitiere sehr von seiner Erfahrung.
Starke Nachwuchsarbeit gehört zur DNA des Karlsruher SC. Mehmet Scholl, Oliver Kahn, aber auch Christian Eichner sind Beispiele dafür. Gibt es bald ein neues blaues Wunder?
In der KSC GRENKE aKAdemie wird sehr gut gearbeitet, aber es hat sich einiges geändert. Junge Spieler wechseln oftmals früh von Akademie zu Akademie. Deshalb ist es fast unmöglich, die vergangenen Zeiten zu wiederholen.
Gerade haben Sie ihre Kontakte spielen lassen und mit Kevin Wimmer von Stoke City und Xavier Amaechi vom Hamburger SV zwei Neue verpflichtet.
Zu Michael Mutzel, der beim HSV Sportdirektor ist, habe ich einen sehr engen Draht. Wir sind mit dem KSC zusammen in die Bundesliga aufgestiegen. Mit Kevin habe ich noch gemeinsam beim 1. FC Köln gespielt, bevor er von dort für eine hohe Ablöse nach Tottenham ging.
Jetzt kommt er aus Stoke, dem Synonym für beste Alltags-Tauglichkeit. Sie kennen den in England gebräuchlichen Spruch: You have to show it on a windy night in Stoke?
(lacht) Ja, Spieler, die dahin gehen, wo es weh tut, sind wichtig. Die Mischung muss stimmen. Es muss passen in der Mannschaft.
Marco Thiede ist einer aus der Abteilung "Windy night in Stoke". In Sandhausen haben sie Marco weggeschickt: Er sei technisch limitiert, zu schwach im Spiel nach vorne. Bei Ihnen wurde er Stammspieler, schießt plötzlich sogar Tore. Ein Wunder?
Eine Entwicklung. Marco hat ein Riesenherz. Verteidigen konnte er schon immer. Wir haben ihm ein paar Kniffe gezeigt, wie es auch nach vorne besser gehen kann. Und das setzt er um und hat einen großen Schritt gemacht. Ich komme darauf zurück: Ein Spieler braucht Vertrauen. Vom Trainer, aber auch durch die Mitspieler.
Außer gegen den Hamburger SV hat der KSC gegen alle Spitzenmannschaften gewonnen: Fürth, Kiel, Bochum, Hannover... Die Fans träumen von der Rückkehr in die Bundesliga.
Es freut mich, wenn wir unseren Fans Freude bereiten. Wir können in dem einen oder anderen Spiel überraschen. Aber unser Ziel ist es, uns in der Zweiten Liga zu etablieren. Wir gehören zu den Mannschaften, die – wie Sandhausen – um den Klassenerhalt spielen.
Das lassen wir mal unkommentiert. Wüssten wir nicht, dass Sie Punkteteilungen nicht mögen, Sie in der Schlussphase bei einem Unentschieden eher einen offensiven als einen defensiven Mann einwechseln und Karlsruhe folgerichtig der Verein mit den wenigsten Remis ist, würden wir im Derby auf ein 1:1 tippen.
Stimmt. Wir wollen Spiele gewinnen. Denn ein Sieg gibt mehr Punkte als zwei Unentschieden. Das ist eine einfache Rechnung und war bei mir schon immer so. Und dass meine Spieler nach dem 0:0 am Sonntag gegen Regensburg enttäuscht waren, hat mir gefallen. Auch das ist das Ergebnis einer Entwicklung.